Jörg Hofmann: Das ist die übliche Klage wie vor jeder Tarifrunde. Tatsächlich ist unser Forderungspaket absolut angemessen und für die Firmen bezahlbar. Bei der Entgeltforderung stützen wir uns auf die ökonomischen Basisdaten und die geben uns Recht. Die Wirtschaftsexperten erwarten ein stabiles Wachstum und die Betriebe machen im Durchschnitt gute bis sehr gute Gewinne. Allein die börsennotierten Unternehmen steigerten ihren Gewinn bis September um neun Prozent auf fast 83 Milliarden Euro. Besonders die Autohersteller legten kräftigt zu. Da ist es nur richtig, die Beschäftigten an dem von ihnen erwirtschafteten Wohlstand fair zu beteiligen. Es gibt also keinen Grund zur Lohnzurückhaltung, sondern allen Grund, bei unserer bewährten verlässlichen Lohnpolitik zu bleiben.
Dass wir uns nicht an Zahlen orientieren, die uns aktuell am besten in den Kram passen, sondern an festen, nachvollziehbaren Größen: erstens an der mittelfristigen Produktivitätsentwicklung in der Gesamtwirtschaft und zweitens an der – von aktuellen Schwankungen unabhängigen – Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank. Diese Grunddaten ergeben mit der Umverteilungskomponente, die wir für gerecht und angemessen halten, 5,5 Prozent.
Weil sich die einzelnen Branchen der Metall- und Elektroindustrie sehr unterschiedlich entwickeln. Wir nehmen nicht die wirtschaftlich Erfolgreichsten zum Maßstab, aber auch nicht die Schwächsten. Uns geht es um Ergebnisse, die für alle akzeptabel sind. Wir wollen eine gemeinsame solidarische Tarifpolitik.
Das können sie doch. Über zusätzliche Leistungen. Aber Tarifentgelte sind Mindestbedingungen und daher ist eine Differenzierung in der prozentualen Erhöhung für uns nicht vorstellbar. Abweichungen von den Tarifverträgen nach unten geht nur mit den Tarifvertragsparteien, soweit damit Beschäftigung gesichert wird. Ich sehe nicht, dass wir hierzu weitere Spielregeln brauchen.
Die beiden Themen sind uns genauso wichtig wie höhere Einkommen. Dieses Dreierpaket wird nicht aufgeschnürt. Wir brauchen in der Tarifrunde 2015 zu allen drei Elementen Ergebnisse.
Wer gehen darf und wer nicht – das wollen zukünftig die Arbeitgeber nach alter Gutsherrenart allein entscheiden. Sie sagen sogar: Warum soll denn einer gehen, der noch gesund ist? Sie wollen nur diejenigen gehen lassen, die sie loswerden wollen. Und deren Altersteilzeit sollen dann auch noch die Beschäftigten insgesamt bezahlen, indem sie auf Teile der Lohnerhöhungen verzichten. Das ist mit der IG Metall nicht zu machen.
Wir wollen verbindliche Ansprüche. Und individuelle Wahlmöglichkeiten. Der eine möchte vielleicht zum frühestmöglichen Rentenbeginn ausscheiden, der andere erst mit der Rente ohne Abschläge. Die eine will erst Vollzeit arbeiten und dann in die Freistellung gehen und die andere die Arbeitszeit allmählich verringern. Es sollte möglich sein, dass jeder seine Altersteilzeit so gestaltet, dass sie optimal zu seiner Lebensplanung passt. Außerdem wollen wir eine soziale Komponente erreichen: Die Aufstockung des Entgelts soll nach Einkommen gestaffelt werden. Bei Beschäftigten mit geringem Verdienst soll das Entgelt höher aufgestockt werden, damit auch sie sich Altersteilzeit leisten können.
Daran glauben sie doch selber nicht. Ihnen geht es darum, auf diesem Spielfeld allein spielen zu können, genauso wie bei der Altersteilzeit. Fakt ist aber: Sie tun zu wenig. Im Berufsbildungsbericht von 2014 wird festgestellt, dass die Teilnahmequoten an beruflicher Weiterbildung auf dem Stand von 1997 stehen geblieben sind. Die Metallbranchen erzielen rund eine Billion Euro Jahresumsatz, investieren aber nur vier Milliarden Euro in die Weiterbildung, das sind – bezogen auf den Jahresumsatz – 0,4 Prozent. Von zehn Euro, die die Firmen in Menschen und Maschinen investieren, entfällt weniger als ein Euro auf Weiterbildung. Und dabei geht es meist um Qualifizierung, die unmittelbar dem Unternehmen nutzt. Ganze zehn Cent davon fließen in längerfristige berufliche Bildung. Und sie entscheiden selektiv. Und in den Genuss von Weiterbildung kommen vor allem diejenigen, die schon hoch qualifiziert sind, An- und Ungelernte fallen in der Regel durch den Rost.
Bildung sichert Teilhabechancen. Sie entscheidet über Einkommen und über sichere Arbeit in der Zukunft. Der technologische Wandel, der unter dem Stichwort Industrie 4.0 diskutiert wird, wird bis zu 48 Prozent der bisherigen Tätigkeiten überflüssig machen. Sie werden durch neue und andere Arbeitsinhalte ersetzt werden. Wer heute in den Beruf einsteigt, muss damit rechnen, dass ihn das trifft. An- und ungelernte Beschäftigte ganz besonders. Aber nicht nur. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich auf die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen vorbereiten und berufliche Qualifikationen entwickeln, die auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft gefragt werden. Nicht das kurzfristige Verwertungsinteresse des Arbeitgebers, sondern nachhaltige beruflichen Bildung über das gesamte Arbeitsleben stehen dabei im Mittelpunkt.
Doch, natürlich. Angesichts der demografischen Entwicklung und technologischer Veränderungen ist eine solche Weiterbildung auch im Interesse der Arbeitgeber. Sie sichert ihnen die Fachkräfte, die sie künftig dringend brauchen. Die Arbeitgeber könnten mit einem guten Tarifabschluss zur Bildungsteilzeit zeigen, dass sie nicht nur jammern wollen, sondern dem Mangel an Fachkräften ernsthaft begegnen wollen. Ihre Bockigkeit ist reine Machtpolitik, die leider sowohl zulasten der Firmen als auch der Beschäftigten geht.