Ich bin Betriebsratsvorsitzender bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach – und Mitglied der Tarifkommission (kurz: Tako). der IG Metall für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Die Delegierten meiner IG Metall vor Ort in Stuttgart haben mich gewählt. Ich bin 41 Jahre alt, Industriemechaniker und Vater zweier kleiner Kinder. Hier schreibe ich, wie ich die Metall-Tarifrunde erlebt habe.
Der Vorhang fällt. Nun ist es amtlich. Der Abschluss steht. Noch immer gibt es Gespräche auf dem Hof über die tollen Aktionen und den großen Spaß, den wir hatten. Die letzten Fahnen werden in den Keller gebracht. Mit Post-it’s hatten wir 6 Prozent an das Fenster des Betriebsratsbüros geklebt. Jetzt steht da 4,3 Prozent.
Der Alltag hat mich wieder. Viel Zeit zum Luftholen war nicht. Es ist eine Menge liegengeblieben. Nun heißt es: volle Fokussierung auf die Betriebsratswahl.
Da bleibt mir nur noch „Danke“ zu sagen. Danke an alle Unterstützer, Helfer, Streikposten, Metaller, Verhandler, Experten und wen es da sonst noch gab. Der Aufwand hat sich gelohnt.
Genießt die 28-Stunden-Woche oder die zusätzlichen freien Tage oder die Lohnerhöhung. Allein im Januar sind bei uns 50 neue Kolleginnen und Kollegen in die IG Metall eingetreten.
Und Danke an Euch fleißige Leser meines Blogs. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht ob das überhaupt jemand gelesen hat ;-). Ich hoffe ich konnte euch etwas näher bringen, was wir denn so alles in der Tarifrunde machen.
Mein Frau sagte zu mir: „Das hat sich ja gelohnt, dass Du so viel weg warst!“. Sie hat mal wieder recht.
Unser ganztägiger Warnstreik hat Wirkung gezeigt. Gut so. Am Montag gingen die Verhandlungen weiter. Ab 14 Uhr trafen wir uns in der Hintergrundkommission (Teil der gewählten Tarifkommission) in der Liederhalle. Warten, warten, warten.
Dann kommt unser Verhandlungsteam. Es scheint, dass es heute noch ein Ergebnis gibt. Beim Thema Arbeitszeit ist man so gut wie durch. Jetzt geht es noch um das Geld. Die Arbeitgeber haben endlich verstanden, dass in der ersten Stufe eine „4“ vor dem Komma stehen muss. Der Streit um die Nachkommastelle beginnt. Er wird fünf Stunden dauern.
Die Verhandlungen gehen weiter. Das Warten geht weiter. Der ganze Raum ist aufgeladen voller Spannung, ob wir den Durchbruch wirklich erreichen – oder ob nicht doch noch die Verhandlungen kippen.
Viele müde Gesichter in der Hintergrundkommission. Die haben alle einen ganztägigen Warnstreik hinter sich.
Montag, 23 Uhr:
Roman (Zitzelsberger, IG Metall-Verhandlungsführer und Bezirksleiter Baden-Württemberg) kommt. Er hat seine Jacke dabei. Es scheint, dass er nicht mehr zurückgeht. Abschluss?
Mucksmäuschenstill.
„Wir haben einen Abschluss“.
Für den Abschluss gibt es eine 64-seitige Präsentation. Uiiii. Er stellt die wesentlichen Eckpunkte vor und es folgen ein paar Fragen.
Roman sagt: Einfach geht anders. Und er hat Recht. Aber es war auch nicht der Auftrag, einen einfachen Abschluss zu machen. Der Auftrag war eine gute Lohnerhöhung herauszuholen, einen Rechtsanspruch auf die verkürzte Vollzeit und einen Ausgleich bei Pflege, Kinderbetreuung und Schicht zu erzielen. Alle drei Ziele wurden erreicht. Wir sind weit gekommen.
Um 0.30 Uhr liege ich endlich im Bett. Um 5 Uhr ist das erste Kind wach. Im ersten Moment weiß ich nicht wo ich bin ;-).
Dienstag, 7 Uhr:
Im Betriebsratsbüro bereiten wir die Vertrauensleutesitzung (Vertrauensleute der IG Metall) vor, die um 9 Uhr stattfindet. Dort gibt es viele Fragen. Wir holen ein erstes Feedback ein (siehe Foto).
In der Kantine sprechen mich einige Leute an und loben uns für den Abschluss. Kritikpunkte sind die Laufzeit und die Einmalzahlung von 100 Euro. Aber mit dem gesamten Paket sind die meisten sehr zufrieden.
