Betriebe mit Tarifvertrag sind für Beschäftigte und Fachkräfte attraktiver. Das liegt insbesondere an den schlechteren Arbeitsbedingungen bei fehlender Tarifbindung, wie eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten im Mittel wöchentlich 54 Minuten länger. Außerdem verdienen sie 11 Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarif. Diese Lücke im Entgelt macht am Ende des Jahres einen Unterschied von mehreren Hundert Euro zwischen den Beschäftigten aus.
Die Studie zeigt auch, dass die Tarifbindung deutschlandweit und über die Branchen hinweg weiterhin abnimmt. Mit 52 Prozent waren 2019 nur noch gut die Hälfte der Beschäftigten in einem tarifgebundenen Unternehmen angestellt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es noch 68 Prozent. Auch die Mitbestimmung in den Betrieben ist rückläufig. Nur 44 Prozent der Beschäftigten werden durch Betriebs- und Personalräte vertreten.
Gründe für die abnehmende Tarifbindung sind laut der Studie unter anderem der wirtschaftliche Strukturwandel und die Verlagerung der Beschäftigten weg von industriellen Großbetrieben hin zu kleineren Betrieben im Dienstleistungssektor. Das sei oft ein Hindernis für Gewerkschaften, neue Mitglieder zu gewinnen, weil die direkte Ansprache hier schwieriger istals in großen Unternehmen. Auch die Tarifflucht von Arbeitgebern besonders in industriellen Betrieben trage zum Einbruch der Tarifbindung bei.
Laut der Hans-Böckler-Stiftung bedarf es starker Tarifverbände sowohl auf Gewerkschafts- als auch auf Arbeitgeberseite, um die rückläufige Tendenz der Tarifbindung aufzuhalten. „Damit Tarifautonomie funktionieren kann, braucht es neben starken Gewerkschaften handlungsfähige Arbeitgeberverbände, die für ihre jeweilige Branche Standards setzen können“, sagen die Autoren der Studie. Die Gewerkschaften hätten bereits in den 2010er Jahren die Tarifbindung wieder stärken können, jetzt solle besonders in neu entstehenden Branchen und Betrieben eine neue Organisationsmacht geschaffen werden, so die Forscher.