Handwerk hat goldenen Boden. Jahrzehntelang stand diese Aussage für den Erfolg der Branche. Doch immer stärker verliert dieser Satz an Bedeutung und der goldene Boden bekommt Risse. Tatsächlich verändern sich die Strukturen im Handwerk derzeit dramatisch. Zwar gab es im Handwerk schon immer einen Mix aus kleinen und großen Betrieben, doch inzwischen sind überregional agierende Handwerkskonzerne mit Kleinststandorten entstanden. Beispielsweise Pit-Stop. Bundesweit sind dort rund 1300 Beschäftigte angestellt, doch in den Einzelfilialen vor Ort arbeiten teilweise nur zwischen zwei und fünf Mitarbeiter.
Ein Betrieb und ein Meister, der auch in der Handwerksinnung aktiv ist – das gibt es immer weniger. Immer mehr Handwerksbetriebe treten aus der Innung aus oder die Innungen machen OT-Mitgliedschaften. Das bedeutet, die Betriebe sind nicht mehr tarifgebunden beziehungsweise einige Innungen geben ihre Tarifzuständigkeit auf. Diese Betriebe sind dann nicht mehr über Verbandstarifverträge tarifgebunden. Mühsam wird von der IG Metall versucht, diese dann über Anerkennungs- oder Haustarifvertrage wieder in die Tarifbindung zu bekommen.
Insgesamt führt diese aufgezeigte Gesamtentwicklung zu einem Abwärtstrend bei den Entgelten und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Beispielsweise verdient heute ein Beschäftigter in einigen Handwerksbranchen etwa ein Drittel weniger als in der Industrie. 1981 war es noch etwa gleich viel.
Überhaupt gleicht die Tarifstruktur im Handwerk eher einem Flickenteppich. Es gibt die Unterscheidung zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Firmen. Die Tarifverträge regeln jeweils betriebsspezifisch Arbeitszeit, Bezahlung, Urlaub und Sonderleistungen. Tatsächlich kann es also passieren, dass in benachbarten Handwerksbetrieben zwar ähnliche Dienstleistungen angeboten werden, doch die Arbeitszeiten oder Entgelte sich deutlich unterscheiden. Dazu kommt, dass die Industrie Arbeitspakete oder -schritte aus der eigenen Produktion ins Handwerk auslagert, um Kosten und Löhne zu sparen.
Erschwerend ist, dass der Missbrauch von Werkverträgen im Handwerk ebenso wie in der Industrie zunimmt. Das kritisiert die IG Metall, denn die Folgen sind schlechtere Arbeitsbedingungen und eine niedrigere Bezahlung der Beschäftigten bei dem Werkvertragsunternehmen. Zudem ist die Vergabe von Werkverträgen an Dritte auch im Handwerksbereich mit einem Verlust von Know-How verbunden. Die IG Metall wendet sich dagegen, wenn in einem Betrieb das Kerngeschäft ausgelagert und unter Billiglöhnen woanders bearbeitet wird. Das hat mit Flexibilität nichts zu tun, das ist Lohndrückerei und Tarifflucht.
Im Handwerk arbeiten rund 5,2 Millionen Beschäftigte. Im Organisationsbereich der IG Metall spielen das Kfz-Gewerbe, Sanitär-Heizung-Klima sowie das Elektro- und Metallhandwerk eine große Rolle. Hier sind circa 1,3 Millionen Beschäftigte tätig. Darunter sind 220 000 Auszubildende. Nur 24 000 von ihnen arbeiten in einem Betrieb mit Betriebsrat. In mehr als 1000 Betrieben könnte eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gewählt werden, doch tatsächlich haben nur 323 Betriebe eine JAV.
Die IG Metall will die Situation der Beschäftigten im Handwerk weiter verbessern. Dazu hat sie vor etwa einem Jahr die Offensive Handwerk gestartet. In den Betrieben, die keinen Betriebsrat und keine JAV haben, will die Gewerkschaft die Wahl der betrieblichen Interessenvertretungen forcieren. Die Gewerkschaft will außerdem den Trend zur Tarifflucht eindämmen und dem Kostenunterbietungswettbewerb mit „Besser-statt-Billiger-Strategien“ entgegentreten. Ziel ist es,