INTERVIEW IN DER HANNOVERSCHEN ALLGEMEINEN
„Wir brauchen Alternativen“

IG Metall-Chef Jörg Hofmann über Ängste in der Klimadebatte

23. September 201923. 9. 2019


Herr Hofmann, die Fridays-for-Future-Bewegung ruft zum Klimastreik auf. Warum machen die Gewerkschaften mit?

Jörg Hofmann: Zum politischen Streik aufrufen können wir natürlich nicht. Aber wir begrüßen es, wenn Mitglieder der IG Metall an den Demonstrationen teilnehmen. Wir müssen jetzt beim Klimaschutz zu Potte kommen. Wer, wenn nicht wir im entwickelten Industrieland Deutschland, soll den Umbau zu einer klimafreundlichen Industrie denn vormachen? Und dies, ohne dass es zu sozialen Verwerfungen kommt. Allerdings fürchte ich, dass in der Klimapolitik der Berg kreißt und eine Maus gebiert. Die meisten Branchen, in denen wir unsere Mitglieder haben, stehen mitten im Umbruch zur Dekarbonisierung.


Und das bringt bei den Arbeitnehmern keine Ängste mit sich?

Doch, und daher verlangt Klimaschutz immer auch Sicherheit für die Beschäftigten in den betroffenen Branchen. Klimaschutz ist zwingend notwendig, um unseren Planeten lebenswert zu erhalten. Wir dürfen aber den Klimaschutz nicht gegen Wachstum und Beschäftigung setzen.


Unterscheiden sich die Interessen der jungen Fridays-for-Future-Aktivisten nicht fundamental von denen der Metaller, die jetzt um die Zukunft ihrer Jobs bangen?

Es ist eine Bewegung, die zu Recht für ein Thema sensibilisieren will und viel angestoßen hat. Die Stärke liegt nicht in einer detaillierten Programmatik der Umsetzung. Bei ihren konkreten Forderungen kommen wir zu anderen Ergebnissen. Ich halte einen CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne von heute auf morgen nicht für einführbar, ohne dass es zu sozialen Verwerfungen kommt. Es ist auch nicht möglich, die deutsche Industrie bis 2035 völlig emissionsfrei zu machen, ohne dass uns Massenarbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste drohen.


Und wo besteht dann Konsens?

Wir sind völlig einig, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden müssen. Und dass dafür viel mehr getan werden muss als bisher. Ich erkenne in der Fridays-for-Future-Bewegung die Bereitschaft, darüber nachzudenken, wie Klimaschutz nicht zur weiteren gesellschaftlichen Spaltung und zu Sicherheit für die Beschäftigten führt.


Wie viel hat Klimaschutz mit Verzicht zu tun? Verzicht auf Fliegen? Verzicht auf Autofahren?

Wir brauchen nicht Verzicht, wir brauchen Alternativen! Mobilität ist ein Freiheitsgewinn, den wir nicht zurückdrehen sollten.


Porsche fahren sollte weiter möglich bleiben?

Wenn der Porsche ein Elektro-Porsche ist - warum nicht? Wir könnten viel in diese Richtung erreichen, wenn die Kfz-Steuer umgebaut würde und Fahrer schwerer Fahrzeuge mit Verbrenner einen stärkeren finanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssten.

 

Das Interview ist am Freitag, 20. September 2019, in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erschienen. Autor: Rasmus Buchsteiner.

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