8. September 2021
Tarifrunde Holz und Kunststoff 2021
Tarifverhandlungen Holz und Kunststoff: Warnstreiks starten
Sechs Nullmonate bis Februar 2022. Dann 1,2 Prozent mehr. Dieses „Angebot“ machten die Arbeitgeber der Holz- und Kunststoffindustrie nun auch in Baden-Württemberg. Zu Altersteilzeit und Belastungen bieten sie gar nichts. Die IG Metall fordert 4,5 Prozent mehr Geld - und startet in die Warnstreiks.

So hätten es die Arbeitgeber gern: Erst mal sechs Null-Monate ohne Lohnerhöhung. Im März 2022 soll es 1,2 Prozent mehr Geld geben, ab März 2023 dann für ein weiteres Jahr um 1,3 Prozent. Das bedeutet: Reallohnverlust.

Das bieten die Arbeitgeber der IG Metall in den Tarifverhandlungen für die Holz- und Kunststoffindustrie an. Außerdem bieten sie gar nichts zur Erhöhung des tariflichen Demografiefonds – derzeit 300 Euro je Beschäftigten im Jahr, aus dem auch die Altersteilzeit finanziert wird.

Mit diesem „Angebot“ überraschten die Arbeitgeber der Holz- und Kunststoffindustrie bereits in der ersten Tarifverhandlung 2021 letzte Woche Dienstag in Westfalen-Lippe, am Freitag dann auch in Niedersachsen und Bremen. An diesem Mittwoch haben sie ihr Angebot in Baden-Württemberg noch einmal wiederholt.

„Was die Arbeitgeber heute angeboten haben, ist mehr als unzureichend und eine Beleidigung für die Leistung der Beschäftigten“, kritisiert Yvonne Moeller, Verhandlungsführerin der IG Metall in Baden-Württemberg. „Die wirtschaftliche Situation ist in vielen Teilbranchen, wie etwa Caravanherstellern, äußerst positiv und die Beschäftigten verlangen zu Recht eine ordentliche Erhöhung ihrer Einkommen.“


IG Metall fordert 4,5 Prozent mehr Geld

Die IG Metall fordert 4,5 Prozent mehr Geld, mit einem Extraplus für Auszubildende. Die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie brummt, die Auftragsbücher sind voll, die Beschäftigten leisten Überstunden.

Und die Arbeit ist oft hart. Viele Beschäftigte sind bereits älter und können nicht mehr. Wegen der im Vergleich zur Metallindustrie niedrigeren Löhne mangelt es der Branche an Fachkräftenachwuchs.
 

Mehr Geld für Gesundheit und Altersteilzeit

Daher will die IG Metall auch Regelungen für mehr Gesundheit und einen früheren Altersausstieg. In Baden-Württemberg fordert die IG Metall einen Belastungsausgleich.

Vor allem sollen die Arbeitgeber ihre Zahlungen in den tariflichen Demografiefonds erhöhen, von derzeit 300 Euro auf 750 Euro je Beschäftigten im Jahr.  Aus dem Demografiefonds wird insbesondere die Altersteilzeit bezahlt.

Doch das lehnen die Arbeitgeber rundweg – mehr noch: Sie wollen am liebsten auch die bislang geltenden 300 Euro nicht mehr zahlen.


  • Fabiola Richter, Betriebsratsvorsitzende der Heinrich-Meyer-Werke in Bispingen

    „Unser Betrieb läuft super. Wir hatten keinerlei Einbußen durch die Pandemie und auch keine Kurzarbeit. Viele Beschäftigte sagen, dass wir eigentlich mehr als 4,5 Prozent fordern müssten. Wir haben zunehmend Probleme Personal zu finden. Unsere Löhne und Gehälter sind vielen Fachkräften zu wenig, für das, was sie dafür leisten müssen.“

  • Peter Engel, Betriebsratsvorsitzender von Pronorm Küchen in Vlotho

    „Unsere Auftragsbücher sind voll, wir haben lange Lieferzeiten – und es gehen weiterhin Aufträge ein. Deshalb erwarten wir auch ein gutes Tarifergebnis in der Holz- und Kunststoffindustrie: Daumen hoch für eine satte Lohnerhöhung – und für eine ordentliche Aufstockung des tariflichen Demografiefonds. Wir haben viele ältere Beschäftigte – aber aktuell kaum welche in Altersteilzeit. Das würden noch mehr machen, wenn sie es sich finanziell erlauben könnten.“