In den nächsten Tagen werden wir viele Abteilungsversammlungen durchführen, um uns ein Meinungsbild von den Kolleginnen und Kollegen abzuholen und den ein oder anderen für die IG Metall zu gewinnen. Allein im Januar sind knapp 50 in die IG Metall eingetreten.
Die Stimmung ist so gut. Jeder hat das Gefühl, seinen Teil dazu beigetragen zu haben uns ist stolz darauf. Danke an alle, die das möglich gemacht haben. Ja wir hatten Spaß an der Tarifrunde. Klingt komisch, ist aber so!
Vom Abbruch der fünften Verhandlungsrunde bis zu unserem ganztägigen Warnstreik Warnstreik bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach hatten wir nur vier Tage Zeit, um alles für diesen Tag vorzubereiten. Gestern, am 1. Februar 2018, war es dann endlich soweit.
Zur Vorbereitung auf den Tag wurden unzählige Runden in den Büros und Werkstätten gedreht, um die vielen Fragen vor Ort zu beantworten. Es ist für uns alle das ersten Mal, dass wir so einen ganztägigen Warnstreik machen. Die Stimmung ist hervorragend.
Mittwoch, 13.15 Uhr:
Vor den Toren verteilen wir Flugblätter für die Spätschicht. Unseren Warnstreik haben wir wegen der Nachtschicht um zwei Stunden vorgezogen. Die Spät- und Nachtschicht trifft sich um 22 Uhr vor dem Tor. Wir laufen noch einmal durch alle Werkstätten. Alle wollen mitkommen.
Mittwoch, 19 Uhr:
Wir gehen noch kurz in „Klein-Istanbul“ was essen bevor es los geht.
Danach treffen wir die letzten Vorbereitungen: Zelte für die Warnstreikposten werden aufgestellt. Das Material an die richtigen Stellen gebracht und der Ablauf noch einmal durchgegangen.
Vor Tor 1 haben wir ein großes Bierzelt aufbauen lassen. Im Werk Rutesheim 20 Kilometer weiter steht ebenfalls ein beheiztes Zelt.
Mittwoch, 21.30 Uhr:
Die ersten Kollegen von der Nachtschicht kommen. Sie gehen gar nicht erst arbeiten. Dann kommt auch die Spätschicht. Das Zelt ist brechend voll. Viele müssen sogar stehen bleiben. Auch einige Kollegen aus dem Bürobereich sind von zu Hause gekommen, um den Auftakt mitzuerleben.
Roman (Zitzelsberger, IG Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer) hat es sich nicht nehmen lassen, obwohl er gesundheitlich angeschlagen ist, bei uns vorbei zu kommen. Er redet als Erster. Die Stimmung ist fast schon euphorisch. Wir haben als Gäste sogar Delegationen aus Frankreich, Spanien und Tschechien bei uns, die morgen an einer Sitzung des Europacommittees teilnehmen. Danach darf ich noch eine Rede halten. Ich bin sprachlos. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl zu spüren was echte Solidarität ist und zu was wir in der Lage sind. Mit einer Liveschaltung zu unseren Brüdern und Schwestern nach Rutesheim werden die Reden übertragen und wir bekommen die Stimmung von dort mit.
Danach geht es weiter mit unserem DJ, bei guter Stimmung und guten Gesprächen.
Die Fertigung in Feuerbach und Rutesheim steht.
Donnerstag, 2 Uhr:
Die Letzten verlassen das Zelt. Zu dritt haben wir entschieden, die Nachtwache zu machen. Mein Streikbett sind zwei Biertische, eine Isomatte und ein Schlafsack. Ein Streikbier gibt es noch zum Abschluss. Bei voller Beleuchtung dösen wir ein.
Donnerstag, 5 Uhr:
Ausgeschlafen fühlt sich anders an. Es kommen schon die ersten von der Frühschicht. Wir treffen die letzten Vorbereitungen. Heute brauche ich zwei Kaffee um anzukommen ;-).
Donnerstag, 6.15 Uhr:
Alle Kollegen aus der Frühschicht sind da. Das Zelt ist wieder brechend voll. Wir informieren alle über den Stand der Verhandlungen. Danach werden die Streikkarten verteilt. Viele bleiben noch da und frühstücken bei uns.
Donnerstag, 7 Uhr:
Ich fahre kurz nach Hause. Nehme erstmal eine Kopfschmerztablette. Danach bringe ich meinen Sohn in die Kita. Von dort fahre ich zum Warnstreik nach Rutesheim und besuche die Kollegen vor Ort. Auch dort ist die Stimmung super.
