Das Namensschild neben seiner Bürotür im 12. Stock der Konzernzentrale in Essen ist leer: Dort stand bis vor kurzem „Ulrich Lehner“, der Name seines Vorgängers. Am 1. August hat Markus Grolms, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, dessen Aufgaben mit übernommen. Er hätte sich gewünscht, „dass es nicht dazu kommt“.
Aber Lehner, 72, hatte am 16. Juli überraschend hingeschmissen, weil er den vollständigen Rückhalt im Aufsichtsrat vermisste. Am 5. Juli hatte Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger das Handtuch geworfen. Dessen Aufgaben hat Finanzvorstand Guido Kerkhoff mit übernommen. Lehners Abgang findet Grolms „noch enttäuschender“ als den von Hiesinger. Die Konzernspitze sei für weltweit 160 000 Beschäftigte verantwortlich, „wir haben Probleme zu lösen, der Laden muss funktionieren“. So sorgen sich beispielsweise die Beschäftigten im Schiffbau und bei Industrial Solutions erheblich. Sie wollen nachhaltig gute Perspektiven für ihre Arbeitsplätze. „Darum müssen sich alle Verantwortlichen konsequent kümmern“, sagt Grolms.
Er ist mit der Übernahme von Lehners Aufgaben zugleich Vorsitzender des Präsidiums von Thyssen-Krupp, des Personalausschusses und des Ausschusses für Strategie, Finanzen und Investitionen. „Wir spielen hier nicht Kasperle-Theater“, sagt er, „wir geben weiter Gas!“ Grolms hat alle Rechte und Pflichten eines Aufsichtsratsvorsitzenden ― bis auf eine Ausnahme: „Ich kann nicht das Doppelstimmrecht ziehen.“
Priorität hat aktuell die Nachfolge für Lehner und Hiesinger. Die Anteilseigner müssen Vorschläge machen. Seit Mitte August sprechen Personalberater diskret mit möglichen Kandidatinnen und Kandidaten. Zuerst soll der Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden besetzt werden. Welche Bedingungen muss der Kandidat erfüllen? Grolms nennt drei: Er oder sie müsse „respektieren, dass wir ein mitbestimmtes Unternehmen sind“, „integrieren statt polarisieren“ und sehr viel von „Industrie verstehen“.
Respekt gegenüber den Beschäftigten und der Mitbestimmung erwartet der Metaller auch von den Aktionären. Ursula Gather, die Vorsitzende der Krupp-Stiftung, die 21 Prozent der Aktien hält, hat versichert, dass sie nichts unternehme, was den Interessen der Beschäftigten zuwider laufe. Sogar der umstrittene Investor Cevian, der 18 Prozent hält, ließ verlauten, dass „die berechtigten Interessen der Thyssen-Krupp-Arbeitnehmer umfassend berücksichtigt werden“ müssten. Diese Aussage von Cevian ist laut Grolms „die Grundlage dafür, wieder über Sachfragen zu diskutieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten“.
Die Stärke der IG Metall bei Thyssen-Krupp hat einen einfachen Grund: Die meisten Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert. „Gegen die Beschäftigten“, sagt Grolms, „können hier keine Probleme gelöst werden.“