Rund zehn Milliarden Euro sind im Koalitionsvertrag für Bildungsthemen vorgesehen. Auch in der beruflichen Bildung sollen Maßnahmen angegangen werden, wie etwa das Berufsbildungsgesetz (BBiG), das novelliert werden soll. Oder eine Mindestausbildungsvergütung, die kommen soll. Zudem sollen Berufsschulen fit gemacht werden für die Digitalisierung und einiges mehr.
Hans-Jürgen Urban: Der Koalitionsvertrag greift eine Anzahl gewerkschaftlicher Forderungen auf und das ist gut so. Die in Aussicht gestellte Reform des Berufsbildungsgesetzes oder die Verbesserung bei der Förderung der Fortbildung – dem sogenannten Meister-BaföG – bieten Anknüpfungspunkte für dringend notwendige Verbesserungen im Feld der Aus- und Fortbildung. So wird es etwa höchste Zeit, dass berufliche Fortbildungen auf allen Ebene gefördert werden oder das im BBiG Qualitätsstandards für die Praxisphasen des dualen Studiums verankert werden. Auch das Ehrenamt im Prüfungswesen muss mit einer wirksamen Freistellungsregelung gestärkt wird.
Der Koalitionsvertrag enthält allerdings auch Punkte, die hinter den Erwartungen zurück bleiben, beispielsweise ist wohl am Widerstand der Union eine Stärkung des Initiativrechts für Betriebsräte in der Weiterbildung gescheitert. Das ist ärgerlich, denn hier ginge es gerade auch darum, für bildungsfernere Kolleginnen und Kollegen die Initiative zu ergreifen. Bei vielen bildungspolitischen Aspekten im Koalitionsvertrag wird es allerdings auf die Umsetzung ankommen, es gibt Chancen, aber auch Risiken. Gut ist, dass die Finanzierung der Bildung deutlich verbessert werden soll, rund zehn Milliarden Euro. Dennoch wird der Bund hier nachlegen müssen, um sämtliche Vorschläge konsequent zu finanzieren.
Die Digitalisierung ist eine bedeutende Herausforderung gerade auch für die berufliche Bildung. Wir gehen diese an und haben gerade die Metall- und Elektroberufe gemeinsam mit der Arbeitgeberseite angepasst. Diese Veränderungen werden nun in die Ausbildungsbetriebe gebracht. Das betriebliche Ausbildungspersonal hat dabei eine Schlüsselrolle. Ausbilderinnen und Ausbilder müssen neben technischen Neuerungen, wie den 3D-Druck auch methodisch-didaktische Konzepte entwickeln, um interdisziplinäre Zusammenarbeit und Systemverständnis zu fördern.
Außerdem müssen die Berufsschulen als dualer Partner in der Ausbildung fit gemacht werden. Die IG Metall hat hierzu bereits im letzten Jahr neun Vorschläge an die Landes- und Bundespolitik adressiert. Die angekündigten fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt sind gut, aber hier wird wohl nachgelegt werden müssen. Die Mittel wurden auch bereits in der letzten Legislaturperiode von der ehemaligen Bildungsministerin Wanka versprochen. Experten der KfW u.a. halten einen Sanierungsstau von 34 Milliarden Euro bei Gebäuden und Ausstattung von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen für realistisch. Die bereitgestellten Mittel sind also knapp bemessen und gehen nicht über das bereits Angekündigte hinaus. Das wird wohl nicht ausreichen.
Durch die Neufassung des Artikel 104 c Grundgesetz wird das Kooperationsverbot tatsächlich nur gelockert. Positiv ist, der Bund darf dann wieder flächendeckend in Bildungsinfrastruktur investieren. Damit würden Investitionen in die digitale Ausstattung von Schulen sowie die deutlich stärkere Förderung der beruflichen Schulen endlich wieder rechtssicher möglich.
Wir brauchen aber eine weitergehende Bildungsreformdebatte in Deutschland. Eine Chance hierfür sehe ich im Vorhaben eines Nationalen Bildungsrat. Erstmals seit 1975 soll wieder ein Gremium geschaffen werden, das in der Lage ist, eine gemeinsame Bildungsstrategie zu entwickeln. Hier sollten die Gewerkschaften Sitz und Stimme für sich beanspruchen. Es wird darum gehen, die Teilhabe und Chancen auf Bildung für alle Menschen zu verbessern. Unser selektives Bildungssystem erzeugt zu viele Bildungsverlierer: In der Schule, der Ausbildung und selbst an den Hochschulen. Die Abbruchquoten in den Bildungsgängen sind viel zu hoch, es gibt eine steigende Anzahl junger Menschen ohne Berufsabschluss, um nur einige Aspekte zu nennen.
Die Allianz für Aus- und Weiterbildung ist kein gewerkschaftliches Wunschkonzert. Wir ringen dort mit Arbeitgebern, Bund- und Ländern um Lösungsansätze. Gemeinsam haben wir die Fördermöglichkeiten „Assistierte Ausbildung“ und „ausbildungsbegleitende Hilfen“ geschaffen beziehungsweise erweitert. Damit erhalten mehr Betriebe die Möglichkeit, Jugendlichen mit Förderbedarfen eine Chance zu geben. Und es ist uns gelungen, den Abwärtstrend bei neu abgeschlossen Ausbildungsverträgen zu stoppen und im letzten Jahr erstmals seit Jahren einen Zuwachs zu schaffen. Ich sehe allerdings zwei zentrale Herausforderungen für die Fortsetzung der Allianz: Erstens, wir müssen wieder mehr Betriebe für eine qualifizierte Ausbildung gewinnen und zweitens, wir müssen weiter an einer wirksamen Ausbildungsgarantie für alle Jugendlichen arbeiten. Da sind wir noch weit davon entfernt.