Donnerstag, 8.30 Uhr:
Ich bin wieder in Feuerbach. Um 9 Uhr haben wir die dritte Kundgebung, insbesondere für die Bürobereiche. Wieder ist das Zelt brechend voll. Der Wahnsinn. Uwe Meinhardt, ebenfalls im Verhandlungsteam, berichtet von den Tarifverhandlungen. Das Zelt kocht. Auch ich darf wieder eine Rede halten. Es ist wirklich unbeschreiblich. So geil!!!
Die Büros und die Werkstätten sind wie leergefegt. Bosch Feuerbach steht für 24 Stunden.
Danke an alle, die diesen besonderen Tag möglich gemacht haben und Danke an alle für die Solidarität.
Donnerstag, 11 Uhr:
Ich stehe vor der Kita und hole meinen Sohn wieder ab. Er ist müde. Das Gefühl kenne ich. Wir legen uns beide erst einmal ein Stündchen hin.
Freitag, 4 Uhr morgens – noch 14 Stunden bis zur Verhandlung:
Mein einjähriger Sohn wird wach und weint. Und weint, und weint. Eigentlich war der Plan bis 6 Uhr zu schlafen, da die Verhandlungen heute Abend weitergehen. Meine Frau steht mit ihm auf und versucht ihn zu beruhigen. Ohne Erfolg. Ich kann nicht mehr schlafen. Bin zu aufgeregt. Ich stehe auf und brauche einen Kaffee, um anzukommen. So habe ich wenigstens noch eine Stunde mit meiner Frau. Um halb sechs mache ich mich auf ins Büro.
Im Betriebsratsbüro abgekommen, bereite ich den Tag vor. Ich brauche noch einen Kaffee ;-).
Freitag, 9.30 Uhr:
Wir machen eine Sitzung mit den IG Metall-Vertrauensleuten, um alle auf den aktuellen Stand zu bringen. Gleichzeitig findet in Stuttgart unsere Klausur mit der Vertrauenskörperleitung (VKL) statt, um die weiteren Schritte zu planen. Die Vertrauensleute haben viele Fragen und wünschen viel Erfolg bei den Verhandlungen.
Freitag, 12 Uhr:
Die VKL-Klausur wird beendet. Wir gehen kurz eine Currywurst essen. Endlich Nahrungsaufnahme. Danach sitzen wir bis 17 Uhr mit der Streikleitung zusammen und planen schon mal für den Plan B – Ganztägiger Warnstreik und Urabstimmung. Nur für alle Fälle. Aber wir glauben alle an den Abschluss in der Nacht.
Freitag, 18 Uhr:
Ich schaffe es noch kurz zu Hause vorbeizuschauen. Mein Sohn schläft auf der Couch. Ich bringe ihn ins Bett und lege mich zu ihm. Eine halbe Stunde Schlaf tut ganz gut.
Freitag, 20 Uhr:
Die Hintergrundkommission trifft sich im Schillersaal in der Stuttgarter Liederhalle. Seit 18 Uhr wird bereits verhandelt. Ich brauche eine Cola.
Der Job der Hintergrundkommission besteht darin, sich alle paar Stunden mit der Verhandlungskommission abzugleichen und zu beraten. Das Warten zwischendrin und die Anspannung ob wir heute Nacht den Abschluss schaffen, hält einen wach. Immer wenn die Verhandlungskommission kommt, beginnt hektisches Treiben. „Sie kommen“. Jeder ist hellwach, Totenstille im Saal, alle schreiben mit. Dann kurze Beratung und unsere Helden ziehen wieder in den Kampf. Wir beraten uns und diskutieren den Verhandlungsstand.
Es scheint, dass es vorangeht. Unsere Verhandlungskommission gibt alles, um eine Lösung zu finden. Den Arbeitgebern werden immer wieder Lösungsvorschläge angeboten und Brücken gebaut.
Samstag, 0 Uhr:
Die Verhandlungen gehen in Trippelschritten voran. Das Arbeitszeitmodell wird hoch und runter verhandelt. Immer wieder verhaken sich die Gespräche.
Samstag, 2.30 Uhr:
Kompromiss bei den Anspruchsberechtigten für einen Aufschlag in Form freier Tage in Sichtweite. Die Arbeitgeber lehnen aber kategorisch den Anspruch für Zwei-Schichter ab. Nur die Drei-Schichter sollen Anspruch haben. Wir beraten. Geht gar nicht. Alle Schichter müssen den Anspruch haben.
Samstag, 4 Uhr:
Bisher wurde noch nicht übers Geld gesprochen. Das will man jetzt versuchen, um doch noch den Durchbruch zu schaffen.
