26. Juni 2023
Angleichung Ost an West
35-Stunden-Woche in immer mehr Ost-Betrieben
35 Jahre nach dem Mauerfall wird der Osten immer noch benachteiligt: weniger Geld - und längere Arbeitszeit. In der ostdeutschen Metallindustrie galten bisher 38 statt der 35 Stunden im Westen. Doch die Angleichung Ost läuft: In immer mehr Betrieben setzt die IG Metall die 35-Stunden-Woche durch.

Bislang waren sie gespalten in West und Ost, 35 Jahre nach dem Mauerfall, mit zwei verschiedenen Arbeitszeiten: 35 Stunden für die eine Seite der Beschäftigten des Gabelstaplerbauers STILL Sales und Services der Hauptniederlassung Berlin / Leipzig – nämlich für die Berliner. Und 38 Stunden für die andere – die Leipziger Beschäftigten.

Doch das ändert sich: In drei Schritten wird die Wochenarbeitszeit bei STILL in Leipzig von Januar 2025 bis Januar 2029 auf 35 Stunden in der Woche abgesenkt. Damit gelten für die rund 140 Kolleginnen und Kollegen in zwei STILL-Betrieben in Leipzig dann die gleichen Arbeitsbedingungen wie im Westen - nach dem Tarif der Metall- und Elektroindustrie im Tarifgebiet Hamburg.
 

„Die Ost-West Spaltung endlich beenden“

„Es war ein langer Weg, aber wir haben es gemeinsam geschafft“, meint René Bühring, Betriebsratsvorsitzender bei der STILL Hauptniederlassung Berlin/ Leipzig. „Endlich können wir die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in unseren Niederlassungen in einem festgelegten Zeitraum vereinheitlichen und die Ost-West-Spaltung in unserem Betrieb beenden.“

Das hat die IG Metall in Tarifverhandlungen durchgesetzt. Die betroffenen Beschäftigten verzichten für die Arbeitszeitverkürzung bis 2030 auf das Transformationsgeld von 18,4 Prozent eines Monatsentgelts im Jahr. Ab 1. Januar 2029 gilt die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Dieses Verhandlungsergebnis wurde von den Metallerinnen und Metallern in einer Mitgliederversammlung ohne Gegenstimmen angenommen.

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Beschäftigte der STILL-Hauptniederlassung Berlin-Leipzig demonstrierten für die 35-Stunden-Woche
 

In immer mehr Ost-Metallbetrieben setzt die IG Metall die 35-Stunden-Woche durch. Bei BMW und Porsche in Leipzig, Mercedes in Ludwigsfelde, Volkswagen in Zwickau, Carl Zeiss Jena, Rolls Royce in Magdeburg, Thyssenkrupp Presta Schönebeck, Siemens Energy und Siemens Healthineers, bei Mahle, Airbus Defence und Dutzenden weiteren Betrieben geht es schrittweise runter auf 35 Stunden. Auch kleinere Betriebe ziehen nach, weil sie wegen der Konkurrenz um Fachkräfte müssen. In den letzten Monaten kamen neben STILL in Leipzig auch die Elbe Flugzeugwerke in Dresden, Kaeser Kompressoren in Gera und der Messsystemhersteller Numerik in Jena frisch dazu.
 

Einstieg in die 35 mit Warnstreiks erkämpft

Es war ein langer Kampf: Anders als in der ostdeutschen Stahlindustrie, wo bereits seit 2009 die 35-Stunden-Woche gilt, haben die Arbeitgeber der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie jahrelang gemauert. 2018 gelang der IG Metall beim Verbindungstechnikhersteller EJOT in Tambach-Dietharz/Thüringen der erste Haustarifvertrag zur Einführung der 35. Nach wochenlangen Warnstreiks setzte die IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen 2021 Rahmentarifverträge zur Einführung der 35-Stunden-Woche in den Betrieben durch, was ihr einige Monate später auch in den Tarifgebieten Thüringen und bald darauf auch in Sachsen-Anhalt gelang.
 

85 Prozent der IG Metall-Mitglieder auf dem Weg zur 35

Im Berlin, Brandenburg und Sachsen hat die IG Metall bereits für mehr als 85 Prozent der IG Metall-Mitglieder in den tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie eine Lösung hin zur 35-Stunden-Woche erreicht. "Unser Ziel sind 100 Prozent und dafür braucht es gut organisierte Belegschaften mit starken Betriebsräten“, erklärt Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. „Dann können wir diese jahrzehntelange Ungerechtigkeit überwinden.“

Dabei geht es auch um Gerechtigkeit beim Geld. Die Ungerechtigkeit beim Monatsentgelt hat die IG Metall schon länger überwunden: Bei STILL wurden bereits 2005 die Monatsentgelte an die Tariftabelle für das Tarifgebiet Hamburg angeglichen. Auch in den Flächentarifverträgen sind die Monatsentgelte im Osten schon seit vielen Jahren auf dem Niveau von West-Flächentarifverträgen wie Hessen oder Rheinland-Pfalz. Aber bei längerer Arbeitszeit – die 38-Stunden-Woche bedeutet einen Monat mehr arbeiten im Jahr – ist das Stundenentgelt niedriger.

Die Angleichung Ost an West geht weiter: In mehr als einem Dutzend Betrieben verhandelt die IG Metall gerade über die Verkürzung der Arbeitszeit und die Einführung der 35-Stunden-Woche.

Artikel über STILL bei der IG Metall Leipzig

 


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