Massig Überstunden, kurzfristig angekündigt, für wenig Geld. Das war vor zwei Jahren noch normal bei Bavaria Yachtbau in Giebelstadt bei Würzburg.
Seit anderthalb Jahren gilt bei Bavaria Yachtbau ein Manteltarifvertrag mit der IG Metall, der Arbeitszeiten regelt. Außerdem wurde zum ersten Mal eine Anhebung der Löhne und Gehälter vereinbart. Bis April 2016 soll zum ersten Mal überhaupt ein Tarifvertrag über Löhne abgeschlossen werden.
Als einige mutige Beschäftigte 2009 den IG Metall-Vertrauenskörper bei Bavaria gründeten, sah es noch gar nicht danach aus. Die Vertrauensleute bekamen mächtig Gegenwind von der Geschäftsleitung. Ein Anti-IG Metall-T-Shirt machte im Betrieb die Runde.
Doch sie stemmten sich dagegen, verweigerten Überstunden und starteten Aktionen – etwa ein „Arme-Leute-Essen“ vor den Werkstoren, um gegen die schlechten Löhne zu protestieren. Immer mehr Beschäftigte traten in die IG Metall ein. Nach Warnstreiks und Demonstrationen vor dem Werkstor musste die alte Geschäftsführung ihren Hut nehmen. Die neue Geschäftsführung verhandelte schließlich mit der IG Metall über den neuen Tarifvertrag.
Dabei ist Bavaria eben kein Riesen-Unternehmen mit langer gewerkschaftlicher Tradition, sondern ein mittelständischer Betrieb mit knapp 500 Beschäftigten, in dem es bis vor knapp sechs Jahren keinerlei gewerkschaftliche Strukturen und keinerlei Mitsprache für die Beschäftigten gab. IG Metall-Vertrauensleute, aktive engagierte IG Metall-Mitglieder im Betrieb, bewegen eben nicht nur etwas bei VW, Mercedes oder Thyssen-Krupp. Sondern auch in kleineren Betrieben.
Ein solcher Betrieb ist das Werk des Pumpenherstellers Sulzer in Lohmar bei Bonn. Neben dem Betriebsrat gibt es hier 15 IG Metall-Vertrauensleute, bei gerade mal 200 Beschäftigten. Rechnerisch sind also fast acht Prozent der Belegschaft aktiv dabei. Und das hat sich extrem gelohnt. Die Belegschaft von Sulzer Pumpen, die in der Region auch scherzhaft in Anlehnung an die „Asterix“-Comics das „kleine gallische Dorf“ genannt wird, hat es in den letzten Jahren geschafft, mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen ihre Schließung und Massenentlassungen zu verhindern und ihre Ausbildung zu erhalten.
Der Betriebsrat brachte schließlich die gesamte Belegschaft gemeinsam mit der Geschäftsleitung in Workshops an einen Tisch, um ein Konzept für die Zukunft ihres Standorts zu erarbeiten – vorbereitet durch die Vertrauensleute.
„Wir sind gut organisiert. Wir haben 15 Vertrauensleute, die Infos weitertragen und mit Kollegen diskutieren, die an Lösungen mitarbeiten und auch mal widersprechen“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende und Vertrauensmann Christophe Hassenforder. „Wir wissen immer, was im Betrieb los ist und was die Belegschaft will. Das weiß auch die Geschäftsleitung.“
Vertrauensleute stärken die IG Metall im Betrieb und den Betriebsrat. Weil sie nah dran sind an ihren Kollegen am Arbeitsplatz, sie informieren und ihre Meinung weitertragen. Dadurch sind die Beschäftigten direkter beteiligt, an Aktionen und an Lösungen. Das zeigt sich auch bei den Preisträgern des diesjährigen Betriebsrätepreises: Hinter einem guten Betriebsrat steht zumeist auch ein guter Vertrauenskörper mit informierten und engagierten Vertrauensleuten.
Bei VW in Salzgitter, dem Träger des Betriebsrätepreises 2015 in Gold, haben Vertrauensleute den Austausch von Informationen zwischen dem Betriebsrat und den rund 600 Beschäftigten in der Motorenfertigung verlässlich sichergestellt. Damit haben sie entscheidend dazu beigetragen, dass das Projekt, die Einrichtung einer ergonomischen Montagelinie unter Beteiligung der Belegschaft, funktioniert hat.
Und auch beim Träger des Betriebsräte-Sonderpreises „Beschäftigungssicherung“, dem Betriebsrat von Bosch Rexroth in Schweinfurt, haben Vertrauensleute eine entscheidende Rolle gespielt. Der Betriebsrat konzipierte gemeinsam mit Beschäftigten eine neue Vertriebsstruktur, die den Auftragsrückgang stoppte und damit langfristig Arbeitsplätze sichert. Das war möglich, weil der Betriebsrat Vertrauensleute an seiner Seite hat, die Missstände und Lösungsideen aus allen Bereichen zusammengetragen haben. Und die die Beschäftigten für Aktionen mobilisierten, um das neue Vertriebskonzept durchzusetzen.