Samstag, 6.20 Uhr:
Roman (Zitzelsberger, IG Metall-Verhandlungsführer und Bezirksleiter Baden-Württemberg) stellt das Angebot der Arbeitgeber beim Geld vor. Ärger macht sich breit. 3 Prozent für das erste Jahr – und das bei den Gewinnen. Die Arbeitgeber wollen keinen Abschluss. Wir fühlen uns provoziert. Nach kurzer Diskussion steht unsere Position fest: Entweder die Arbeitgeber machen einen großen Schritt auf uns zu – oder die Verhandlungen sind beendet.
Samstag, 8 Uhr:
Wir haben an dem Tag noch eine Delegiertenversammlung der IG Metall Stuttgart. Wir springen kurz in die IG Metall-Geschäftsstelle und berichten den Stand. Danach wieder zurück.
Samstag, 10 Uhr:
Die Große Tarifkommission trifft sich. Die Verhandlungen laufen immer noch. Warten, warten, warten.
Samstag, 11.30 Uhr:
Die Verhandlungsgruppe kommt zurück. Das Adrenalin schießt durch den Körper. Es gibt kein Ergebnis. Wow. Die Arbeitgeber haben den Schuss nicht gehört. Hochmut kommt vor dem Fall. Mit rechnerischen Kniffen versucht die Gegenseite, das Ergebnis klein zu halten.
Unsere Verhandlungskommission hat sich nicht kleinkriegen lassen. So nicht mit uns. Ich bin stinksauer über das Verhalten der Arbeitgeber. Jetzt reicht’s. Wir haben so viele Brücken gebaut. Es fanden unzählige Stunden Verhandlungen und Expertengespräche statt. Und immer wieder das Signal, dass sie das mit der Arbeitszeit alles nicht so wollen. Und dann noch ein Entgeltangebot, das eine Frechheit ist.
Die Große Tarifkommission empfiehlt die nächste Stufe zu zünden. Alle stehen auf und klatschen. Minutenlang. Jetzt ist es soweit.
Jetzt können wir zeigen, was wir als Metaller wirklich auf dem Kasten haben. Jetzt sind wir alle gefordert und es gibt nur noch eine Richtung: Vorwärts! Auf Sieg spielen! Seid mutig.
Ich danke der Verhandlungsgruppe für den unermüdlichen Einsatz für uns, mit dem Ziel die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Sie haben mit Herz und Leidenschaft für Millionen von Menschen gekämpft und die richtige Konsequenz gezogen. Ich bin Metaller und stolz darauf. Los geht’s!
Samstag, 13 Uhr:
Ich bin wieder zu Hause bei meiner Familie und todmüde. Meine Kinder freuen sich und wollen mit mir spielen. Ein doppelter Espresso und eine Dusche bringen mich wieder auf die Beine.
Samstag, 19.32 Uhr:
Die Kinder sind ins Bett gebracht und ich schreibe noch meinen Blog. Was für ein Tag. Was für eine Achterbahnfahrt der Emotionen und Gefühle. Ich bin gespannt was kommt. Morgen, am Sonntag, treffen wir uns von der Streikleitung und bereiten alles vor. Am Donnerstag findet der ganztägige Warnstreik bei uns statt.
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
„Die spinnen die Römer“, würde vermutlich Asterix sagen.
Anscheinend ist das Thema Arbeitszeit doch viel politischer als angenommen. Es geht um die Machtfrage, wer über die Arbeitszeit entscheidet. Habe ich als Beschäftigter auch Ansprüche – oder bestimmt ganz allein der Markt und der Kunde, wann und wie lange jemand zu arbeiten hat? Das Privatleben soll nach den Vorstellungen der Arbeitgeber erst an zweiter Stelle kommen. Unser Bild von einem modernen Wirtschaftssystem ist jedoch nicht „entweder-oder“ sondern „sowohl-als-auch“. In unserer heutigen Zeit muss beides möglich sein: den Job machen und eine Zeitlang private Verantwortung übernehmen. Das scheint den Arbeitgebern zu weit zu gehen. Uns nicht.
Wir hatten am Mittwoch einen tollen Aktionstag mit mehreren Betrieben aus Stuttgart-Feuerbach. Insgesamt haben 2.500 Kolleginnen und Kollegen teilgenommen. Besonders gefreut hat uns, dass so viele aus dem Bürobereich teilgenommen haben wie noch nie. Ingenieure, Labormitarbeiter aber auch Kantinenpersonal, Werkschützer, und, und, und. Danke für die tolle Aktion.
