PRESSEMITTEILUNG NR. 43/2021
Öffentliche Investitionen für eine zukunftsfähige Industrie - Impulse jetzt setzen!

Gemeinsame Erklärung der IG Metall und des Bundesverbands der Deutschen Industrie

16. Oktober 202116. 10. 2021


Die Uhr tickt. Zu lange wurde in Deutschland die Transformation in die digitale und klimaneutrale Zukunft eher mutlos verwaltet, statt sie selbstbewusst zu gestalten. Die Transformation der deutschen Industrie ist eine der größten Herausforderungen in den kommenden Jahren. Wenn die Weichen jetzt nicht richtig gestellt werden, steht die Zukunft des deutschen Industriemodells auf dem Spiel. Deshalb müssen binnen kürzester Zeit unverzichtbare Impulse mit massiven öffentlichen Investitionen gesetzt werden.

Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Land in der Europäischen Union, mit einem weit über dem europäischen Durchschnitt liegenden Industrieanteil an Wertschöpfung und Wohlstand. Die Erreichbarkeit der EU-Klimaziele und der industriellen Perspektiven für den europäischen Kontinent insgesamt hängt entscheidend davon ab, ob und wie es Deutschland gelingt, auch in Zukunft industrielle Wertschöpfung zu generieren und nachhaltige Technologien und Innovationen zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass die neue Bundesregierung die unverzichtbaren Rahmenbedingungen schafft, die notwendigen investitionspolitischen Impulse setzt und einen mutigen und selbstbewussten Zukunftsentwurf für unser Land und für Europa vorlegt. Ob das gelingt, ist auch entscheidend für Erfolg oder Misserfolg einer neuen Bundesregierung.

Längst befinden sich viele Branchen mit ihren Tausenden Betrieben und deren Beschäftigten und damit ganze Regionen im Umbruch. Und schon längst haben Unternehmen begonnen, Produkte und Produktionsprozesse sowie Geschäftsmodelle umzustellen. Eine ökologisch nachhaltige, industriepolitisch erfolgreiche und sozial gerechte Gestaltung der Transformation braucht einen langfristigen, verlässlichen und konsistenten Planungsrahmen und eine wirksame Förderung von Zukunftstechnologien. Das ist der entscheidende Schlüssel für die notwendige Aktivierung privater Investitionen.

Die Republik auf Verschleiß zu fahren muss beendet werden. Jetzt geht es um verlässliche Erneuerung und beschleunigten Ausbau der Infrastruktur. Um Innovations- und Adaptionsfähigkeit in der Transformation zu stärken und das Hochfahren privater Investitionen auszulösen (Crowding-in-Effekt), sind aus Sicht der IG Metall und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. als führenden Spitzenorganisationen des Bündnisses „Zukunft der Industrie“ öffentliche Investitionen auf drei Ebenen zwingend erforderlich:

 

  1. Öffentliche Investitionen in die allgemeine Infrastruktur (Mobilitätsinfrastruktur, Stromnetze und-speicher, digitale Infrastruktur)
  • Schneller Ausbau von Übertragungs- und Verteilnetzen, um bis 2030 den deutlich höheren Energiebedarf zu mindestens 70 Prozent durch erneuerbare Energien zu decken. Die Veränderung des Planungsrechtes mit deutlicher Planungsbeschleunigung ist unabdingbar,
  •  Ausbau der Fernwärme-Infrastruktur, um zügig eine signifikante Dekarbonisierung des Gebäudesektors zu erreichen,
  • schnellstmöglicher Aufbau einer europaweiten Wasserstoff-Infrastruktur,
  • Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur parallel zum Hochlauf der E-Mobilität,
  • umfassende Investitionen in die Digitalisierung als Voraussetzung zur Intermodalität zukunftsfähiger Verkehrskonzepte,
  • Ausbau von Glasfaser-basierten gigabitfähigen Netzen bis ins Haus und in die Wohnungen und die Versorgung ländlicher Gebiete als Voraussetzung für die flächendeckende digitale Transformation, deren Chancen überall genutzt werden können. Dafür sollten vereinfachte, digitalisierte Genehmigungsverfahren, der Einsatz alternativer Verlegemethoden, kluge Fördersysteme, die den stets vorrangigen Eigenausbau nicht verdrängen, und die konsequente Fachkräftegewinnung sichergestellt werden. Investitionsoffensiven und Kooperationen der Netzbetreiber müssen unterstützt werden,
  • umfassende Investitionen in Schiene und ÖPNV, die zum Gelingen der Verkehrswende notwendig sind.
     

