Jörg Hofmann: Warnstreiks sind nichts anderes als eine Manifestation der Mitglieder, dass sie hinter der Forderung der IG Metall stehen. Offenbar sind sie unvermeidbar, um den Arbeitgebern zu verdeutlichen, dass Kompromisse gefragt sind und keine Verhärtung der Situation. Wer wie Gesamtmetall mit dem Angebot einer dauerhaften Erhöhung um 0,9 Prozent ins Rennen geht, will offensichtlich den Konflikt. Die Arbeitgeber haben nur die kurzfristige Kosten- und Renditesituation im Blick. Damit verlieren sie aus dem Auge, dass Autos auf Dauer keine Autos kaufen. Unsere Forderung von fünf Prozent setzt darauf, dass Lohnpolitik die Nachfrage stärkt und nachhaltig für Wachstum und Beschäftigung sorgt.
Die IG Metall hat mit ihrer Forderung nach fünf Prozent im Vergleich zu den Vorjahren ein Zeichen gesetzt, dass wir eine Kontinuität unserer Lohnpolitik wollen, aber die Runde nicht an den ertragreichsten Unternehmen ausrichten. Das Angebot der Arbeitgeber ist das niedrigste, das die IG Metall je bekommen hat. Das ist eine Provokation und eine Kehrtwende in der Lohnpolitik, die wir nicht mitmachen. Wer so vorgeht, ist offensichtlich zum Konflikt bereit. Ich halte es nicht für sinnvoll, diese Aufwallung von vornherein zu inszenieren. Am Ende muss eine Zahl stehen, die beide Seiten in ihren Reihen vertreten müssen. Ich bin gespannt, was uns die Arbeitgeber in der dritten Verhandlungsrunde bieten. Die 0,9 Prozent sind kein sinnvoller Ausgangspunkt für konstruktive Verhandlungen.
Wer auf der Arbeitgeberseite eine schnelle Verhandlungslösung will, dem empfehle ich, ein verbessertes Angebot vorzulegen.
Gerade weil es nur um eine Zahl geht. Da wird besonders deutlich, wer sich mit seinen Vorstellungen durchsetzt. Wir sind schon in den Grundannahmen so weit auseinander, wie ich es vor ein paar Wochen nicht gedacht hatte.
Es ist richtig, dass die Produktivität der Gesamtwirtschaft um 0,6 Prozent gestiegen ist, aber im produzierenden Gewerbe fällt sie deutlich höher aus. Und wir wissen, dass die Inflation aktuell bei 0,3 Prozent liegt. Die Frage ist, wie die Lohnpolitik hierauf eingeht. Die IG Metall hat sich immer an der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank orientiert, und deren Chefökonom hat gerade darauf hingewiesen, wie wichtig Lohnpolitik ist, um Wachstumsimpulse zu setzen, weil die Geldpolitik der EZB inzwischen kaum noch wirkt. Wer soll für Nachfrage sorgen, wenn das nicht auf der Lohnseite passiert? Mehr Staatsausgaben sind nur bedingt möglich. Private Investitionen sind seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. Ich bin fest überzeugt, dass wir mit einer verlässlichen und kontinuierlichen Lohnpolitik, wie sie die IG Metall in den letzten Jahren durchgesetzt hat, für alle Beteiligten gut fahren.
Nein. Er war bestens an die Situation in der Metall- und Elektroindustrie angepasst. Wir hatten in Folge dieses Tarifabschlusses eine gute Steigerung der Realeinkommen, mehr Nachfrage und mehr Wirtschaftswachstum. In der Metall- und Elektroindustrie hat die Beschäftigung noch einmal deutlich zugenommen, und das nicht zu Lasten der Gewinne – im Gegenteil: Viele Unternehmen weisen für 2015 beste Bilanzen aus. Eine Umkehr in der Lohnpolitik, wie sie die Arbeitgeber einläuten wollen, würde kurzfristig ihre Kostensituation verändern, aber nachhaltig den Wachstums- und Beschäftigungs-Perspektiven deutlich schaden.
Es gibt immer erfolgreiche und nicht erfolgreiche Unternehmen. Ich kann nicht erkennen, dass sich der Erfolg oder Misserfolg auf eine Branche konzentriert. Wir haben teilweise strukturelle Probleme, etwa im Sondermaschinenbau oder in allen Bereichen, die vom Öl- und Gasgeschäft abhängig sind, wo im Moment nichts investiert wird. Aber da ist der Lohn nicht der entscheidende Punkt.
Die Lohnpolitik der IG Metall orientiert sich nie an den Besten der Liga. Aber wir können auch nicht die Krisensituation eines Unternehmens von vornherein einpreisen. Der Flächentarifvertrag sorgt für einheitliche Wettbewerbsbedingungen beim Faktor Lohn. Der Stahlpreis ist auch nicht niedriger für ein Unternehmen, dem es schlecht geht. Dass die Metallindustrie mit der Lohnpolitik der letzten Jahre gut auskam, zeigt ihre Erfolgsgeschichte.
Nein. Wir haben einen Aufbau von Arbeitsplätzen, wo Märkte erschlossen werden. Das bedeutet in der Metall- und Elektroindustrie in der Regel auch ein Beschäftigungsplus im Inland. Einen verstärkten Verlagerungsdruck, etwa nach Osteuropa, kann ich derzeit nicht erkennen, im Gegenteil – wir stellen fest, dass auch bei den Zulieferern zurückverlagert wird, weil die Enttäuschung groß ist, dass sich die erhofften Kostenvorteile nicht in Effizienzvorteilen niederschlagen.
Das ist eine weitere Eskalationsstufe vor einer Urabstimmung und Flächenstreiks. Ob wir das einsetzen, werden wir je nach dem Fortgang der Tarifrunde entscheiden. Das müsste der Vorstand der IG Metall für alle Tarifgebiete beschließen. Aber das ist noch weit weg. Erst haben wir nächste Woche die dritte Verhandlungsrunde noch in der Friedenspflicht. Dann hoffe ich, dass wir zügig am Verhandlungstisch auf Ergebnisse zusteuern.
Nein. Denn auch den nicht tarifgebundenen Unternehmen geht es im Durchschnitt nicht schlecht. Deswegen ist unsere Forderung berechtigt. Wir wollen ein deutliches Signal setzen: Die Flucht vor Flächentarifen geht auf Dauer nicht. Unser Anspruch sind gleiche Ausgangsbedingungen für alle Unternehmen der Branche. Wir wollen keinen Wettbewerb zu Lasten der Arbeitnehmer.
Interview: Südwest-Presse, Dieter Keller