Tarifrunde Metall und Elektro 2024
„Wir wollen mehr Geld, weil wir es brauchen“
Die weiterhin hohen Preise belasten die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Deshalb ist für sie mehr Geld für mehr Kaufkraft am wichtigsten. Das zeigt eine Befragung der IG Metall zur Metall-Tarifrunde, die im September startet. Besonders belastet: Auszubildende und dual Studierende.
Am 21. Juni beschließen die gewählten Tarifkommissionen die Forderungen der IG Metall für die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, die Mitte September starten. Die Diskussionen in den Betrieben unter den IG Metall-Mitgliedern und Vertrauensleuten laufen seit Wochen. Außerdem hat die IG Metall die Beschäftigten in den Betrieben befragt – und 318.000 Beschäftigte aus 2700 Betrieben haben geantwortet.
Brauchen mehr Geld – mehr Kaufkraft
Die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie erwarten vor allem spürbar mehr Geld. 72 Prozent der befragten Beschäftigten sagen, dass sie höhere Entgelte brauchen, um die Inflation auszugleichen und ihre Kaufkraft zu stärken.
„Die Inflation mag sich abschwächen, die Preise bleiben aber hoch“, erklärt Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall. „Die Beschäftigten erwarten von den Arbeitgebern spürbar sowie dauerhaft mehr Geld gegen den Preisdruck.“
Tatsächlich wäre eine Stärkung der Kaufkraft auch wirtschaftlich sinnvoll: Die private Nachfrage macht rund die Hälfte des Bruttoindlandsprodukts (BIP) aus und ist damit noch wichtiger als der Export. Doch durch die Inflation schwächelt die Kaufkraft und damit auch der private Konsum. Der muss angekurbelt werden, damit die Wirtschaft wieder wächst.
Wirtschaftliche Lage: insgesamt schlecht – im Betrieb gut
Die wirtschaftliche Lage betrachten die Beschäftigten differenziert: 41 Prozent nehmen die Situation in Deutschland insgesamt als schlecht oder sehr schlecht wahr. Die wirtschaftliche Lage ihres eigenen Betriebs dagegen ist für 80 Prozent der Beschäftigten in Ordnung, für 44 Prozent sogar gut oder sehr gut.
„Die wirtschaftliche Situation der Betriebe nehmen die Beschäftigten insgesamt deutlich positiver wahr, als es das aktuelle Wehklagen der Arbeitgeberverbände vermuten lässt“, betont Nadine Boguslawski, die im IG Metall-Vorstand für Tarifpolitik verantwortlich ist. „Es gibt etwas zu verteilen.“
Auszubildende und Studierende leiden besonders unter Preisen
Besonders von den Preissteigerungen belastet sind Auszubildende und dual Studierende. Das sehen 68 Prozent der befragten Beschäftigten so. Bei den Auszubildenden und dual Studierenden selbst sagen 93 Prozent, dass sie wegen der gestiegenen Kosten mehr Geld brauchen.
Derzeit erhalten Auszubildende in der Metall- und Elektroindustrie im Durchschnitt tariflich 1167,50 Euro im Monat. Das Geld reicht einfach nicht mehr. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten belasten vor allem Geringverdiener, wie etwa Auszubildende und Dual Studierende.
Und die Zeiten, in denen Auszubildende noch minderjährig waren, sind vorbei. Das Eintrittsalter von Auszubildenden liegt heute bei über 20 Jahren. Rund ein Viertel ist sogar 22 Jahre oder älter. Sie wünschen sich oft mehr Unabhängigkeit von den Eltern, eine eigene Wohnung – oder eine Ausbildung oder ein duales Studium bei einem bestimmten Betrieb, der vielleicht weiter weg ist. Zugleich fordern Arbeitgeber immer mehr Flexibilität und Mobilität ein.
