Sie wollten nicht länger hinnehmen, dass sie trotz guter Gewinne keine Gehaltserhöhung bekommen.
Die Beschäftigten des zu Atos gehörenden IT-Dienstleisters science computing (s+c) haben gemeinsam mit uns erstmals einen Tarifvertrag durchgesetzt. Zum 1. Mai steigen ihre Entgelte zunächst um 3 Prozent. In den nächsten drei Jahren führt s+c dann schrittweise unseren Rahmentarif IT ein. Derzeit liegen die Entgelte noch um bis zu 30 Prozent darunter. Bis 2021 jedoch steigen die Gehälter kräftig auf 115 Prozent des Rahmentarifs IT.
Die IG Metall-Mitglieder bei s+c in Tübingen, München und Ingolstadt hatten sich bereits auf einen Warnstreik vorbereitet. Während der 16-stündigen Verhandlung in der s+c-Zentrale in Tübingen demonstrierten 70 Beschäftigte auf einer Terrasse gegenüber des Verhandlungsraums für ihre Forderungen. Das Gebäude war mit IG Metall-Fahnen und Transparenten geschmückt. Und immer wieder klingelten Tarifwecker in Hörweite des Verhandlungssaals, bis mitten in die Nacht hinein.
„Der Geschäftsleitung ist klar geworden, dass es ernst wird und dass sie uns endlich ein vernünftiges Angebot machen müssen“, erklärt Christoph Prokop, IT-Fachmann und Leiter der IG Metall-Vertrauensleute bei s+c in Tübingen. „Unser Tarifabschluss war nur möglich, weil wir geschlossen zusammenstanden.“
Bis Ende 2016 hatte die IG Metall bei s+c nur eine Handvoll Mitglieder. Das Arbeitsklima im Betrieb war gut. Doch als die Geschäftsführung verkündete, dass es trotz guter Gewinne keine Gehaltserhöhung geben werde, hatten die Beschäftigten die Nase voll. Der Tübinger Betriebsrat lud die IG Metall Reutlingen-Tübingen zur Betriebsversammlung ein.
„Uns ist klargeworden, dass wir ohne Tarifvertrag nicht die nötige Durchsetzungskraft haben, um angemessene Gehaltserhöhungen zu erreichen“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Christoph Haas, der zugleich Teamleiter im Software Consulting ist. „Die Zusammenarbeit mit der IG Metall ist für uns das optimale Vorgehensmodell.“
Auf der Betriebsversammlung machte Michael Bidmon von der IG Metall Reutlingen-Tübingen den Beschäftigten klar: Ein Tarifvertrag fällt nicht vom Himmel. Die Mehrheit der Beschäftigten muss dazu hinter uns stehen, Mitglied werden und auch bereit sein, für den Tarifvertrag aktiv zu werden. Innerhalb weniger Monate war über die Hälfte der Belegschaft bei uns eingetreten. Sie wählten IG Metall-Vertrauensleute und eine Tarifkommission, gemeinsam mit München und Ingolstadt.
„Wir haben Flyer verteilt, auf Versammlungen diskutiert und vor allem viele Einzelgespräche geführt“, erzählt Prokop. „Wir haben auch die Tariftabellen ausgehängt. So konnten alle sehen, wie weit Ihr Gehalt unter dem Tarif liegt. Die beste Werbung für uns hat jedoch die Geschäftsführung mit ihren Aussagen gemacht. Nach jeder Betriebsversammlung hatten wir einen Schub von Eintritten in die IG Metall.“
Im November 2017 ― ein Jahr nach dem ersten Besuch der IG Metall bei s+c ― übergab die gewählte Tarifkommission der drei s+c-Standorte dann die Forderungen an die Geschäftsführung. Die Gespräche starteten im Dezember. Nach mehreren Verhandlungen gelang dann Anfang April der Durchbruch.
Nach dem Tarifabschluss geht die Arbeit weiter: Die Beschäftigten müssen nun korrekt nach dem Tarifvertrag eingruppiert werden. Bislang liegt der Großteil der Beschäftigten deutlich unter unserem Rahmentarif IT. Und es ist völlig undurchsichtig, wer wie viel verdient. Der eine bekommt mehr, der andere weniger, da bislang jeder selbst sein Entgelt ausgehandelt hat.
In den kommenden Wochen wollen der Betriebsrat und unsere Mitglieder bei s+c in Mitgliederversammlungen diskutieren, wie sie die Eingruppierung angehen. Die Beschäftigten bei s+c betreuen unter anderem die IT in der Forschung und Entwicklung unter anderem bei Daimler, Audi, Porsche und BMW.