Sie kommen aus den Autohäusern und Werkstätten von Mercedes, VW, BMW, Iveco und MAN. 300 Kfz-Beschäftigte sind am Montag in den Warnstreik getreten und demonstrieren gemeinsam in der Podbielskistraße in Hannover für ihre Forderungen: 4 Prozent mehr Geld und eine überproportionale Vergütung für die Auszubildenden.
In den Tarifverhandlungen haben die Arbeitgeber bislang nichts angeboten – im wahrsten Sinne des Wortes: Nullkommanull. Gar keine Lohnerhöhung. Wegen der Einbrüche durch Corona.
Tatsächlich haben die meisten Kfz-Beschäftigten trotz Corona bis auf wenige Kurzarbeitsphasen voll gearbeitet, in der Werkstatt mit Maske und Abstand, im Verkauf im Homeoffice. Dazu kommt die Transformation durch die Elektroautos
„Ihr sollt Diesel, Hybrid und vollelektrisch können. Dafür habt Ihr auch eine Anerkennung verdient“, erklärt Dirk Schulze, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hannover, in seiner Demo-Rede. „Fragt Eure Arbeitgeber, ob die das ernst meinen, mit dem Angebot von Nichts.“
Die Kfz-Beschäftigten sind sauer. „Die Arbeitgeber wollen nicht mal verhandeln“, schimpft einer. „Was bleibt uns anderes als zu streiken und zu demonstrieren.“
„Die 4 Prozent haben wir verdient“, erklärt eine Beschäftigte, die im Kundenbereich bei MAN arbeitet. „Durch Corona hatten wir doppelte Belastungen, mussten mit Masken und Abstand arbeiten, mit erhöhtem Gesundheitsrisiko“.
Tatsächlich ging nicht nur in den Werkstätten sondern auch im Verkauf das Geschäft weiter – im Homeoffice und am Telefon, erklärt BMW-Betriebsrätin Julia Wildhagen, die als „Genius“ Kunden berät. „Auch im Verkauf haben wir trotz Corona unseren Job gemacht, Kunden am Telefon beraten, Probefahrten unter Corona-Bedingungen vereinbart – und gar nicht mal schlecht verkauft.“
Die Zahlen sind gut. Im Mercedes-Autohaus in der Podbielskistraße haben sie 2020 sogar das Ergebnis von 2018 und 2019 erreicht. „Die Werkstatt lief die ganze Zeit volle Kanne - und auch der Gebrauchtwagenverkauf brummt“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Torsten Essig. „Und dass wir etwas weniger Neuwagen verkaufen, liegt weniger an Corona. Sondern zum einen daran, dass die Autohersteller Lieferengpässe bei den Chips haben - aber auch daran, dass sie die Auslieferung von Verbrennern nach hinten schieben, um die EU-Klimavorgaben zu erfüllen.“
Sie bringen trotz Corona doppelten Einsatz. Und Sie können nichts dafür, wenn es im Neuwagenverkauf stockt. Umso mehr ärgert sich Essig, auch Mitglied der Verhandlungskommission der IG Metall ist, über das Verhalten der Arbeitgeber in der Tarifverhandlung. „Wir haben heute kein Angebot für sie, haben sie uns gesagt.“ Nichts.
Was Mercedes-Betriebsrat Essig noch ärgert: „Die Arbeitgeber sagen uns, dass die Digitalisierung und die Elektromobilität Arbeitsplätze kostet. Aber sie tun nichts.“
Modelle zum Tausch von Geld gegen Zeit, die ähnlich wie in der Metallindustrie oder in der Stahlindustrie Arbeitszeit verkürzen und so Arbeitsplätze sichern könnten, lehnen die Arbeitgeber ab, berichtet auch Markus Wente, Verhandlungsführer der IG Metall.
Und auch in Sachen Aus- und Weiterbildung tun sie zu wenig, kritisiert Torsten Essig. Sein Arbeitgeber hat sich sogar lange geweigert, Kfz-Mechatroniker in Hochvolttechnik auszubilden. „Das schreckt viele ab“, hieß es. Sie wollen doch für den Fachkräftenachwuchs attraktiv bleiben.
Dem Nachwuchs mehr Geld bieten wollen die Arbeitgeber jedoch nicht.
Bei der Demo sind auch viele Auszubildende dabei. Dass die IG Metall ein Extraplus für sie fordert, finden sie richtig. „Bis auf eine Blockpause von sechs Wochen waren wir immer da und haben den Laden am Laufen gehalten, als die Gesellen in Kurzarbeit waren“, erklärt Subhan Haidari, der eine Ausbildung als Fachkraft für Logerlogistik im Mercedes-Autohaus macht. Heute trägt er eine IG Metall-Fahne und eine Ordner-Binde.
Bei der Demo laufen auch junge Metallerinnen und Metaller von VW Nutzfahrzeuge in Hannover mit – „aus Solidarität“, erklären sie. Auf ihrem Transparent steht, angelehnt an ein populäres „Meme“ des US-Demokraten Bernie Sanders: „I’m once again asking for 4 Prozent“.
Zur nächsten Tarifverhandlung nächste Woche Montag in Hannover erwartet die IG Metall, dass die Arbeitgeber endlich ein Angebot auf den Tisch legen.
Auch in den anderen Tarifgebieten gab oder gibt es Warnstreiks und Demonstrationen – unter anderem in Bayern, Berlin und an der Küste. In Baden-Württemberg laufen bereits seit Mai Aktionen, da dort die Arbeitgeber viele Tarifstandards verschlechtern wollen: eine Nullrunde für 18 Monate, der Samstag als regulärer Arbeitstag und weniger Zuschläge. Aber auch in Niedersachsen gab es bereits Aktionen. Insgesamt haben sich bislang fast 5000 Beschäftigte beteiligt. Im Laufe der Woche sind bundesweit zahlreiche weitere Warnstreiks geplant.