... stoppen.
Zwei Dinge gegenüberzustellen kann sehr erhellend sein. So auch in diesem Fall: Eine junge Frau, nennen wir sie Petra, hat gerade ihr Ingenieursstudium an einer Fachhochschule abgeschlossen. Jetzt startet sie in den Beruf.
Unterschreibt Petra ihren ersten Arbeitsvertrag bei der Audi AG, verdient sie rund 4000 Euro im Monat; das regelt ein Entgeltrahmenabkommen. Dazu kommt ein dreizehntes Monatsgehalt, Gewinnbeteiligung und eine vom Arbeitgeber finanzierte Betriebsrente.
Heuert Petra dagegen bei einem großen Entwicklungsdienstleister (EDL) im Raum Ingolstadt an, arbeitet sie ohne Tarifvertrag, verdient mehrere hundert Euro weniger im Monat, hat eine 40- statt einer 35-Stunden-Woche und erhält keine Gewinnbeteiligung.
Dumping auf dem Rücken der Beschäftigten
Petras Arbeit bei dem EDL sieht so aus: Mit ihren Kollegen übernimmt sie Entwicklungsprojekte; zeitlich befristete Aufträge, die meist als Werkverträge vergeben werden. Dass solche Aufträge sinnvoll sein können, steht außer Frage – zum Beispiel wenn ein Autohersteller nicht über das entsprechende Experten-Know-How verfügt.
Auch die IG Metall wendet sich nicht grundsätzlich gegen das Geschäftsmodell. Sie will jedoch Missbrauch unterbinden. „Wenn Entwicklungsdienstleister über Werkverträge nur deswegen beauftragt werden, damit es billiger wird, läuft etwas falsch“, sagt Monika Tielsch, Betriebsrätin in der Forschung und Entwicklung von Daimler in Sindelfingen.
Für sie ist klar: Verbesserungen für die Stammbelegschaft dürfen nicht durch Fremdvergaben unterlaufen werden. „Deshalb stehen wir für den Grundsatz: ,Eigenentwicklung statt Fremdvergabe’. Das richtet sich nicht gegen die Beschäftigten der EDL, sondern gegen Billig-Vergaben. Denn die gehen zu Lasten aller Beschäftigten.“ Die Unternehmen schaden sich langfristig selbst: Sie verlieren Kernkompetenzen, das Entwicklungs-Knowhow der Stammbelegschaft geht verloren.
Video erklärt: Wie Werkverträge Belegschaften spalten
Ein Arbeitskreis zieht Kreise
Um gute Arbeit im EDL-Bereich zu unterstützen, hat die IG Metall den „Arbeitskreis Entwicklungsdienstleister“ gegründet. Wichtige Ziele: Mitgliedergewinnung, Gründung von Betriebsräten, Abschluss von Tarifverträgen. Kurzum: Für die Branche sollen verlässliche Regeln gelten.
Der EDL-Arbeitskreis trifft sich in der Regel ein bis zweimal im Jahr. Mehr als 60 Betriebsräte und ehrenamtliche Ansprechpartner aus EDL-Betrieben machen bereits mit. Viele arbeiten für Branchengrößen wie Altran, Able Group oder EDAG. Daneben gehören rund 30 hauptamtliche Funktionäre der IG Metall dem deutschlandweiten Netzwerk an. Sie fungieren als Berater und unterstützen die EDL-Beschäftigten vor Ort..
„Die Resonanz auf unsere Arbeit ist groß. Der Arbeitskreis zieht Kreise“, sagt Alexander Schneider, der das EDL-Netzwerk koordiniert. „Die Beschäftigten kommen in Kontakt, tauschen Ideen und Erfahrungen aus, beraten sich gegenseitig.“ Genau darauf ziele das Netzwerk ab.
Wie wichtig die Erschließungsarbeit ist, zeigt eine Zahl: 100 000. So viele Beschäftigte arbeiten mittlerweile bei EDL-Firmen. Die Branche ist heterogen: Sie besteht aus hunderten kleiner Ingenieurbüros, aus Mittelständlern und global operierenden Unternehmen. Rund 70 Prozent des Marktes entfallen auf den Automotive-Bereich. Das entspricht rund zwölf Prozent der gesamten Entwicklungswertschöpfung in diesem industriellen Kernsektor. Die Arbeit der EDL-Ingenieure ist ebenfalls vielfältig: Sie reicht vom Design bis zur Konstruktion komplexer Bauteile, von Simulationen bis zu Testverfahren.
Mehr Mitbestimmung
Einen besseren Überblick über die EDL-Branche gewinnen – auch das ist ein Ziel der IG Metall. Ein Branchenreport wird in Kürze detaillierte Informationen über Struktur und Arbeitsbedingungen liefern. Der EDL Arbeitskreis hat dazu Kontakte und Informationen bereitgestellt.
Wohin der Weg gehen kann, wenn die Beschäftigten an einem Strang ziehen, zeigt das Beispiel IAV. Die „Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr“ ist unter den EDLs Vorreiter in punkto Arbeitnehmerstandards. IAV war der erste Ingenieurdienstleister mit IG Metall-Tarifvertrag.
Geholfen hat dabei, dass VW sich mehrheitlich an IAV beteiligt hat. Bei VW gibt es starke gewerkschaftliche Strukturen. Die IAV-Beschäftigten hatten also unmittelbar vor Augen, wie sich Mitbestimmung und gute Arbeitsbedingungen erreichen lassen. Und sie konnten sich mit erfahrenen Kollegen austauschen.
„Diese Art von Wissenstransfer und Informationsaustausch wollen wir auch bei anderen Entwicklungsdienstleistern ausbauen“, sagt Alexander Schneider, der EDL-Arbeitskreis-Koordinator. „Dabei kommt es oft zu Aha-Effekten. Und dann ist vieles möglich: Von Betriebsratsgründungen bis zu Tarifbewegungen haben wir schon alles erlebt.“