Alle bei uns sind bis unter die Haarspitzen motiviert, für einen guten Abschluss zu kämpfen. Die Arbeitgeber haben hervorragende Gewinne erzielt. Die Wirtschaft brummt und die Auftragsbücher sind voll. Und unsere Forderung nach der verkürzten Vollzeit mit einem Ausgleich überfordert keinen Arbeitgeber. Da hilft auch das Jammern nicht. Die Zahlen sprechen für sich. Wir sind bereit den nächsten Schritt zu gehen. Sofort.
Wir stehen kurz vor der letzten und entscheidenden Verhandlung. „High noon“. Nur ohne Colt. Dafür aber auf der einen Seite unsere IG Metall-Mitglieder mit Millionen von Menschen im Rücken und die andere Seite mit Millionen von Euros auf dem Konto. Die Anspannung bei mir, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen ist groß. Welches Ergebnis gibt es bei der Arbeitszeit? Schreiben wir mal wieder Geschichte in einer Tarifrunde?
Am Samstag hatten wir wieder einen Warnstreik in der Produktion. Um 17 Uhr haben wir alle Beschäftigten in der Produktion zu einer kleinen Kundgebung aufgerufen und dann nach Hause geschickt. Die Kollegen haben sich gefreut. Die Samstags-Spätschicht ist nicht beliebt.
Einige unserer Betriebsräte vor der Mobilisierung.
Die Produktion stand über das gesamte Wochenende. Leider konnte ich bei der Aktion nicht dabei sein. Ein Virus hat meinen Sohn und mich niedergestreckt.
Morgen ist die letzte Verhandlung und unser großer Aktionstag. Alle 14.000 Beschäftigte am Standort werden zum Warnstreik aufgerufen. Viele davon arbeiten in Büros. Dort haben wir uns für die Mobilisierung etwas Besonderes einfallen lassen. In über 50 Abteilungen haben wir zum Tariffrühstück eingeladen. Vermutlich werden wir morgen so viele wie noch nie. Solidarität ist geil, wenn sie in Bewegung kommt.
Wenn mein starker Arm es will, stehen alle Räder still!
Was für ein toller Start in die Tarifrunde. Am Donnerstag haben wir die Frühschicht und am Samstag die Früh- und Spätschicht in Feuerbach und in Rutesheim nach Hause geschickt. Die Fertigung stand und Kolleginnen und Kollegen aus dem Bürobereich haben die Produktion solidarisch unterstützt. Bisher haben sich rund 1.500 Kolleginnen und Kollegen beteiligt und die Stimmung ist hervorragend.
Die Kolleginnen und Kollegen sind bis unter die Haarspitzen motiviert.
Auch in der dritten Verhandlung gab es kein neues Angebot von den Arbeitgebern. Es scheint dass sie einen ganz, ganz kleinen Schritt in unsere Richtung gemacht haben. Die Arbeitgeber halten die Forderung nach der kurzen Vollzeit („28-Stunden-Woche“) für eine Kopfgeburt der IG Metall. Sie glauben nicht, dass die Beschäftigten tatsächlich hinter der Forderung stehen. Im Gegenteil: Die Arbeitgeber sind der Meinung, dass die Menschen in den Betrieben nicht kürzer, sondern länger arbeiten wollen. Völliger Quatsch! Die sollen mal unsere Umfrage lesen.
Meiner Tochter erklärt, was Papa mit den roten Fahnen und den Transparenten macht.
Der Entgeltzuschuss wird weiterhin kategorisch abgelehnt. Die Arbeitgeber sind schließlich nicht für die Sozialpolitik zuständig, so ihre Meinung. Hört, hört. Bei der Rente mit 67 habe ich komischerweise nur die Manager reden hören.
Zeigen wir den Arbeitgebern unsere Meinung. Laut. Draußen. Viele. Jetzt erst recht! Mit weichen Knien sollen sie zur nächsten Verhandlung kommen. Wir werden jetzt den Druck im Betrieb erhöhen und sind zu allem bereit.
Endlich ist es soweit. Die Friedenspflicht ist vorbei und die Arbeitgeber haben es mal wieder verpasst, einen Schritt auf die IG Metall zuzumachen. Dann soll es eben so sein. Auch wir bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach starten jetzt mit Warnstreiks. Insgesamt haben wir fünf Aktionen am Standort geplant. Die letzten drei Tage hatten wir viele Vertrauensleutesitzungen und haben alles gut vorbereitet. Die Stimmung ist super und die Leute wollen „Flagge“ zeigen. Vor allem wegen dem Rekordergebnis, das im Unternehmen erzielt wurde.
