Die IG Metall will ein Recht auf persönliche Weiterbildung durchsetzen. Beschäftigte, ob jung oder alt, gut ausgebildet oder nicht, brauchen eine reale Chance, sich beruflich weiterentwickeln zu können. Deshalb verhandelt die IG Metall zurzeit mit den Arbeitgebern über eine geförderte Bildungsteilzeit – mit klaren Regeln für die Finanzierung und Freistellung.
Doch statt gemeinsam mit der IG Metall an Lösungen zu arbeiten, heulen die Arbeitgeber auf. Persönliche Weiterbildung sei eine Privatangelegenheit und davon würde nur der einzelne Beschäftigte profitieren. Sie wollten keine Fortbildung für Einzelne finanzieren, von denen die Betriebe nichts hätten. So weit die Polemik der Arbeitgeber mit der sie vom Eigentlichen ablenken wollen. „Die Arbeitgeber sollen dafür zahlen, dass sie auch morgen noch Arbeitnehmer haben, die die Aufgaben, die in der Arbeitswelt der Zukunft auf sie zukommen, qualifiziert erledigen können“, stellt der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, klar. Nicht nur der individuelle Vorteil, sondern auch der Vorteil für die Betriebe ist eines der Hauptargumente der IG Metall.
Die Notwendigkeit mehr für die Sicherung von Fachkräften zu tun, weisen die Arbeitgeber von sich und darüber hinaus hat Gesamtmetall eine ganz erstaunliche Rechnung präsentiert. Nicht weniger als acht Milliarden Euro gäben die Arbeitgeber der Branche jährlich für Aus- und Weiterbildung aus. Diese Summe enthält auch die Kosten für die reguläre Berufsausbildung – rund vier Milliarden. Zieht man die ab, bleiben vier Milliarden. Ein großer Teil davon fließt in die Qualifikation für den Tagesbedarf, etwa weil ein Mitarbeiter eine neue Maschine bedienen muss. Verglichen mit dem Umsatz in der Metall- und Elektroindustrie sind die vier Milliarden beschämend wenig. Denn bei einem Umsatz von 1000 Euro investieren die Unternehmen etwa vier Euro in Weiterbildung – noch weniger wäre nichts oder?
Tatsächlich steigt der Bildungsbedarf stärker als die Anstrengungen der Unternehmen. Damit Betriebe die Anforderungen, die beispielsweise durch Industrie 4.0 und der zunehmenden Digitalisierung abdecken können, sind mehr und andere Anstrengungen notwendig. Ernst zu nehmende Forschungsergebnisse besagen, dass diese Zukunftsprozesse viele der heutigen Tätigkeitsbilder überflüssig machen werden und sich daher hunderttausende Arbeitnehmer neu orientieren müssen. Viele Berufe, die heute noch gebraucht werden, wird es in zehn Jahren voraussichtlich nicht mehr geben.
So würde eine gut ausgebildete Lackiererin in einem Automobilunternehmen irgendwann von einem Roboter ersetzt werden, der wiederum von einer hochqualifizierten Facharbeiterin überwacht wird. Genauso verhält es sich mit den Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationsanforderungen. Diese werden in den nächsten Jahren weiter abnehmen. Dann müssen die Menschen, die dort arbeiten für neue Tätigkeiten qualifiziert werden, so dass sie die Anforderungen an einen qualifizierten Abschluss erfüllen können.
Eine tarifvertragliche vereinbarte Bildungsteilzeit könnten vor allem drei Beschäftigtengruppen nutzen: Un- und Angelernte, Beschäftigte nach Abschluss einer dualen Ausbildung und diejenigen, die sich nach längerer Erwerbstätigkeit beruflich weiterentwickeln wollen.
Um die Arbeitsaufgaben der Zukunft bewältigen zu können, sind 3-Tage-Kurse nicht die Lösung. Es reicht nicht, wenn jedes Unternehmen ausschließlich für den jeweiligen konkreten Bedarf im Betrieb ausbildet. Wie bei der betrieblichen Ausbildung von Auszubildenden oder der akademischen Berufsausbildung ist Betriebsegoismus bei diesem Thema zu kurz gedacht. Tatsächlich geht es um branchenweite zusätzliche Anstrengungen. Deshalb ist eine tarifliche Bildungsteilzeit auch eine Aufgabe für die gesamte Branche.
Die Bildungsanstrengungen im verarbeitenden Gewerbe gehen sogar zurück. Im Jahr 2005 wurde jeder Beschäftigte noch für circa 30 Stunden im Jahr weitergebildet. Doch schon 2010 betrug dieser Weiterbildungszeitraum nur noch 23 Stunden. Rechnet man diese Weiterbildungszeit auf alle Beschäftigten in den weiterbildenden Unternehmen um, so lag sie durchschnittlich sogar nur bei 11 Stunden pro Beschäftigten. Dieser Zeitraum mag ausreichend sein, um regelmäßig Sicherheitsanforderungen zu vermitteln oder die Handhabung einer neuen Maschine. Keinesfalls können in dieser Zeit grundlegende Qualifizierungsmaßnahmen erworben werden.
Um auch in Zukunft genügend Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu finden, sollten die Unternehmen jeden einzelnen Arbeitnehmer unterstützen, der bereit ist, sich zu qualifizieren. Schließlich erklärten 53 Prozent der Unternehmen, sie würden für freie Stellen keine passenden Bewerber auf dem Arbeitsmarkt finden. So das Ergebnis einer Befragung durch das IAB.