Die erste Verhandlung für den Haustarifvertrag bei Volkswagen ist trotz der Bemühungen der IG Metall ergebnislos ausgegangen. „Leider hat sich Volkswagen zu keiner der Kernforderungen heute konkret geäußert, sondern nur in das allgemeine Klagelied der Arbeitgeberverbände in der Metall- und Elektroindustrie eingestimmt“, sagte der Verhandlungsführer der IG Metall, Thorsten Gröger im Anschluss.
Die IG Metall fordert für die 120 000 Beschäftigten bei Volkswagen eine Entgelterhöhung von vier Prozent ab dem 1. Januar 2021, Verbesserungen bei der 2019 neu eingeführten tariflichen Freistellungszeit sowie die Fortschreibung der Ende 2020 ausgelaufenen Garantie zum Angebot von jährlich 1400 neuen Ausbildungsplätzen für die kommenden 10 Jahre durch Volkswagen.
Verhandelt wird der Haustarifvertrag für die sechs westdeutschen Werke in Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Emden und Kassel sowie bei den Financial Services und Volkswagen Immobilien. Zu erwarten sind komplizierte Tarifauseinandersetzungen.
Die Position der Beschäftigten wird dadurch verstärkt, dass Fläche und VW in diesem Jahr zeitgleich verhandeln. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Während es in der übrigen Industrie vor allem auch um die Beschäftigungssicherung in Zeiten der Transformation gehen wird – im Gespräch ist unter anderem die betriebliche Option der Vier-Tage-Woche oder andere Modelle der Arbeitszeitabsenkung mit Abfederung des Entgeltverlustes, sind diese Fragen bei Volkswagen durch den Zukunftspakt und die Roadmap digitale Transformation bereits geklärt.
„Mehr Geld in den Taschen der Beschäftigten führt zu einer Steigerung des Konsums und fördert somit die Konjunktur. Die letzte tabellenwirksame Erhöhung liegt dagegen fast drei Jahre zurück und die Verbraucherpreise sind zwischenzeitlich angestiegen. Über diese Zeit haben unsere Kolleginnen und Kollegen, die Veränderungen im VW-Konzern positiv begleitet. Vier Prozent mehr Entgelt passen daher in die Zeit“, so Thorsten Gröger.
Zuletzt hat Volkswagen mit guten Zahlen für das dritte und vierte Quartal aufhorchen lassen. Thorsten Gröger verwies darauf, dass für das kommende Jahr mit einer verbesserten konjunkturellen Lage zu rechnen wäre, zumal jetzt durch das Vorhandensein eines Impfstoffes Licht am Ende des Pandemietunnels zu sehen sei. Auch Volkswagen selbst rechne mit einer deutlichen Belebung des Geschäftes in 2021, was durch die aktuellen Prognosen der Wirtschaftsinstitute untermauert wird.
Um den Beschäftigten mehr Zeit zum Leben zu verschaffen, fordern Gewerkschaft und die Beschäftigten neben einer Erhöhung der Entgelte auch weitere qualitative Verbesserungen in den Tarifverträgen. Es soll künftig bessere Möglichkeiten geben, die tarifliche Sonderzahlung in freie Tage umzuwandeln. In der Tarifrunde 2018 haben sich Volkswagen und IG Metall auf die tarifliche Zusatzvergütung geeinigt. Sie beträgt 27,5 Prozent eines Monatsentgelts und wird einmal pro Jahr ausgezahlt. Besonders belastete Beschäftigte konnten dieses Zusatzgeld in bis zu sechs freie Tage umwandeln. Diese Möglichkeit wird viel genutzt: 2018 waren es 31 400 der VW-Mitarbeiter, die freie Tage statt Geld wählten, 2019 waren es 33 600.
„Wir haben mit der bezahlten Freistellungszeit offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen. Denn eine von den Metallern präsentierte Umfrage bei Volkswagen-Beschäftigten ergab, dass rund 85 Prozent der Befragten diese Option für wichtig beziehungsweise sehr wichtig ansieht“, meint Gröger.
Mit der geforderten Freistellungsregelung für Gewerkschaftsmitglieder könnte ein weiterer Anreiz für eine Mitgliedschaft geschaffen werden. Vor allem im Hinblick auf die Wandlungsoption könnten Mitglieder der IG Metall im Endergebnis bessergestellt werden als Nicht-Mitglieder.
Sichere Ausbildungsplätze bei VW – auch das ist Teil der Verhandlungen, Eine tarifliche Absicherung der Ausbildung war bisher Konsens zwischen den Tarifparteien, deshalb die Forderung nach einer Verlängerung der Ausbildungsverpflichtung von Volkswagen für 1400 neue Ausbildungsplätze pro Jahr.
„Schließlich geht es darum jungen Menschen eine Perspektive zu bieten. Nur so können Fachkräfte von morgen an das Unternehmen Volkswagen gebunden und das für die Digitalisierung benötigte Know-How im Unternehmen aufgefrischt werden. Schließlich verändere sich die Ausbildung permanent und passe sich an die Marktgegebenheiten an. Für Azubis von heute eine ganz schöne Herausforderung“, findet der Bezirksleiter der IG Metall.
Zum Abschluss der ersten Verhandlung machte Gröger deutlich, dass die IG Metall durch das Verschieben der Tarifrunde im Frühjahr Rücksicht auf die besondere Situation im Jahr 2020 genommen habe, dass aber jetzt eine Weiterentwicklung der Tarife notwendig und gerechtfertigt sei.
Er stellte klar, dass er für die kommende Verhandlung am 29. Januar ein deutliches Zeichen von Volkswagen erwarte und verwies auf das Ende der Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie Anfang März 2021: „Die Beschäftigten bei Volkswagen werden sich solidarisch mit ihren Kolleginnen und Kollegen in der Fläche zeigen.“