Die erste Tarifverhandlung zwischen IG Metall und Arbeitgebern in den Textilen Diensten endet ohne Ergebnis. Auf das Angebot der Arbeitgeber antwortet die Verhandlungsführerin der IG Metall Miriam Bürger: „Die Kolleginnen und Kollegen wollen, dass schnell etwas in ihren Geldbeuteln passiert. Das Angebot ist meilenweit von dem entfernt, was wir fordern.“
Die IG Metall fordert für die Beschäftigten in den Textilen Diensten 8 Prozent mehr Geld, aber mindestens 300 Euro, um die unteren Einkommen besonders zu entlasten. Die Einkommen in Ostdeutschland sollen an das Niveau im Westen angeglichen sowie die Altersteilzeit fortgeführt und verbessert werden. Der Tarifvertrag Kurzarbeit soll dauerhaft fortgeführt werden.
Auf die Forderungen der IG Metall antworten die Arbeitgeber mit einem unzureichenden Angebot: Keine Fortführung der Altersteilzeit, keine Angleichung Ost an West, Tabellenerhöhungen zu spät und zu niedrig, keine Weiterführung der Altersteilzeit und zu lange Laufzeit.
Die Arbeitgeberseite bietet Entgelterhöhungen in zwei Stufen (3,75 Prozent ab dem 01. Januar 2024 und ein Jahr später 2,5 Prozent) sowie eine schrittweise Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 146 Euro monatlich bis Ende des Jahres. Die Laufzeit soll 27 Monate betragen. Zwar bieten die Arbeitgeber Mindestbeträge bei den Entgelterhöhungen an, diese liegen aber deutlich unter den geforderten 300 Euro. Die Aufzahlung des Kurzarbeitergeldes soll erhalten bleiben.
Wirtschaftlich steht die Branche stabil da – die Auftragslage sieht positiv aus. Die Textilen Dienste sind wirtschaftlich neben dem Hotel- und Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen stark von dem verarbeitenden Gewerbe abhängig. Die Geschäftserwartungen in der Industrie sind optimistisch, davon profitieren auch die Textilen Dienstleister durch neue Kunden und erhöhte Trägerzahlen. Der Wäscheverbrauch in der Pflege und den Krankenhäusern wächst kontinuierlich.
Von der guten Ausgangslage merken die Beschäftigten wenig. Die immens gestiegene Teuerungsrate führt aktuell zu einem Reallohnverlust der Beschäftigten. Über 40 Prozent der Beschäftigten in den Textilen Diensten verdienen nur knapp über dem Mindestlohn. „Das passt nicht zu dem aktuellen Arbeits- und Fachkräftemangel. Wir sind in unserer Branche nicht mehr konkurrenzfähig“, sagt Miriam Bürger.
Dass das Angebot weit von den Vorstellungen der Beschäftigten entfernt liegt, machten auch die beteiligten Verhandlungskommissionsmitglieder aus den Betrieben deutlich. „Die Inflationsausgleichsprämie, die einige wenige Betriebe gezahlt haben, ist verpufft. Deshalb brauchen wir jetzt eine prozentuale Erhöhung, mit der die Arbeitnehmer die Preissteigerungen umgehend besser stemmen können“, sagt Silke Kübeck, Betriebsrätin bei CWS Workwear Heidenheim.
Aufgrund der starken finanziellen Belastung spielt ein Viertel der Beschäftigten mit dem Gedanken, sich nach einem besser bezahlten Arbeitsplatz und in einer anderen Branche umzuschauen, wie eine Umfrage der IG Metall in den Betrieben gezeigt hat. Das erlebt auch Silke Kübeck. „Die Ankündigungen von Arbeitnehmern sich einen zweiten Arbeitsplatz zu suchen oder tatsächlich einen besser bezahlten Arbeitsplatz anzunehmen ist oft im Gespräch und sehr ernst gemeint. Dem müssen wir mit dieser Tarifbewegung entgegenwirken.“
Ein weiteres Thema, dass in den Betrieben viele bewegt, ist die Altersteilzeit – die wollen die Arbeitgeber laut ihres Angebots gar nicht weiterführen. „Bei uns ist der Altersdurchschnitt sehr hoch”, sagt Jürgen Meyer, Betriebsrat bei Bardusch Siedenburg. „Die derzeitigen Altersteilzeitplätze reichen bei uns vorne und hinten nicht. Der Bedarf ist so groß, dass überhaupt nur ein Bruchteil der Bewerber einen Platz bekommen kann. Die meisten sind von der Arbeit körperlich so beansprucht, dass die Altersteilzeit für sie die einzige Möglichkeit ist, ohne hohe Abschläge gesund in Rente zu gehen und so der Altersarmut zu entgehen.“
33 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die Wut unter den Beschäftigten groß. Im Osten sind die Stundenentgelte um rund 40 Cent niedriger als im Westen. „Das ganze Angebot ist unterirdisch. Keine echte Angleichung von Ost an West, nur kleine Heranführungsschritte während einer Laufzeit von über zwei Jahren. Wir sehen es nicht mehr ein, die Unterschiede länger hinzunehmen“, so Verhandlungskommissionsmitglied der IG Metall, Michael Jacob.
„Die Branche bleibt nur zukunftsfähig, wenn sich etwas in den Geldbeuteln der Beschäftigten ändert – und das dauerhaft. Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sind kampfbereit, sollten unsere Forderungen nicht erfüllt werden“, so Verhandlungsführerin Miriam Bürger. Die Tarifverträge laufen am 31. Mai 2023 aus. Am 30. Mai ist der zweite Verhandlungstermin angesetzt. In der Nacht zum 1. Juni endet die Friedenspflicht – ab dann sind Warnstreiks möglich.