Für mich sind Tarifrunden immer besondere Momente. Es ist ein tolles Gefühl zu spüren, wie Menschen um einen herum für das gleiche Ziel eintreten und auch bereit sind dafür zu kämpfen. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, was wir erreichen können, wenn wir zusammen halten. Leider passiert das viel zu selten. Oft ist der normale Beschäftigte am Ende der Kette und kann allein nicht viel bewegen. Da können wir stolz auf das sein, was wir als Beschäftigte und Mitglieder der IG Metall in den vergangenen Jahrzehnten an Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreichen konnten. Wenn ich da manchmal im Alltag sehe, wie es in anderen Brachen zugeht, welche Gehälter gezahlt werden und wie mit den Beschäftigten umgesprungen wird. Ein Unding.
Und unsere Arbeitgeber in der Metallbranche treiben es mal wieder auf die Spitze. Jetzt fordern sie auch noch die Ausweitung der sachgrundlosen Befristung. Pfui! Noch mehr prekäre Beschäftigung zu fordern ist unverschämt. Manchmal frage ich mich, ob die Manager auch noch einen Funken Menschlichkeit in sich haben – oder nur noch in Profit und Bonuszahlungen denken. Bei uns bekommt kein einziger befristeter Mitarbeiter die Chance auf einen Festvertrag, aber wir haben ständig welche im Einsatz, damit man sich im Fall der Fälle schnell vom Personal verabschieden kann, ohne Verantwortung dafür übernehmen zu müssen. Das wirtschaftliche Risiko wird auf die Beschäftigten abgewälzt.
Tarifrunden sind Auseinandersetzungen und ein Kräftemessen zwischen Kapital und Arbeit. Es wird den Interessenkonflikt so lange geben, wie es dieses Wirtschaftssystem gibt. Und ganz am Schluss zählen meistens nicht die besseren Argumente, sondern es gewinnt der Stärkere. Dessen muss man sich bewusst sein. Wir sind immer dann stark, wenn wir zusammenhalten. In Tarifrunden schaffen wir das. Und ich bin stolz darauf, einen Teil dazu beitragen zu können. Tarifrunden sorgen für ein Stück mehr Gerechtigkeit, denn eine Welt, in der nur die Arbeitgeber das Sagen haben, wird für uns nicht gut ausgehen.
Unsere Leute waren total begeistert von unserer Aktion zur Tarifverhandlung in Ludwigsburg. Über 5000 haben dort demonstriert, und die Stimmung war regelrecht euphorisch. Eine Kollegin meinte, dass sie seit dem Streik um die 35-Stunden-Woche 1984 nicht mehr so etwas erlebt hat.
Es gab da schöne Szenen. Eine Kindergarten-Gruppe lief an der Demo vorbei und unsere Leute schenkten ihnen IG Metall-Schals. Die Kinder haben sich gefreut, als wäre schon Weihnachten.
Das Angebot der Arbeitgeber zum Entgelt – 2 Prozent mehr – empfinden die Beschäftigten als Witz, angesichts des vielen Geldes, das die Firma verdient. Und allen ist klar, dass es bei der Arbeitszeit auf einen Machtkampf hinausläuft.
Arbeitszeit ist auch bei uns ein sehr emotionales Thema, mehr als das Geld, gerade auch im Bürobereich, obwohl wir da schon sehr viel dazu geregelt haben. Unseren Beschäftigten ist das schon sehr bewusst: Arbeitszeit bestimmt mein Leben, also muss es auch meine Zeit sein und zum Leben passen. Mein Leben – meine Zeit.
Ansonsten waren wir bis letzte Woche mit der Aufstellung unserer Liste für die Betriebsratswahlen beschäftigt. Wir haben eine Persönlichkeitswahl, keine Listenwahl. So können die Beschäftigten tatsächlich ihre Kandidaten persönlich wählen. Da sind wir schon stolz, dass wir das hinbekommen haben. Wir haben 84 Kandidaten für 39 Sitze im Betriebsrat.
Dazu kamen viele betriebsinterne Themen.
Jetzt mache ich erst mal Urlaub, um mich zu erholen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen.
Im Januar konzentrieren wir uns dann voll auf die Tarifrunde. Die Warnstreikplanung haben wir fertig. Nun wird es die Kunst sein, die Stimmung in der Belegschaft nach oben zu ziehen.
Und warum ist es so abwegig, dass die Arbeitgeber einen Entgeltzuschuss zahlen für die Beschäftigten, die kürzen arbeiten müssen, weil es nicht anders geht? Kinder, Pflege, Gesundheit – von wegen „nichts tun“. Das sind doch soziale Aufgaben, von denen alle etwas haben. Die Arbeitgeber wissen, dass sie sich da moralisch ziemlich in die Ecke stellen.
Aber sie haben es ganz direkt und knallhart formuliert: Anspruch auf vorrübergehende Reduzierung der Arbeitszeit, Beschäftigte können selbst bestimmen? Mit uns auf gar keinen Fall!