      2. Industriepolitische Begleitung des Wandels zur Dekarbonisierung, damit die Marktakteure entsprechend investieren (können)

  • Neben dem IPCEI-Wasserstoff sollte ein IPCEI zur Dekarbonisierung energieintensiver Industrien eingeführt werden, das bestehende Förderlücken schließt. Die energieintensiven Grundstoffindustrien (u.a. Stahl und Zement) müssen im Zuge der Umstellung auf CO2-freie Produktionsverfahren nicht nur bei den Investitionen, sondern auch durch weitere, in den Unternehmen direkt wirkende Maßnahmen, insbesondere für den Markthochlauf von Wasserstoff und entsprechenden Derivaten, unterstützt werden.
  • Die Förderung der Batterie- und der Halbleitertechnologien muss rasch und kräftig erhöht werden.
  • Die europäischen Beihilfeleitlinien müssen so gestaltet werden, dass strukturpolitische Maßnahmen und Hilfestellungen eingesetzt werden können.
  • Eine neue Hightech-Initiative für die Luft- und Raumfahrtindustrie mit Ausweitung und Fokussierung des Luftfahrtforschungsprogramms auf ökologische Förderschwerpunkte und einer Einbindung in die Förderung der Wasserstoffstrategie sollte eingeführt werden. Zudem sollte ein Technologie-Demonstratorprogramm gestartet werden. Überdies sollte eine industrielle Kleinsatelliten-Initiative gestartet werden.
  • Mittelständische Unternehmen sollten bei der Finanzierung von Investitionen in neue Geschäftsmodelle unterstützt werden.
     

      3. Unterstützung der Rentabilität nachhaltiger Geschäftsmodelle im industriellen Bereich

  •  Um rasch einen rentablen Betrieb zu gewährleisten, muss der Betrieb von Elektrolyseanlagen auf Basis von Carbon Contracts for Difference unterstützt werden.
  • Die Unternehmen benötigen zum Erhalt ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Transformationsprozess wettbewerbsfähige Stromkosten. Der Industriestrompreis sollte durch Abschaffung der EEG-Umlage, eine Absenkung der Stromsteuer und die Überprüfung aller Abgaben und Umlagen auf den Strompreis deutlich gesenkt werden. Dabei müssen deutsche und europäische Politik die Belange der energieintensiven Industrie in besonderem Maße berücksichtigen.


Die hier benannten Finanzierungsbedarfe können mit unterschiedlichen Instrumenten adressiert werden. BDI und IG Metall erwarten von den politischen Akteuren einer möglichen Ampel-Koalition im Rahmen der Sondierungsgespräche und den folgenden Koalitionsverhandlungen eine zügige Verständigung zu möglichen Finanzierungsquellen.


Jetzt gilt es, die Chance für einen neuen Aufbruch zu nutzen!

 

Dazu äußern sich der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann und der Präsident des BDI, Siegfried Russwurm, folgend:


Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall:
„Wir sind überzeugt, dass eine innovative Industrie den notwendigen Wandel in Richtung Klimaneutralität als Wachstums- und Beschäftigungschance nutzen kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Das tun sie aber nicht. Fehlende Planungssicherheit, unzureichende Infrastruktur und Grenzen der Finanzierung der gewaltigen Investitionen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen stehen dem entgegen.

Was es braucht, sind massive Investitionen der öffentlichen Hand, um Infrastruktur bereitzustellen und private Investitionen anzuschieben. Wir sehen einen Bedarf von über 500 Mrd. Euro in den Jahren bis 2030. Dazu gehören auch enorme Anstrengungen bei der Qualifizierung der Menschen und einer aktiven Arbeitsmarkt- und regionalen Strukturpolitik, die Arbeitslosigkeit verhindert  – und zwar jetzt!

Gefordert sind alle, Unternehmen, Beschäftigte und Politik. Die neue Bundesregierung hat jetzt die Chance, die Bremsen zu lösen und damit die Zukunft des Industriestandorts Deutschland und seiner Millionen Beschäftigten zu sichern.“

 

Zitat von BDI-Präsident Siegfried Russwurm:
„Anpacken der Prioritäten für wegweisende Entscheidungen zugunsten unseres Standorts – das muss das Leitprinzip für die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen sein. Es muss darum gehen, Stillstand zu überwinden und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Investitionen sind jetzt das A und O. Die Stärkung unserer Wirtschaftskräfte und das Bekenntnis zum Industrie-, Export- und Innovationsland Deutschland sind ohne Alternative. Neben einem Wachstumsprogramm sind schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren einschließlich rascherer Rechtswege und der Start einer Verwaltungsreform wichtig.  

Entscheidungen zu Energie- und Klimapolitik werden über das Wohl und Wehe der Industrie und der modernen Industriegesellschaft entscheiden. Es ist gut, dass es zwischen dem BDI und der IG Metall ein hohes Maß an Übereinstimmung darin gibt, dass und wie industrielle Wertschöpfung und Beschäftigung erhalten werden müssen.“

 

Gemeinsame Erklärung der IG Metall und des Bundesverbands der Deutschen Industrie

 

Weitere Informationen und Pressebilder von Jörg Hofmann

 

 

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