„Sie haben eine Unternehmensberatung geholt, die mal wieder nur aus der Helikoptersicht über uns drübergeflogen ist“, erinnert sich Uwe Zebrowski. „Ich habe ja selbst oft mit Unternehmensberatern gearbeitet. Das läuft immer nur auf Sparen, Abbauen und Zumachen hinaus. Auf die Prozessebene gehen die nie runter, weil sie meistens dazu keine Kompetenz haben. Entscheiden, damit Top-Manager sagen können: Die sind unserer Meinung. Dann ist das richtig.“
Exakt 953 von rund 2300 Arbeitsplätzen sollten weg. Unter anderem sollte dabei auch die komplette Fertigung mit 250 Beschäftigten dichtgemacht werden. Klar: Wenn weniger Menschen rauchen, braucht es auch weniger Tabakmaschinen. Und wer bei weniger Umsatz trotzdem 20 Prozent Marge will, muss halt den teuersten von drei Fertigungsstandorten dichtmachen. Ungarn, Malaysia – Hamburg.
Gewinnmaximierung um jeden Preis, Sparen, Verlagern. Das war nicht mehr das Unternehmen, in dem Uwe Zebrowski 32 Jahre lang gearbeitet hat. Er ging zur IG Metall Hamburg und gewann Mitstreiter im Betrieb. Gemeinsam belebten sie die IG Metall im Betrieb und den Betriebsrat wieder, gewannen immer mehr IG Metall-Mitglieder, wurden immer stärker, stellten Forderungen auf, machten Druck und verhandelten.
Das Ergebnis jetzt: 253 Arbeitsplätze sind gerettet. Doch 700 Arbeitsplätze werden sozialverträglich über eine großzügige Altersteilzeit und Abfindungen ohne Entlassungen abgebaut. Dafür verzichteten die Beschäftigten 2020 auf ihr tarifliches Zusatzgeld B in Höhe von rund 400 Euro. Aber: 1600 Arbeitsplätze sind langfristig gesichert – über Kurzarbeit mit Aufstockung und danach zur Not über eine 4-Tage-Woche. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2024 ausgeschlossen.
Doch vor allem konnten sie dem Management nachweisen, dass bessere Prozesse mit gut ausgebildeten kompetenten Beschäftigten die Produktivität erhöhen – und dadurch ebenso Marge bringen wie Einsparungen.
Sie setzten einen Zukunftstarifvertrag durch, der ihnen nun die Chance gibt, mit ihren eigenen Ideen ihre Zukunft zu sichern. Die Beschäftigten erarbeiten gemeinsam mit dem Management in Projektgruppen neue Produkte für die Zukunft – und bessere Prozesse. Für das gemeinsame große Projekt – die „Fabrik der Zukunft“.
„Früher sind die Ideen der Beschäftigten an irgendeinem Abteilungsleiter hängen geblieben – und sie haben es schnell aufgegeben“, erklärt Zebrowski. „Doch jetzt merken sie: Hey, wir brauchen uns nur beim Betriebsrat zu melden, die nehmen sich Zeit, kommen zu uns vor Ort und nehmen uns ernst. Wir kriegen jede Woche Mails und werden angesprochen: Kommt zu uns, wir haben eine Idee. Wenn die Kollegen erst mal Vertrauen haben, haben sie unglaubliche Ideen, auf die nie ein Manager kommen würde. Und sie sind flexibel und motiviert, das sichert Arbeitsplätze in Hamburg.“
Eine Million Euro stellt die Firma dafür jedes Jahr in einem Innovationsfonds zur Verfügung. Ein paritätischer Lenkungskreis aus Geschäftsleitung und Betriebsrat entscheidet am Ende, welche Innovationen verfolgt werden.
Der Betriebsrat bestimmt zudem mit bei der Personalplanung und Qualifizierung. „Die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte bei Hauni gehen nun deutlich über das hinaus, was im Gesetz steht“, erklärt Ina Mewes von der IG Metall Region Hamburg, die den Zukunftstarifvertrag mit ausgehandelt hat.
So steht es auch im Tarifvertragstext: „Den Beschäftigten und Betriebsräten wird die Möglichkeit gegeben, ihre Vorstellungen zur künftigen Ausrichtung der Fabrik der Zukunft im Sinne der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten einzubringen.“
Es hat sich bereits gelohnt: Die in eine Tochterfirma ausgegliederte Fertigung wird nicht geschlossen, sondern wieder in das Unternehmen Hauni eingegliedert. Die Beschäftigten haben dafür eine neue Arbeitsorganisation ausgearbeitet, mit flacheren Hierarchien, weniger Chefs und weniger Schnittstellen. Das lohnt sich auch für die Firma.
Und einige neue Produktideen sind auch schon in der Pipeline.
„Normalerweise läuft Management top-down, von oben nach unten. Sie machen Geld durch Einsparen“, meint Ex-Manager Zebrowski. „Dabei liegt das Geld unten. Das Potenzial liegt in den Köpfen der Menschen. Die Beschäftigten haben doch auch keinen Bock auf schwerfällige Arbeitsprozesse. Wir reorganisieren unser Unternehmen jetzt gemeinsam und ganzheitlich - und nicht nur von oben. Das macht uns keine Unternehmensberatung nach.“
Geschafft haben sie das letztlich nur, weil sie sich gemeinsam in der IG Metall organisiert haben, gemeinsam gekämpft und verhandelt haben. Weil sich immer mehr aktiv eingebracht haben.
„Da wo Du starke Gewerkschaften hast, holen die Beschäftigten am Ende immer mehr für sich heraus“, macht Zebrowski klar. „Das wissen auch die Manager.“
Den Zukunftstarifvertrag haben die Beschäftigten dann schließlich gemeinsam mit der IG Metall Hamburg durchgesetzt und ausgehandelt.
„Am Beispiel Hauni hat sich gezeigt, wie wichtig eine wachsende Organisationsmacht im Betrieb und starke Betriebsräte sind“, erklärt Ina Mewes von der IG Metall Region Hamburg. „Besonders hervorzuheben ist auch, dass der Restrukturierungsprozess mit paritätisch besetzten Projektgruppen erfolgt. Bedeutet: Nicht der Arbeitgeber alleine bestimmt die Richtung, sondern der Weg wird gemeinsam mit den Beschäftigten definiert. Dieser Weg zusammen mit dem Abschluss eines Zukunftstarifvertrages, der den Beschäftigten Sicherheit bis Ende 2024 bietet, ist als wirklicher Erfolg zu werten. Zukunftstarifverträge schaffen Sicherheit bei allen Beteiligten. Das sollten die Arbeitgeber in der aktuellen Tarifrunde ebenfalls berücksichtigen.“