  • Janusz Eichendorff, Betriebsratsvorsitzender von Hymer

    „Die Situation war noch nie so gut wie jetzt. Seit Jahren geht es schon aufwärts. Die Coronapandemie hat die Nachfrage nach unseren Reisemobilen und Caravans noch weiter explodieren lassen. Seit Monaten arbeiten wir zusätzliche Stunden, rund um die Uhr. Dafür haben wir einen Ausgleich verdient. Mehr Geld – aber auch Angebote zur Entlastung.“

  • Stefan Gieringer, Betriebsratsvorsitzender von Ruf-Betten in Rastatt

    „Wir haben so viele Bestellungen, dass die Geschäftsleitung zu den bereits geplanten 38 Stunden in der Woche noch 4,5 Stunden draufpacken will. Dabei ist die Arbeit schon hart bei 35 Stunden, gerade im Akkord. Ein Großteil unserer 150 Beschäftigten ist schon älter. Die schaffen das kaum noch. Auch unsere Angestellten haben eine hohe Arbeitsverdichtung. Uns ist daher besonders die Aufstockung des Demografiefonds wichtig. Der reicht derzeit nur für einen Altersteilzeit-Antrag im Jahr.“


Tarifaktionen in den Betrieben laufen

„Die Arbeitgeber haben ihre Tradition durchbrochen und bereits in der ersten Verhandlung ein Angebot auf unsere Forderung unterbreitet. Dieses ist aus Sicht der IG Metall Tarifkommission jedoch völlig unzureichend und nicht verhandlungsfähig“, kritisiert Markus Wente, Verhandlungsführer der IG Metall für Niedersachsen und Bremen. „Ein dickes Umsatzplus und Mehrarbeit sind in vielen Betrieben an der Tagesordnung. Und die Möbelhäuser verzeichnen seit ihrer Öffnung im Frühjahr wieder steigende Umsätze.“

Bereits seit letzter Woche laufen Aktionen in den Betrieben.

Arbeit ohne Ende – doch viele Beschäftigte in der Holz- und Kunststoffindustrie sind älter und können die oft harte Arbeit nicht bis zur Rente durchhalten. Doch zur Demografie bieten die Arbeitgeber: gar nichts. „Das heißt, sie wollen auch noch die 300 Euro streichen. Der Demografiefonds und die Altersteilzeit sollen ganz weg“, ärgert sich Tim Leese, Betriebsratsvorsizender von Rotpunkt Küchen in Bünde und Mitglied der Verhandlungskommission der IG Metall für Westfalen-Lippe. „Bei uns im Betrieb haben wir einige Beschäftigte, die 60 Jahre oder älter sind, die einfach nicht mehr können und auf Altersteilzeit hoffen. Schon jetzt können wir uns bei 330 Beschäftigten gerade mal einen Altersteilzeitvertrag im Jahr leisten. Doch statt den Demografiefonds zu erhöhen, wollen uns die Arbeitgeber jetzt alles wegnehmen.“
 

IG Metall startet Warnstreiks

Die IG Metall wird nun mit den Druck erhöhen. Bereits heute demonstrierten rund 100 Warnstreikende vor dem Verhandlungslokal.

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(Foto: IG Metall)

 

„Die Arbeitgeber legten ein Angebot vor, dass einen Reallohnverlust zur Folge hätte. In der Branche sind die Auftragsbücher voll - wir wollen an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben“, erklärt die IG Metall Baden-Württemberg. „Wir müssen jetzt Druck erzeugen, um die Arbeitgeberseite zu einem besseren Angebot zu überzeugen. Um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, müssen wir in Warnstreiks Stärke demonstrieren.“

In Baden-Württemberg wird die IG Metall nun zu Warnstreiks aufrufen. Auch in den anderen Tarifgebieten laufen Warnstreikplanungen.


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