Das ist etwas anders als beim Geld. Da jammern die Arbeitgeber wie immer ein bisschen herum, obwohl sie Geld wie Heu haben. Bei der Arbeitszeit jedoch sagen sie kategorisch Nein.
Die Stimmung bei den Beschäftigten bei uns im Betrieb ist gut. Wir haben wieder morgens an den Toren Flugblätter verteilt. Zum Diskutieren kamen wir nicht so, aber wenn sich keiner beschwert, dann bedeutet das bei uns erst mal große Zustimmung und „alles Gut“. ;).
Allen ist klar: Das wird eine harte Tarifrunde. Das ist jetzt schon absehbar. Wenn wir im Januar in Warnstreiks gehen, müssen wir alle mitnehmen, weil wir alle brauchen.
Nach dem Beschluss über unsere Forderung zur Metall-Tarifrunde haben wir die Metallnachrichten vor allen Toren verteilt. Meine Schicht war von 6 bis 6.30 Uhr. Ich übernehme beim Flugblätterverteilen immer die Schichten, die sonst keiner machen will ;)
Die Stimmung an den Toren war sehr positiv, vor allem was unsere Forderung zur Entgelterhöhung betrifft. Die Forderung zur Arbeitszeit ist komplizierter zu erklären. Aber unsere Beschäftigten sehen schon, dass wir mehr Wahlfreiheit bei der Arbeitszeit brauchen.
Ansonsten sind wir mitten in den Vorbereitungen für Aktionen. Zunächst wollen wir alle Beschäftigten im Werk noch einmal auf unsere Tarifforderung ansprechen, sowohl die IG Metall-Mitglieder als auch die Nicht-Mitglieder. Von der IG Metall bekommen wir dazu spezielles Material. Was genau, kann ich noch nicht verraten. Es hat auf jeden Fall etwas mit Zeit zu tun.
Außerdem planen wir schon für unseren Aktionstag Mitte Dezember in Ludwigsburg – etwa, welche Bereiche mit wie vielen Leuten dorthin fahren. Wir begleiten dort die zweite Tarifverhandlung. Das ist gute Tradition bei uns in der IG Metall Baden-Württemberg. Und sollten ab Januar Warnstreiks nötig sein, werden wir auch darauf vorbereitet sein.
Heute haben wir in der Tarifkommission in Sindelfingen unsere Forderung für die Metall-Tarifrunde in Baden-Württemberg beschlossen:
Unsere Vorbereitungen zur Metall-Tarifrunde bei uns im Betrieb laufen. Wir hatten dazu letzte Woche eine Klausur der Vertrauenskörperleitung, mit rund 60 IG Metall-Vertrauensleuten und Betriebsräten aus allen Bereichen. Einen Tag lang haben wir diskutiert, wie wir unsere Kampagne zur Tarifrunde gestalten wollen. Wir planen Aktionstage. Außerdem haben wir einen WhatsApp-Channel eingerichtet, um schneller mit unseren Leuten kommunizieren zu können. Und wir haben uns vorgenommen, dass wir mehr Beschäftigte mobilisieren wollen, insbesondere auch aus dem Bürobereich. Die Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist da ein wichtiges Thema. Und schließlich wollen wir auch mehr Mitglieder für die IG Metall gewinnen, um stärker auftreten zu können.
Letzten Montag war ich bei einem Empfang für Personal- und Betriebsräte im Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg. Ich habe dort eine Rede zur Transformation in Sachen Digitalisierung und E-Mobilität aus Sicht unserer Beschäftigten gehalten. Wir sind davon in Stuttgart besonders betroffen.
Top-Thema war bei uns in dieser Woche natürlich die Forderungsempfehlung des IG Metall-Vorstands zur Tarifrunde: Sechs Prozent mehr Lohn plus ein Anspruch darauf, die Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 28 Wochenstunden zu reduzieren. Die Resonanz der Kollegen war sehr positiv. Sechs Prozent mehr Geld passen ins Bild, auch in unserem Betrieb. Der Laden läuft.
Das Thema Arbeitszeit spielt gerade für unsere Kolleginnen und Kollegen in der Produktion eine große Rolle. Dort gibt es immer wieder welche, die gerne kürzer arbeiten wollen – aber sie kriegen es nicht genehmigt. Viele sagen: Lieber verzichte ich auf etwas Geld und habe dafür mehr Zeit für Familie, Freunde oder den Verein.
Im Bürobereich können Beschäftigte nach einer Phase mit reduzierter Arbeitszeit oft nicht mehr in die Vollzeit zurückkehren. Unsere Vorschläge zur kurzen Vollzeit wären ein sozialer Fortschritt.
