Die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg erhalten ab April 4,3 Prozent mehr Geld und ab 2019 ein tarifliches Zusatzgeld in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentgelt. Beschäftigte mit Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen oder in Schichtarbeit können das tarifliche Zusatzgeld in zusätzliche freie Tage umwandeln. Außerdem erhalten alle Beschäftigten einen Anspruch, ihre Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden pro Woche für bis zu 24 Monate zu verkürzen. Der Tarifvertrag sieht weiter eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro für die Monate Januar bis März 2018 vor sowie einen Festbetrag von 400 Euro, der spätestens im Juli 2019 fällig wird. Ab 2020 wird der Festbetrag tarifdynamisch in das Volumen des tariflichen Zusatzgelds einfließen. Davon profitieren insbesondere untere Entgeltgruppen. Der Tarifvertrag läuft bis 31. März 2020.
Für Roman Zitzelsberger, Verhandlungsführer und IG Metall-Bezirksleiter Baden-Württemberg, hat die IG Metall gegen den Widerstand der Arbeitgeber Verbesserungen für Beschäftigte mit Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen und in restriktiven Arbeitszeitmodellen wie Schichtarbeit erreicht. „Wir haben um jedes Detail hart gerungen, in den für uns entscheidenden Fragen aber ein ordentliches Ergebnis erzielt und mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit für die Beschäftigten durchgesetzt.“ Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, nennt den Abschluss einen Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen selbstbestimmten Arbeitszeit.
Die IG Metall hatte sich für diese Tarifrunde mehrere Ziele gesetzt: ein fairer Anteil am wirtschaftlichen Erfolg der Branche, mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Entlastung bei der Schichtarbeit. „Diese Ziele haben wir erreicht“, sagt Hofmann. „Die Beschäftigten erhalten eine deutliche Erhöhung ihrer Realeinkommen.“ Damit trage das Ergebnis der hervorragenden wirtschaftlichen Situation der Branche Rechnung. Gleichzeitig markiere der Abschluss eine Umkehr bei der Arbeitszeit. Flexibilität sei damit nicht länger ein Privileg der Arbeitgeber. Mit dem Tarifvertrag haben Beschäftigte nun den verbindlichen Anspruch, kürzer zu arbeiten, wenn sie es für sich selbst, für ihre Gesundheit oder ihre Familie brauchen. Für den Ersten Vorsitzenden der IG Metall zeigt der Abschluss, dass Tarifverträge Arbeitsbedingungen im Interesse der Beschäftigten und der Unternehmen attraktiv gestalten können.
Platzhalter Grafik zur Arbeitszeit
Der Durchbruch gelang am späten Montagabend in Stuttgart in der sechsten Verhandlungsrunde. Gut eine Woche zuvor hatten die Tarifparteien die Gespräche nach 16 Stunden ohne Ergebnis abgebrochen. Die IG Metall rief daraufhin bundesweit in mehr als 250 Betrieben zu ganztägigen Warnstreiks auf. Der Druck zeigte Wirkung. Hofmann bedankte sich bei den rund 1,5 Millionen Metallerinnen und Metaller, die sich an den kurzzeitigen Warnstreikaktionen und den ganztägigen Warnstreiks beteiligt hatten. „Wir haben in dieser Auseinandersetzung bewiesen, dass wir weiterhin eine große, solidarische Kraft entfalten können, um die Zukunft der Arbeit zu gestalten“, sagt Hofmann.
Das Tarifergebnis sieht vor, dass die Entgelte und Ausbildungsvergütungen ab dem 1. April 2018 um 4,3 Prozent steigen. Für Januar bis März 2018 gibt es eine Einmalzahlung von 100 Euro, Auszubildende erhalten es überproportionale Einmalzahlung von 70 Euro. Außerdem bekommen alle Beschäftigten ab 2019 einen Festbetrag von 400 Euro, für Auszubildende gibt es auch hier mit 200 Euro überproportional mehr, plus ein tarifliches Zusatzgeld in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts. Beide Komponenten wirken ab 2020 dauerhaft.
Auszubildende erhalten künftig vor ihren Abschlussprüfungen zwei freie Tage zur Vorbereitung. Ab 2019 können Beschäftigte ihre Arbeitszeit für mindestens sechs und maximal 24 Monate auf bis zu 28 Wochenstunden absenken; nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums kann sich der Beschäftigte erneut entscheiden. Beschäftigte, die Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder in Schicht arbeiten, können erstmals ab 2019 wählen, ob sie statt des tariflichen Zusatzgelds acht freie Tage nehmen wollen. Zwei Tage davon finanziert der Arbeitgeber. „Mit diesem Modell schaffen wir einen Ausgleich für Belastungen und sorgen dafür, dass unsere Kolleginnen und Kollegen länger gesund bleiben“, sagt IG Metall-Verhandlungsführer Zitzelsberger. „Außerdem schaffen wir Freiräume für wichtige gesellschaftliche Aufgaben und erleichtern die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.“
IG Metall und Gesamtmetall empfehlen den Tarifpartnern in den ostdeutschen Bundesländern unmittelbar nach dem Tarifabschluss Gespräche über den Prozess der Angleichung der Arbeitsbedingungen zu führen. Dabei sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.
Im Laufe der Woche werden die übrigen IG Metall-Bezirke in ihren jeweiligen demokratisch gewählten Tarifkommissionen die Übernahme des Ergebnisses diskutieren. Der Vorstand der IG Metall empfiehlt, die Eckpunkte des Ergebnisses in den anderen Tarifgebieten zu übernehmen.