12. Juli 2021
Tarifbindung bei Dräxlmaier
Dräxlmaier-Beschäftigte wollen endlich Tarif
Sie bauen Batterien für Elektroautos, hier in Sachsenheim bei Stuttgart. Aber ohne Tarif. Denn Tarifverträge und Gewerkschaft will der Autozulieferer Dräxlmaier nicht. Das wollen die Beschäftigten endlich ändern. Sie fordern die Bindung an den Metall-Tarif – und haben dafür erstmals demonstriert.

Sie montieren die Batterien für Elektroautos, für den Porsche Taycan und den Audi e-tron. „Hier entsteht die Mobilität der Zukunft“, schreibt der Automobilzulieferer Dräxlmaier über sein erst vor zwei Jahren eröffnetes Batteriewerk in Sachsenheim bei Stuttgart – und wirbt mit attraktiven, modernen Arbeitsbedingungen, familienfreundlich und gesund.

Doch tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen beim Autozulieferer Dräxlmaier in Sachsenheim noch von gestern. Es gibt keine Altersteilzeit, keine Alterssicherung, nicht alle tariflichen Sonderzahlungen und Schichtzulagen - und Arbeitszeiten von 38,75 Stunden in der Woche. In Summe liegen die Jahresgehälter bei Dräxlmaier deutlicgh  unter dem Metall-Tarif.
 

Kundgebungen in allen Schichten

Das wollen die Beschäftigten in Sachsenheim endlich ändern – und haben dafür erstmals mit allen drei Schichten vor dem Betrieb demonstriert. Sie fordern die Tarifbindung an die Tarifverträge der IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie.

Und sie sind bereit, für ihren Tarifvertrag zu kämpfen. Mittlerweile sind gut 70 Prozent der Beschäftigten in der IG Metall. Vor einem Jahr wählten sie erstmals einen Betriebsrat. Im Januar wählten sie eine Tarifkommission.

 „Die Beschäftigten wissen worum es geht, sie kennen Dräxlmaier“, erklärt  der Betriebsratsvorsitzende Mustafa Yesilyaprak. „Wir haben eine junge Belegschaft, die engagiert mitmacht.“

Bislang weigert sich die Geschäftsführung, mit der IG Metall über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Sie will nur mit der „Mitarbeitervertretung“ sprechen. Immerhin bietet sie den Beschäftigten jetzt schon mal zwei Euro mehr pro Schicht oder 500 Euro Corona-Prämie an - und will Wasserspender aufstellen. Auch soll es erstmals konzernweit nach längerer Pause wieder eine Entgelterhöhung von zwei Prozent  geben.

Die Beschäftigten zeigten der Geschäftsführung deutlich, was sie davon halten: Bei der Betriebsversammlung Ende Juni fragte der Betriebsrat: Wer ist für das Angebot des Arbeitgebers? Und keiner stand auf. Wer ist für die Tarifbindung? Und alle standen auf.
 

Dräxlmaier will keine Gewerkschaft und keinen Tarif

Tarifverträge will das „Familienunternehmen“ Dräxlmaier traditionell nicht. Firmenchef Fritz Dräxlmaier ist Multimilliardär. Dräxlmaier expandiert, hat mittlerweile fast 80 000 Beschäftigte weltweit. Doch an keinem einzigen der 15 deutschen Standorte des „Premiumzulieferers“ für Autoelektronik gibt es einen Tarifvertrag. Die IG Metall soll draußen bleiben.

Dräxlmaier hat in der Vergangenheit wiederholt klargemacht, wer der Hausherr ist: Bei einem Warnstreik in Bremen 2005 flog Dräxlmaier Streikbrecher per Hubschrauber ins Werk. In Böblingen baute Dräxlmaier 2006 in einer Nacht- und Nebelaktion die Maschinen ab.

Auch in Sachsenheim gab es immer wieder Angriffe gegen die Beschäftigten und ihre Rechte. „Wir haben Vorgesetzte, die meinen, Führen heißt Angst machen. Leute werden psychisch fertiggemacht und rausgeekelt“, berichtet Betriebsrat Yesilyaprak. „Deshalb sind wir zur IG Metall und haben einen Betriebsrat gewählt: Um endlich eine starke Stimme zu haben.“

Doch auch den Betriebsrat greift Dräxlmaier an – und versucht die Betriebsratswahlen in gleich zwei Verfahren für nichtig – also ungültig - erklären zu lassen. Demnächst geht es deswegen zum Landesarbeitsgericht.
 

IG Metall verlangt Verhandlungen – sonst Zuspitzung

Die Beschäftigten in Sachsenheim machen Druck – und sie sind nicht allein: Bei den Kundgebungen kamen auch Metaller*innen aus anderen Betrieben vorbei. Der Konzernbetriebsrat von Dräxlmaier hat seine Unterstützung erklärt. Auch in der Konzernzentrale im niederbayerischen Vilsbiburg ist die IG Metall nun dran, den Beschäftigten den Wert einer Tarifbindung näherzubringen.

Für Sachsenheim verlangt die IG Metall, dass sich die Geschäftsführung noch vor Start der Sommerferien am 29. Juli zu Verhandlungen bereit erklärt - „und zwar mit dem ernsthaften Willen einer Tarifbindung“, betont Markus Linnow von der IG Metall Ludwigsburg. „Ansonsten droht sich die Situation nach der Sommerpause unnötig zuzuspitzen.“


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