UN-Klimakonferenz in Paris
Das bedeutet der Klimawandel für deutsche Arbeitsplätze

Der Kampf gegen den Klimawandel muss nicht mit Jobverlusten verbunden sein. Im Gegenteil: Richtig gemanagt kann er zu einem echten Jobmotor werden – gerade für die deutsche Industrie.

3. Dezember 20153. 12. 2015


Die Sache lässt sich auf zweierlei Arten erzählen. Beginnen wir mit der weniger erbaulichen: Der Klimawandel schreitet voran. Der Menschheit drohen Dürre, Überschwemmungen, Artensterben. Um das Schlimmste zu verhindern, ist Verzicht angesagt, Kraftwerke und Industrieanlagen müssen stillgelegt werden. So sehen es die Pessimisten.

Wenn Wolfgang Lemb über den Klimawandel spricht, klingt es anders. Als geschäftsführendes Vorstandsmitglied ist Lemb bei der IG Metall für Industrie- und Klimapolitik zuständig. Er sagt: „Green-Tech ist ein Beschäftigungsmotor.“ Und er sagt: „Die IG Metall hat eine klimapolitische Verantwortung. Wir beeinflussen die Produktionsprozesse in den Betrieben und damit auch die Emissionen.“

Beim Klimagipfel in Paris wollen die Gewerkschaften zeigen, wie der nötige Strukturwandel in der Industrie ablaufen kann ― ohne dass zahlreiche Menschen ihre Existenz verlieren. „Klimawandel und die Folgen für die Beschäftigung“, heißt das Forum, das die IG Metall zusammen mit DGB, IG Bau und Verdi organsiert hat.

Klar ist: Der notwendige Transformationsprozess der Industrie kann für bestimmte Arbeitsplätze das Aus bedeuten. Wenn Autobauer in Zukunft immer mehr Elektroautos produzieren, dann wird die Produktion von Kolbenmotoren herunter gefahren.

Dass dieser Umbau fair und sozial abläuft, wird für die Akzeptanz der Energiewende entscheidend sein. Um im Beispiel zu bleiben: Die Beschäftigten, die bisher Kolbenmotoren hergestellt haben, dürfen nicht einfach entlassen werden. Idealerweise schulen sie um und bauen fortan Elektromotoren. Letztlich werden ihre Arbeitsplätze dadurch sicherer. Zunächst braucht es aber Investitionen, Fortbildung und Qualifizierung.

 

Welche Branchen werden besonders betroffen sein?

 

Ein aktueller Report von Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und klimafakten.de hat analysiert, wie sich der Klimawandel auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Zentrale Ergebnisse: Die Branchen Wind- und Solarenergie profitieren und werden viele Arbeitsplätze schaffen. In der konventionellen Energieerzeugung (vor allem Kohle) werden Arbeitsplätze verloren gehen.

„Wie die Beschäftigungseffekte dieser beiden gegenläufigen Entwicklungen unterm Strich aussehen werden, ist unklar“, heißt es in dem Report. „Einige Studien sagen eine Netto-Zunahme an Arbeitsplätzen voraus, andere sehen eine gleichbleibende oder gar negative Jobbilanz.“ In jedem Fall, so die Autoren, bräuchten die Staaten „Strategien zur Qualifizierung der Arbeitskräfte.“ Der Grund: Die neu entstehenden Arbeitsplätze erfordern neue Fertigkeiten: im Maschinen- und Anlagenbau, bei Installation und Wartung, in der Beratung.

Bereits heute arbeiten rund 1,5 Millionen Menschen im Bereich „Green Tech“. Einer der größten Beschäftigungsmotoren ist der Windkraftanlagenbau. Weltweit wächst die installierte Leistung in rasantem Tempo.

 

Märkte der Zukunft

 

Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), zieht aus solchen Daten den Schluss: „Wer jetzt Investitionen in neue Technologien tätigt, kann die Märkte der Zukunft bedienen“. Die Unternehmen sollten ihre Chancen in den neuen Bereichen erkennen und nutzen und nicht defensiv agieren. Dabei sei aber auch die Politik gefordert: „Wir brauchen klare Rahmenbedingungen“, sagt der Experte. „Ohne verlässlichen Rahmen werden in vielen Bereichen keine Investitionen stattfinden.“ Weltweit verlässliche, transparente und nachprüfbare Rahmenbedingungen ― diese Forderung soll der Klimagipfel in Paris endlich einlösen. Damit wäre auch die Gefahr gebannt, dass energieintensiven Branchen ihre Produktion verlagern, zum Beispiel die oft kritisierte Aluminiumindustrie.

„Wenn Aluminiumproduktion lediglich in einem anderen Teil der Welt produziert wird – höchstwahrscheinlich unter schlechteren Umweltstandards als in Deutschland, wäre der Effekt für den Klimaschutz im besten Fall gleich null“, sagt Angelika Thomas, die für die IG am Pariser Klimagipfel teilnimmt. „Oder er wäre sogar negativ, weil die ständige Effizienzsteigerung, die in der deutschen Industrie stattfindet, entfällt.“

Damit wäre dann nur den Pessimisten geholfen.

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