Eine solche Befragung hat noch niemand durchgeführt: 680 000 Menschen aus rund 7000 Betrieben beteiligen sich im Frühjahr an der Beschäftigtenbefragung der IG Metall. Die Umfrage ist die größte und umfangreichste in Deutschland. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Beschäftigten wollen eine soziale Arbeitswelt. Sie wollen, dass die Politik ihnen Sicherheit gibt. Sie wollen Entwicklungschancen und ein selbstbestimmtes Leben. 96 Prozent der Befragten sprachen sich zum Beispiel dafür aus, dass das Arbeitszeitgesetz der Arbeit auch in Zukunft Grenzen setzt. Sie wollen, dass sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden und dass die Tarifbindung per Gesetz gestärkt wird.
Übrigens: Für jeden ausgefüllten Fragebogen hat die IG Metall einen Euro für wohltätige Zwecke gespendet.
Zum 1. April 2017 tritt die zweite Stufe des Tarifabschlusses Metall und Elektro von 2016 in Kraft. Die Beschäftigten der Branche erhalten seitdem zwei Prozent mehr Geld, zusätzlich zu den 2,8 Prozent vom Juli 2016.
Im April tritt ein neuer Tarifvertrag für Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie in Kraft. Leiharbeiter in der Branche erhalten bereits nach sechs Wochen Einsatz mehr Geld, in Form von Branchenzuschlägen. Neu ist die sechste Stufe der Zuschläge, die Leihbeschäftigten ein Entgelt auf Niveau des Metalltarifs sichert. Außerdem gibt es Übernahmeverpflichtungen. Und der Tarifvertrag schreibt fest, dass Leiharbeitnehmer nicht auf dauerhaften Arbeitsplätzen eingesetzt werden dürfen. Der Tarifvertrag wird in der Öffentlichkeit teilweise kritisiert. Tatsächlich bringt er Leiharbeitern aber viele konkrete Verbesserung ― und vor allem Verlässlichkeit. Denn die gesetzlichen Regelungen bringen im Arbeitsalltag wenig: Jeder Leiharbeitnehmer müsste sie einklagen.
Betriebsräte und Vertrauensleute aus der ganzen Republik kommen im Juni in Mannheim zusammen, um über das Thema Arbeitszeit zu diskutieren. Grundlage der Debatte ist die Beschäftigtenbefragung. Sie hatte klar ergeben: Die große Mehrheit der Beschäftigten will Arbeitszeiten, die verlässlich sind, die genug Zeit für das Leben neben der Arbeit lassen und über die man selbst bestimmen kann. „Arbeitszeiten müssen zum Leben passen. Wir wollen, dass dies für alle möglich ist“, sagt der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Die Haltung der Arbeitgeber kritisiert er: Deren Konzept aus „Vollzeit plus Überstunden plus Leistungsverdichtung plus Flexibilität“ habe ausgedient.
Bei der Bundestagswahl im September geht es für Arbeitnehmer um viel: Wird das Arbeitszeitgesetz angetastet? Wird die Rente endlich gestärkt? Gibt es Entwicklungschancen für alle in einer digitalen Wirtschaft? Die IG Metall ruft alle Beschäftigten auf: Geht wählen! Und sie schaut sich die Wahlprogramme der Parteien genau an. Dabei wird klar: Wenn es um Arbeitnehmerfreundlichkeit geht, gibt es deutliche Unterschiede. Manche Parteien greifen gewerkschaftliche Forderungen und Ideen auf. Bei anderen heißt es meistens: „Fehlanzeige“.
Nach der Wahl sagt Jörg Hofmann: „Die größte Sorge der Wählerinnen und Wähler ist die Spaltung der Gesellschaft. Wir brauchen eine tragfähige Politik für alle. Dies wird die IG Metall von der neuen Bundesregierung einfordern.“
Die Arbeitszeit-Debatte mündet im Herbst in die Tarifforderung für die Metall- und Elektroindustrie. Nach gründlichen Diskussionen in den Bezirken präsentiert der IG Metall-Vorstand im Oktober das Forderungspaket. Die Eckpunkte sind: Sechs Prozent mehr Geld und eine Wahloption, die Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren. Dieses Recht sollen alle Beschäftigten der Branche haben. Danach sollen sie das Recht haben, wieder Vollzeit zu arbeiten. Wer die Arbeitszeit reduziert, um Kinder unter 14 Jahren im Haushalt zu betreuen oder Familienangehörige zu pflegen, soll vom Arbeitgeber einen Zuschuss erhalten. Ebenso Beschäftigte in Schichtarbeit oder anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitmodellen. „Damit wird auch für weniger gut Verdienende die Arbeitszeitreduzierung eine reale Option“, sagt Jörg Hofmann. Seit dem 15. November wird über die Forderungen verhandelt.
Sie haben vom deutschen Wirtschaftsmodell profitiert. Doch nun kündigen sie diesen sozialen Kompromiss einseitig auf. Ob Siemens, ThyssenKrupp oder General Electric: Reihenweise planen Konzerne massiven Stellenabbau ― trotz Milliardengewinnen. Dagegen organisieren Metallerinnen und Metaller Widerstand. In Görlitz, in Leipzig, in Andernach, in Berlin gehen tausende für ihre Arbeitsplätze auf die Straße. Auch die Bundesregierung schaltet sich daraufhin ein, bittet Manager zum Gespräch. Für die IG Metall ist klar: Stellen-Kahlschlag wird nicht akzeptiert.