Am Mittwoch hatten wir noch eine Vollversammlung der Vertrauensleute. Auch dort wurde die Forderungsempfehlung diskutiert. Die Stimmung ist insgesamt gut. Und in der kommenden Woche haben wir eine zweitägige Klausur der Vertrauenskörperleitung in der wir eine Kampagne zur Tarifrunde planen.
Am Freitag haben wir auf einer Konferenz mit Betriebsräten und IG Metall-Vertrauensleuten aus den Betrieben unsere Forderung der IG Metall-Geschäftsstelle Stuttgart zur Metall-Tarifrunde beschlossen. Jeder Betrieb hat seine Empfehlung abgegeben. Teilweise gab es da doch recht unterschiedliche Vorstellungen, die wir intensiv debattiert haben. Die Situation in den Betrieben ist eben differenziert. Am Ende sind wir dann doch zu einer gemeinsamen Forderung gekommen, die allen gerecht wird.
Alle betrieblichen Vertreter haben zuvor mit den Beschäftigten in den Betrieben diskutiert. In einigen Betrieben fanden Vollversammlungen statt. In anderen – so wie bei uns – gab es Aktionen vor der Kantine. In einigen Betrieben sind die Vertrauensleute direkt an ihre Kolleginnen und Kollegen in ihren Bereichen herangetreten, haben mit ihnen über die Forderung geredet und ihre Meinungen dokumentiert.
Unsere Forderung der IG Metall Stuttgart nehmen wir in die Tarifkommission mit. Am 24. Oktober beschließen wir dann in der Tarifkommission unsere Forderung als IG Metall Baden-Württemberg für die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie.
Ansonsten hatte ich diese Woche vor allem Sitzungen und Verhandlungen im Betrieb. Auch dort stehen gerade wichtige Entscheidungen an, die wir als Betriebsrat im Sinne der Beschäftigten mitgestalten wollen.
Anfang dieser Woche haben wir in einer Sondersitzung alle IG Metall-Vertrauensleute über das Konzept informiert und diskutiert. Passt. Dann ging es weiter mit Bereichsausschusssitzungen in den verschiedenen Bereichen.
Am Mittwoch hatten wir dann wieder keine Kinderbetreuung. Ich bin morgens zu Hause geblieben. Um 13 Uhr kam meine Frau von der Arbeit, wir haben uns kurz abgeklatscht – und ich bin noch mal bis 20 Uhr ins Büro. Gestern ist dann meine Schwiegermutter 300 Kilometer mit dem Zug angereist, um sich um die Kinder zu kümmern. Ich hatte verschiedene Workshops und Konferenzen im Betrieb.
Dass ich mich auch mal um die Kinder kümmern kann, geht bei uns bei Bosch zum Glück problemlos. Das haben wir in Betriebsvereinbarungen gut geregelt – allerdings nur für die Bürobeschäftigten. Die Schichtarbeiter in der Produktion haben da noch keinerlei Wahlfreiheit. Da müssen wir noch vorankommen. Am besten per Tarifvertrag.
Die Tarifrunde läuft. Letzte Woche haben wir die metallnachrichten zu unserem Forderungsvorschlag aus der letzten Tarifkommissionssitzung vor dem Tor an die Kollegen verteilt. Bei der Sitzung selbst konnte ich nicht dabei sein, da ich unsere Kinder betreuen musste. Mit der Tagesmutter und unserem Kleinen hat es einfach nicht geklappt.
Nach der Aktion am Tor hatten wir eine Kantinenaktion. Dort haben wir an Infowänden mit Smileys abgefragt, was unsere Beschäftigten von unseren Forderungsvorschlägen halten: Um die 6 Prozent mehr Geld. Arbeitszeit wählen nach Lebenssituation. Und der Entgeltzuschuss bei kurzer Vollzeit um Kinder zu erziehen, um zu pflegen und bei belastender Arbeitszeit wie Schichtarbeit. Rund 80 Prozent wählten die lachenden Smileys. Später haben wir noch mit den Kollegen diskutiert. Unsere Vorschläge kommen gut an.
Die TARIFKOMMISSION („Tako“) ist ein Gremium, das von IG Metall-Mitgliedern vor Ort gewählt wird. Sie bereitet die Tarifrunde vor, beschließt die Forderung, gibt Empfehlungen für die Gespräche mit den Arbeitgebern und ist an den Verhandlungen beteiligt. Sie befindet über die Annahme oder Ablehnung eines Verhandlungsergebnisses, über Urabstimmung und Streik. Der Großteil der Tako-Mitglieder sind Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall aus den Betrieben.