Die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie werden ihre Warnstreiks am Montag fortsetzen, teilte die Gewerkschaft IG Metall am Freitag mit. In der ersten Streikwoche hatten nach deren Angaben rund 18 000 Beschäftigte in Berlin, Brandenburg und Sachsen ihre Arbeit niedergelegt. Die Arbeitgeber hatten in der dritten Verhandlungsrunde ein neues Angebot vorgelegt. Es sieht eine Entgelterhöhung von 2,1 Prozent für zwei Jahre in zwei Stufen vor. Die Gewerkschaft lehnte ab.
Jörg Hofmann: Die Mitglieder haben gezeigt, dass sie sich mit hohem Einsatz für die Forderung ihrer Gewerkschaft einsetzen. Das stärkt uns natürlich am Verhandlungstisch.
Wir streben ein Ergebnis vor Pfingsten an, aber ein Muss ist das nicht. Wir sind darauf vorbereitet, auch längere Zeit in den Betrieben Druck zu machen.
Was für eine Nachbesserung? Ich habe nur wahrgenommen, dass sie nun zwei Jahre Laufzeit wollen: das gibt nur ihnen längere Planungssicherheit, aber, auf das Jahr gerechnet, den Beschäftigten keinen Cent mehr.
Nochmal: Für zwei Jahre, also bis 2018! Allein für 2017 liegen die Inflationsprognosen derzeit zwischen 1,3 und 1,8 Prozent; dazu der Produktivitätszuwachs – faire Verteilung sieht anders aus.
Im Gegenteil. Im Moment sorgen wir dafür, dass der Arbeitgeberverband zusätzliche Mitglieder bekommt.
Das Problem war, dass die Erwartungshaltung bei ihnen falsch war. Deshalb die Enttäuschung über das Ergebnis. Die IG Metall hat von Beginn an deutlich gemacht: Wir stehen für Kontinuität. Eine Kehrtwende gibt es nicht. Es gibt in den Rahmendaten der Branche keine Gründe dafür. Deshalb sollte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall bei seinen Mitgliedern nicht wieder falsche Hoffnungen wecken.
Ja, das kenne ich. So etwas folgt der Devise: Suche dir das richtige Bezugsjahr, und du erhältst das richtige Ergebnis. In dem Fall nimmt Gesamtmetall das Jahr vor der Finanzkrise als Grundlage. Gehen wir nochmals drei, vier Jahre zurück, kommt man zu dem Ergebnis, dass Produktivität, Inflation und Entgelte sich gleichmäßig entwickelt haben. Und nehmen Sie nur mal allein vier große Mitgliedsunternehmen von Gesamtmetall: Siemens, Daimler, BMW und Airbus. Auf deren Hauptversammlungen wurden soeben für die Aktionäre Dividendenausschüttungen in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro beschlossen. Selbst wenn unsere Forderung von fünf Prozent ohne Abstriche für die 3,8 Millionen Beschäftigten der Branche erfüllt werden könnten, kostet das, mit etwas mehr als neun Milliarden, weniger.
Wir überziehen bei den Kosten nicht. Ich sehe keine Überforderung der Betriebe. Im Gegenteil: Die deutsche Volkswirtschaft wird derzeit stark vom Konsum getragen. Also brauchen die Menschen mehr Geld, damit sie das dann auch wieder ausgeben, zum Beispiel für Autos und Waschmaschinen. Und auch in Maschinen wird nur investiert, wenn Nachfrage nach Produkten besteht.
Sie vergessen, dass die niedrige Inflation auch die Unternehmen entlastet. Die Importpreise gingen zurück, und Kredite sind aktuell beinahe kostenlos. Das stärkt die Ertragskraft der Betriebe. Jetzt geht’s darum: Wie kann man das fair teilen?
Es geht uns in dieser Tarifrunde auch darum, die Tarifbindung wieder zu erhöhen. Derzeit arbeiten nur 23 Prozent der Beschäftigten im Osten und knapp 60 Prozent im Westen in Betrieben, die tarifgebunden sind. Diese Quote wollen wir erhöhen und beziehen auch tarifungebundene Betriebe in die Tarifbewegung mit ein.
Ja, dort wo wir genügend Mitglieder haben, um mit Warnstreiks Druck auf den Arbeitgeber auszuüben, sich wieder an einen Tarifvertrag zu binden. Was praktisch heißt, dass er wieder dem Arbeitgeberverband beitritt oder zumindest einen Haustarifvertrag abschließt. 30 Betriebe bundesweit haben das in den vergangenen Wochen getan. In gut 100 weiteren Betrieben verhandeln wir aktuell die Tarifbindung. In weiteren rund 200 Betrieben gehen wir das Thema an. Denn in manchen Unternehmen kommt es ja schon einer Revolution gleich, wenn die Belegschaft überhaupt wieder über Tarifrunden diskutiert.
Sie kennen doch die Geschichte vom Hasen und Igel. Die IG Metall will der Igel sein: Immer wenn der Hase aus dem Tarifverband austritt, wird er schon vom Igel erwartet. Wir müssen an die Ränder der Branchen schauen und dort die Beschäftigten organisieren. Es darf nicht sein, dass die Branche auseinanderbricht – in Großunternehmen, die nach Tarif zahlen, und Kleinbetriebe, in denen die Arbeitgeber tun und lassen, was sie wollen.
Nachdem wir Signale bekommen haben, dass es Bewegung im Arbeitgeberlager gibt, werden wir am Montag in Nordrhein-Westfalen schauen, was das konkret bedeutet. Die Warnstreiks gehen nächste Woche mit aller Kraft weiter, denn von einem Ergebnis sind wir noch weit entfernt. Ob es bis Ende der Woche zu einem Abschluss kommen kann, steht in den Sternen.