Die 130 Beschäftigten des Autozulieferers HBPO auf dem Werksgelände von Mercedes-Benz in Rastatt haben sich gemeinsam mit der IG Metall erstmals einen Tarifvertrag erkämpft – mit bis zu 20 Prozent mehr Lohn.
Der Weg dorthin war steinig: 2013 wählten die Beschäftigten bei HBPO erstmals einen Betriebsrat. „Wir haben uns im kleinen Kreis mit der IG Metall getroffen“, erinnert sich der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Steffen Lange. „Unser Ziel war ein Tarifvertrag – denn unsere Löhne lagen deutlich unter dem, was man normalerweise in der Produktion verdient. Außerdem war rund die Hälfte der Belegschaft befristet oder als Leiharbeiter hier. Wir wollten feste Verträge.“
Der Arbeitgeber leistet massiv Widerstand. „Wir mussten die Wahlversammlung vom Gericht durchsetzen“, erinnert sich Bodo Seiler von der IG Metall-Geschäftsstelle Gaggenau. „Das ging auch nach der Betriebsratswahl so weiter. Das Unternehmen hat die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats missachtet. Wir immer wieder vor Gericht - und haben fast alles gewonnen.“
Stück für Stück setzt der Betriebsrat mit Hilfe der IG Metall seine Rechte durch. Doch mit dem Tarifvertrag geht es erst mal nicht voran: Zu wenige Beschäftigte treten in die IG Metall ein. Viele haben Angst.
Das ändert sich Anfang 2018 in der heißen Phase der Metall-Tarifrunde, als die Beschäftigten des Mercedes-Werks nebenan in den ganztägigen Warnstreik treten. „Bis dahin hielten viele den Tarifvertrag bei uns für unrealistisch“, erinnert sich Lange. „Doch an diesem Tag haben alle gesehen, was die IG Metall tatsächlich bewirken kann.“
Innerhalb weniger Wochen sind rund 70 Prozent der Beschäftigten in die IG Metall eingetreten. Im Juni 2018 fordert die gewählte IG Metall-Tarifkommission bei HBPO die Geschäftsleitung zu Tarifverhandlungen auf.
Doch der Konzernvorstand weigert sich - niemals werde man einen Tarifvertrag unterschreiben – und droht mit der Schließung des Standorts. Die Beschäftigten werden in Einzelgesprächen bearbeitet.
Doch sie lassen sich nicht einschüchtern. Im November 2018 ist es schließlich soweit: Die HBPO-Beschäftigten treten in den Warnstreik. Der Arbeitgeber bietet Streikbrechern eine Prämie von 80 Euro an – und setzt zudem illegal Leiharbeiter als Streikbrecher ein. Doch sie ziehen ihren Warnstreik durch.
Nach nicht einmal einer Stunde steht das Band bei Mercedes – weil keine Frontmodule von HBPO mehr kommen. Die Geschäftsführung von HBPO knickt ein – und stimmt Tarifverhandlungen zu.
Ende April 2019 ist der Tarifvertrag unterschrieben. Er bringt den HBPO-Beschäftigten bis zu 20 Prozent mehr Geld. Die Arbeitszeit wird von 40 auf 37,5 Stunden verkürzt. Dazu kommen weitere Verbesserungen wie Altersteilzeit, Verdienstabsicherung und Kündigungsschutz im Alter, Schichtpausen und bessere Kündigungsfristen.
Derzeit liegen ihre Löhne noch rund 10 Prozent unter dem Metall-Tarif. Bis 2024 werden ihre Löhne stufenweise auf den Metall-Tarif angehoben.