Der Startschuss für die nächste Tarifrunde ist gefallen: Etwa 100 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der regionalen Verhandlungs- und Tarifkommissionen aus dem Kfz-Gewerbe haben sich am 23. März zu einer bundesweiten Tarifkonferenz in Frankfurt am Main getroffen, um die Kfz-Tarifrunde 2017 einzuläuten. In den Tarifkommissionen sitzen gewählte Vertreter aus den Autohäusern und Werkstätten.
Seit Wochen diskutieren bereits Mitglieder und Beschäftigte in den Betrieben und Gewerkschaftsgremien darüber, was und wie viel die IG Metall in der anstehenden Tarifrunde fordern soll. Bei den Debatten zeichnet sich ab: Die Belegschaften in den Autohäusern und Werkstätten erwarten ein gutes Plus. Die Ausbildungsvergütungen sollen überproportional steigen.
Nächste Woche bündeln und beraten die Tarifkommissionen die Ergebnisse aus den Debatten und geben sie aIs Empfehlung an den IG Metall-Vorstand weiter. Mit ihrem Votum wird sich der Vorstand am 4. April befassen und die Forderung beschließen.
Bei der Forderungshöhe orientieren sich die IG Metall und ihre Mitglieder sowohl an der gesamt- als auch branchenwirtschaftlichen Situation des Kfz-Handwerks.
In den meisten Autohäusern und Werkstätten läuft es rund. Die Betriebe sind gut ausgelastet, die Beschäftigtenzahlen steigen: 89 Prozent der Kfz-Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als gut oder zufriedenstellend, stellt der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) fest.
Wie in den meisten Branchen treibt der private Konsum das Wachstum auch im Kfz-Gewerbe an. Auch dank guter Tariferhöhungen ist die Kauflaune der Deutschen ungebrochen: Etwa 3,1 Millionen Neufahrzeuge rollten im letzten Jahr auf die Straßen. Das entspricht einer Steigerung von 4,6 Prozent. Die mehr verkauften neuen PKW sowie ein stabiles Gebrauchtwagengeschäft bescherten dem Kraftfahrzeuggewerbe im Jahr 2016 ein Umsatzplus von 10 Prozent.
Um die gute wirtschaftliche Lage wissen auch Kfz-Beschäftigten. Entsprechend ist auch ihre Erwartung in Bezug auf die Forderungshöhe. So haben die Mitarbeiter in den Werkstätten und Autohäusern alle Hände voll zu tun. Ihre Auslastung stieg von rund 80 Prozent im Oktober auf 90 Prozent im November 2016. Das meldete die Zeitschrift „Kfz-Betrieb“ in ihrer Ausgabe 49/2016.
Es gibt also gute Gründe für die Unternehmen, ordentlich zu investieren – etwa beim Personal, in die Weiterbildung oder in die betriebliche Altersversorgung. Oder noch besser: in gute Tarifverträge. Die sind nämlich vielerorts Mangelware. Die Tarif- und Verbandsstruktur im Kfz-Gewerbe sei „löchrig wie ein Schweizer Käse“, sagte Ralf Kutzner, geschäftsführendes IG Metall-Vorstandsmitglied, bei der Auftaktveranstaltung in Frankfurt.
Durch Tarifflucht sind in den letzten Jahren die Tarifstrukturen immer brüchiger geworden und dadurch die Einkommens- und Arbeitsbedingungen mancherorts schlechter. Bei gleicher Tätigkeit liegt der Lohnunterschied zwischen tarifgebundenen und tariflosen Unternehmen bei rund 25 Prozent.
In der Kfz-Branche arbeiten bundesweit rund 353 300 Beschäftigte. Davon hat ein Großteil noch keinen Tarifvertrag gesehen, geschweige denn, davon profitiert. Die Arbeitgeber verfolgen eine Billigstrategie. Ralf Kutzner: „Im Kfz-Handwerk haben viele Landesinnungen ihr Verhandlungsmandat an freiwillige Arbeitgeberverbände abgegeben.“ Mit ihren angebotenen OT-Mitgliedschaften (ohne Tarif) schießen sich die Innungen selbst ins Abseits. Kutzner: „Damit geben sie ihr Kerngeschäft, Tarifverträge zu vereinbaren, ab und machen sich als Innungen bedeutungslos.“
„Beschäftigte und Betriebe leiden, wenn die ordnungspolitische Funktion von Tarifverträgen nicht mehr existiert“, erklärt Kutzner. Deshalb brauche das Kfz-Handwerk mehr Tarifbindung. Im Frankfurter IG Metall-Haus waren sich alle einig, dass es in der anstehenden Tarifrunde nicht nur um mehr Geld gehen dürfe, sondern auch um mehr Tarifbindung und um mehr Mitglieder.
Die Laufzeit der geltenden Tarifverträge endet – je nach Tarifgebiet – am 30. April, 31. Mai und am 30. Juni 2017. Nächste Woche befinden die regionalen Tarifkommissionen über die Forderungshöhe, die sie dem IG Metall-Vorstand als Empfehlung weiterreichen. Am 4. April beschließt der IG Metall-Vorstand die Forderung. Verhandlungsauftakt ist am 26. April in Niedersachsen.