Wilvorst in Northeim kleidet den Bräutigam ein. Das Geschäft mit dem schönsten Tag im Leben läuft. Betriebsrätin Regina Ries sagt: „Wir machen jedes Jahr ein gutes Plus.“ Davon wollen die Beschäftigten etwas abhaben. Sie arbeiten Akkord und sind flexibel, wenn es schnell gehen und ein Anzug auch mal in zwei Tagen fertig werden muss.
In der Tarifrunde für die westdeutsche Textil-und Bekleidungsindustrie fordern wir 4,5 Prozent mehr Geld für zwölf Monate. In der ersten Verhandlungsrunde lehnten die Arbeitgeberinnen die Forderungen nach mehr Geld und besseren Bedingungen für die Altersteilzeit ab. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeberinnen, Wolfgang Brinkmann, bezeichnete die Forderung für die Betriebe als nicht realisierbar und sagte, die Altersteilzeit werde den Fachkräftemangel verschärfen.
Betriebsrätin Regina Ries kennt die Klagen. Ihr Betrieb gehört zur Brinkmann-Gruppe. „Bei uns läuft das Geschäft gut. Der Gruppe geht es nicht so gut. Da heißt es dann: Es gibt für keinen was.“ Verstehen kann sie die Haltung der Arbeitgeberinnen nicht. „Es gibt Öffnungsklauseln für Betriebe, denen es nicht so gut geht. Das machen wir seit Jahren so.“
Neben mehr Geld für die Beschäftigten der Branche fordern wir auch Verbesserungen bei der Altersteilzeit. Zurzeit haben zwei Prozent der Beschäftigten Anspruch auf Altersteilzeit. Diese Quote wird aber nicht überall ausgeschöpft, weil Facharbeiter mit der derzeitigen tariflichen Aufzahlung von 475 Euro nur auf 80 Prozent ihres Einkommens kommen. Das reicht oft nicht aus, um vorzeitig aufzuhören.
Betriebsrätin Regina Ries hat es für eine Kollegin in Teilzeit einmal ausgerechnet. Zurzeit verdient sie 1258 Euro brutto, ginge sie in Altersteilzeit blieben ihr 629 Euro plus ein Zuschuss von 237,50 Euro. „Damit hätte die Kollegin gut 133 Euro weniger als mit einer Rente“, sagt Ries. „Das reicht hinten und vorn nicht.“
In der Textilindustrie läuft die Konjunktur gut. In der Bekleidungsindustrie gibt es in einzelnen Unternehmen Probleme. Manfred Menningen, der die Verhandlungen für uns führt, sieht vor allem hausgemachte Probleme: „Einzelne Hersteller haben ihre Marke vernachlässigt und deshalb Probleme bekommen.“
Gut läuft auch das Geschäft mit Textilien, die besondere Anforderungen erfüllen müssen. Zum Beispiel Teppichböden für Flugzeuge, die die Firma Anker in Düren herstellt. Sie müssen schwer entflammbar sein. Anker liefert die Qualität und die Produkte sind gefragt. Im Bereich Airlines sieht Betriebsrat Jörg Bogisch vor allem viel Arbeit. „Wir haben in den letzten zwei Jahren ständig Mehrarbeit gemacht, teilweise samstags gearbeitet und sonntags nachts.“ Frage man den Arbeitgeber, gäbe es nie den richtigen Zeitpunkt. Doch angesichts der Belastungen findet es Bogisch nur fair, wenn die Beschäftigten jetzt ihren Anteil bekommen: „Die Leute haben echt malocht. Bei vielen geht es auf die Gesundheit. Schonarbeitsplätze gibt es nicht. Da wollen sie wenigstens mehr Geld haben.“
In Bielefeld steht am 17. Februar die nächste Verhandlung an. Die Beschäftigten hoffen, dass die Arbeitgeberinnen sich diesmal bewegen und ein Angebot vorlegen.