Stimmen aus der Jugend
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Alexander Lipp, Opel, Rüsselsheim
„Dual Studierende sind häufig gezwungen an einem anderen Ort zu studieren, als sie arbeiten. Entsprechend müssen Sie mindestens eine Wohnung oder ein WG-Zimmer bezahlen. In Frankfurt sind das 500 bis 600 Euro für ein WG-Zimmer. Den Azubis geht es nicht anders. Hier geht es nicht darum zu sagen: Ich möchte einmal im Jahr mehr in den Urlaub. Wir wollen mehr Geld, weil wir es brauchen.“
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Samet-Can Cabuk, Ford, Köln
„Viele Azubis und Dualis haben Nebenjobs. Statt für Prüfungen zu lernen, müssen viele etwas hinzuverdienen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Wir hatten schon das ein oder andere Mal den Fall, dass Azubis gekündigt haben: Sie konnten sich die Fahrtkosten zum Betrieb nicht mehr leisten. Wir brauchen eine höhere Ausbildungsvergütung - eine deutlich höhere.“
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Gianna Leo, Volkswagen, Wolfsburg
„Viele haben noch ein veraltetes Bild im Kopf: 16-jährige Jungs und Mädels, die bei den Eltern wohnen, mit dem Bus zum Betrieb fahren und das Geld im Einkaufszentrum ausgeben. Heute sind Azubis und Dual Studierende im Durchschnitt 20 Jahre alt und müssen für sich selbst sorgen. Und alles ist teurer geworden. Wir brauchen flächendeckend Ausbildungsvergütungen, von denen wir leben können.“
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Nick Thiele, Bosch Automotive Steering, Schwäbisch-Gmünd
„Unsere Auszubildenden erzählen, dass das Geld kaum reicht. Manche bekommen noch Geld von den Eltern, weil sie es allein nicht schaffen: Wohnen, Fahrtkosten, Essen, Versicherungen – da ist das Geld schnell weg. Zugleich haben selbst große Betriebe Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden. Wir sagen daher: Bietet mehr Geld, dann entscheiden sich junge Leute wieder eher dazu, eine Ausbildung zu machen.“
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Leon Knauer, Körber Technology, Hamburg
„Wohnen in Städten wie Hamburg ist für Auszubildende und Dual Studierende nicht mehr bezahlbar. Und da wo die Leute wenig fürs Wohnen zahlen, brauchen sie in aller Regel ein Auto, um zum Ausbildungsbetrieb zu kommen. Die Kosten hat man somit wieder an anderer Stelle. Wir brauchen daher dringend ein Extra-Plus bei den Ausbildungsvergütungen.“
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Kilian Bergauer, BMW, Leipzig
„Die Lebensbedingungen von Auszubildenden und Dual Studierenden haben sich geändert. Oft ist für die Ausbildung ein Wohnortwechsel notwendig. Dort, wo das Wohnen günstig ist, sind Azubis wie auch Dual Studierende ganz schnell darauf angewiesen, ein Auto zu haben. Aber an der Tankstelle gibt es ja keinen Rabatt für Azubis. Die bezahlen die gleichen Kosten und fahren die gleiche Strecke wie der Facharbeiter.“
Ausbildungsvergütungen müssen deutlich steigen
Immer mehr junge Menschen machen erst gar keine Ausbildung mehr, sondern gehen lieber nach der Schule jobben. Mit einem Midi-Job (bis 2000 Euro brutto) ist fast doppelt so viel Geld drin. Das Ergebnis: 2,64 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss. Zugleich klagt die deutsche Wirtschaft immer mehr über Fachkräftemangel.
Um die Berufsausbildung und das Duale Studium wieder attraktiver zu machen und ein eigenständiges Leben zu ermöglichen, müssen aus Sicht der IG Metall daher die Ausbildungsvergütungen deutlich steigen.
Eigene Zeit mehr selbst bestimmen
Als wichtiges Thema sehen die 318.000 befragten Beschäftigten auch ihre Arbeitszeit an. Hier fordern sie lebensnahe Lösungen mit mehr Flexibilität für sich. Für 85 Prozent der Befragten ist mehr Souveränität und Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit sehr wichtig oder wichtig.
Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich mehr individuelle Wahlmöglichkeiten zwischen Zeit und Geld, wie es jetzt schon das „Tarifliche Zusatzgeld“ (T-ZUG) in der Metallindustrie für besonders belastete Beschäftigte (Kinder, Pflege, Schichtarbeit) ermöglicht.
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