Die Arbeitslosenquote lag im Juli bei gerade mal 5,1 Prozent ― der niedrigste Juli-Wert seit 1980. Und Arbeitskräfte werden knapp. Mehr als 1,2 Millionen Stellen sind unbesetzt. Der höchste Wert seit Beginn der Statistik der Bundesagentur für Arbeit. „Der deutsche Arbeitsmarkt boomt. Und das wird sich in naher Zukunft auch nicht ändern“, erklärt der Chef der Bundesagentur Scheele.
Eine Betriebsräte-Umfrage der IG Metall Baden-Württemberg bestätigt dieses Bild: Rund zwei Drittel der befragten Betriebsräte schätzen die wirtschaftliche Lage als gut oder sogar sehr gut ein. Und sie erwarten eine Fortsetzung der Hochkonjunktur. Die Auftragsbücher sind voll.
Allerdings: Trotz des anhaltenden Booms und der knappen Arbeitskräfte setzen die Unternehmen verstärkt auf Leiharbeit. Die Anzahl der Leiharbeiter hat sich von 2016 auf 2017 erneut um 4,1 Prozent erhöht ― und damit stärker als die Beschäftigung insgesamt ― auf über eine Million.
Auch die strengeren gesetzlichen Regeln, die letztes Jahr im April in Kraft treten, haben am Trend zur Leiharbeit nur wenig geändert. Zwar gelten seitdem feste Fristen, laut denen Leiharbeiterinnen nach neun Monaten den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte erhalten und höchstens 18 Monate im gleichen Betrieb eingesetzt werden dürfen. Allerdings ist nur rund ein Viertel der Leiharbeiter davon betroffen. Der Rest wird bereits vor Ablauf der neun Monate abgemeldet ― oder gleich entlassen: Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in der Leiharbeitsbranchen beträgt laut Zahlend er Bundesagentur gerade einmal zehn Monate. Nur ein kleiner Teil der Leiharbeiterinnen wird tatsächlich beim Kundenbetrieb übernommen. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist für Leiharbeiter fünfmal höher als für andere Beschäftige.
Ein wesentlicher Grund für den überproportionalen Anstieg der Leiharbeit: Statt zur Abdeckung von Produktionsspitzen, für die sie ursprünglich gedacht war, wird Leiharbeit immer mehr zur Abdeckung der normalen Geschäftstätigkeit eingesetzt. Das zeigt unsere Betriebsrätebefragung aus Baden-Württemberg. Dazu kommt, dass jeder sechste Betrieb die Fremdvergabe von Arbeit über sogenannte Werkverträge ausgeweitet hat.
„Auf Leiharbeit lässt sich keine kluge Unternehmensstrategie aufbauen. Die Arbeitgeber sollten sich insbesondere in guten wirtschaftlichen Zeiten auf nachhaltigere Personalstrategien konzentrieren und mehr Beschäftigte fest einstellen“, kritisiert Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg ― und mach klar: „Die beste Leiharbeit ist die, die gar nicht stattfindet. Wenn das nicht gelingt, geht es ums Begrenzen und Gestalten. Gute Arbeit statt Leiharbeit ist unser Auftrag.“
Wir wollen den Missbrauch der Leiharbeit verstärkt angehen. Das hat unser Vorstand beschlossen. Bereits in den letzten Jahren haben wir und die Betriebsräte zahlreiche Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgesetzt, die Leiharbeit begrenzen, sowie Bezahlung, Arbeitsbedingungen und Chancen auf Übernahme für Leiharbeiter verbessern.
In der Metall- und Elektroindustrie etwa schreiben Tarifverträge vor, dass Leiharbeiter nicht auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden dürfen und sie nach 24 Monaten ein Übernahmeangebot erhalten müssen. Laut Gesetz hingegen kann die Arbeitgeberin den Leiharbeiter nach 18 Monaten einfach gegen einen anderen austauschen und in einen anderen Entleihbetrieb versetzen ― wie in einer Drehtür. Zudem erhalten Leiharbeiterinnen laut Tarifvertrag nicht erst nach neun Monaten sondern bereits nach sechs Wochen Einsatz mehr Geld, in Form tariflicher Branchenzuschläge, die mit der Zeit weiter ansteigen. Davon profitiert die große Mehrzahl der in unseren den Industriebranchen eingesetzten Leiharbeiter.
Um dem Missbrauch der Leiharbeit in den Betrieben noch entschiedener entgegenzutreten, starten wir eine neue Kampagne. Neben der Leiharbeit nehmen wir dabei auch die Fremdvergabe von Arbeit über Werkverträge und die Arbeitsbedingungen bei den sogenannten „Industrienahen Dienstleistern“ in den Fokus. Das Motto der neuen Kampagne: „Gute Arbeit für alle“.