Mehr Geld oder mehr Zeit? 260 000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie wollen in diesem Jahr lieber acht zusätzliche freie Tage statt mehr Geld in Anspruch nehmen. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Befragung der IG Metall unter Betriebsräten aus über 2600 Unternehmen.
Die Wahlmöglichkeit Zeit statt Geld eröffnet der Metall-Tarifabschluss vom Februar 2018: Beschäftigte, die Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder langjährig in Schicht arbeiten, können einen Teil des neuen, jährlich ausgezahlten tariflichen Zusatzgeldes in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts in zusätzliche acht freie Tage umwandeln.
„Wir freuen uns, dass die neue tarifliche Regelung von den Beschäftigten so gut angenommen wird“, erklärt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. „Ganz offensichtlich entsprechen die neuen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit den konkreten Bedürfnissen der Beschäftigten. Wir haben damit den Nerv der Zeit getroffen.“
Aus den Rückmeldungen von 2600 befragten Unternehmen sind bisher folgende Trends erkennbar: 55 000 Antragssteller wollen die neue Regelung nutzen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Auch 17 000 Beschäftigte, die Angehörige pflegen, suchen mithilfe der acht zusätzlichen freien Tage Entlastung.
Die meisten Anträge auf Umwandlung von Geld in Zeit wurden von 170 000 Schichtarbeitern gestellt. „Das hohe Interesse der Schichtarbeiter an zusätzlichen freien Tagen wundert uns nicht. Gerade in den Bereichen mit starren Schichtsystemen sind die Belastungen durch Mehrarbeit und Sonderschichten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen dringend mehr zeitliche Freiräume – auch zum Erhalt ihrer Gesundheit“, betonte Hofmann.
Neben den acht Tagen hat die IG Metall in den Tarifverträgen zudem für alle Beschäftigten den Anspruch festgeschrieben, ihre wöchentliche Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden reduzieren zu können. Von dieser „kurzen Vollzeit“ wollen nach den bisherigen Umfrageergebnissen im nächsten Jahr rund 8000 Beschäftigte Gebrauch machen.
Laut Tarifvertrag sind Arbeitgeber verpflichtet, gemeinsam mit den Betriebsräten Lösungen für eine praktikable Umsetzung zu finden. Hofmann wies darauf hin, dass es zahlreiche Möglichkeiten für die Unternehmen gebe, die ausfallende Arbeitszeit auszugleichen – zum Beispiel durch die Nutzung von Arbeitszeitkonten, Qualifizierung und Förderung der Beschäftigten. Dies setze eine vorausschauende Personalpolitik voraus, betonte Hofmann. „Wer ein attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte sein will, der muss Arbeitszeiten bieten, die zum Leben passen – so, wie wir es im Tarifvertag vereinbart haben.“
Flexibilität dürfe jetzt keine Einbahnstraße mehr sein, bekräftigte Hofmann. „Wenn Aufträge reinkommen, dann sind die Betriebe beliebig flexibel. Das muss auch gelten, wenn die Beschäftigten nach mehr freier Zeit fragen.“ An die Arbeitgeber appellierte er, sich gut zu überlegen, wie sie mit den Bedürfnissen der Beschäftigten umgehen wollen. „Wer heute Anträge der Beschäftigten auf mehr freie Zeit ablehnt, darf nicht damit rechnen, dass die Kolleginnen und Kollegen morgen zur Sonderschicht erscheinen.“