Kurswechsel für ein Gutes Leben: Aktionen im Herbst
Kurswechsel jetzt!
Die schwarz-gelbe Koalition hat aus der Krise nichts gelernt: Das Finanzcasino spielt weiter. Arbeitslose und Familien zahlen. Es gibt mehr Leiharbeit als zuvor. Junge Menschen bangen um ihre Zukunft. So nicht, sagt die IG Metall. Im Herbst gibt es überall Aktionen für den „Kurswechsel für ein ...
„Gerecht geht es in Deutschland doch schon lange nicht mehr zu“, schimpft ein Radfahrer am Infostand der IG Metall-Leiharbeitskampagne im badischen Offenburg, „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“. Die Unterschriftenliste unterschreibt der Mann sofort. „Bei uns in der Firma haben die Leiharbeit richtig billig ausgenutzt.“ Er selbst hat nach monatelanger Kurzarbeit „Null“ den Job verloren. Sein Glück: Er kann jetzt mit 63 Jahren in Rente gehen. Doch außer ihm hat es einige Beschäftigte Mitte Fünfzig erwischt. „Die finden doch nie wieder Arbeit. Rente mit 67 – so ein Quatsch. Die sollen erst mal für die Jungen Arbeit schaffen.“ Er schüttelt den Kopf. „So geht das nicht weiter.“ Und damit ist er nicht allein. Das sagen heute fast alle hier.
Falsche Politik. Die schwarz-gelbe Koalition hat aus der Krise nichts gelernt: Die Finanzjongleure dürfen weiter spekulieren und kommen im „Sparpaket“ ungeschoren davon. Die Kosten der Krise sollen Arbeitnehmer, Arbeitslose und Familien zahlen: allein minus 30 Milliarden Euro bei den Sozialausgaben. Dabei ist Deutschland doch mit einer ganz anderen Politik vergleichsweise gut durch die Krise gekommen.Auch dank der IG Metall: Sie hat in den Betrieben Beschäftigung gesichert – und die Politik von der längeren Förderung der Kurzarbeit überzeugt. Weltweit ist die Rede vom „German Jobwunder“. Doch nun im Aufschwung 2010 heißt es wieder: „Weiter so“, wie vor der Krise. In den Betrieben arbeiten 850 000 Leiharbeitnehmer – mehr als je zuvor. Festeinstellungen sind zur Ausnahme geworden. Und der neue schwarz-gelbe Gesetzesentwurf sagt: „Weiter so“. Keine Regulierung. Keine gleiche Bezahlung für Leiharbeitnehmer, womit Schwarz-Gelb obendrein auch die EU-Leiharbeitsrichtlinie missachtet.
Am IG Metall-Stand in Offenburg muss kaum jemand groß überzeugt werden. 300 Menschen unterschreiben heute, vom Hartz-IV-Emfänger bis zum Anzugträger.„Wenn ich das schon höre: Leiharbeit“, schimpft eine etwa 50-jährige Frau, schick und teuer gekleidet, die aus einem Kaufhaus schnurstracks zum Standmarschiert und unterschreibt. „Mein Sohn ist betroffen. Das kann ja wohl alles nicht sein.“
Ist das gutes Leben? Nein, sagt die IG Metall. Sie will einen Kurswechsel – und trifft damit den Nerv der Menschen. Das zeigen alle Umfragen. Und das zeigen auch die Gespräche am Stand in Offenburg. Viele erzählen hier heute ihre Geschichten: Wie eine „Heuschrecke“ ihren Betrieb aussaugte. Oder wie Banken den Hahn zudrehten, „und das, nachdem die mit unseren Milliarden gerettet wurden“. Irgend jemand – oder „Ihr, die IG Metall“ – muss endlich mal was tun. „Wir demonstrieren bald, damit es besser wird. Sind sie dabei?“, fragt Bianka Hamann von der IG Metall Offenburg. Viele drehen sich erschreckt weg. „Ich hab’ mal mit demonstriert“, sagt ein Hartz-IV-Empfänger, der besonders laut auf diePolitik schimpft.„ Aber da hat sich nichts geändert. Das juckt die Großen doch nicht.“
Doch. Kämpfen lohnt sich. Das findet Felix Scheer, im zweihundert Kilometer entfernten schwäbischen Öhringen. Scheer ist hier im Juni beim Verpackungshersteller Huber Packaging als Leihbeschäftigter eingestellt worden, für 800, 900 Euro Netto im Monat. Seit Jahren hangelt er sich von Leihjob zu Leihjob. „An eine Familie ist da nicht zu denken“, sagt der 24-Jährige. „Und an Altersvorsorge sowieso nicht.“ Dabei wäre das bei seinen geringen Rentenbeiträgen als Leihbeschäftigter bitter nötig. Doch seit August verdient Scheer 600 Euro mehr. Er und die anderen Leihbeschäftigten haben jetzt befristete Verträge nach IG Metall- Tarif. Dafür hat die ganze Belegschaft – Stamm und Leihbeschäftigte – nach Aufruf der IG Metall mit Warnstreiks gekämpft. „Wir haben immer Auftragsspitzen über Befristungen abgedeckt. Bis dieses Jahr die Geschäftsleitung plötzlich Leiharbeitnehmer eingestellt hat“, erzählt der Betriebsratsvorsitzende Siggi Hubele. „Aber die Belegschaft hat begriffen, dass es hier nicht um Flexibilität, sondern ums Sparen geht. Und dass dadurch auch ihre festen Arbeitsplätze unter Druck geraten.“ Das Ergebnis: Bei Huber Packaging gibt es Befristungen. Aber keine Leiharbeit. Punkt. Doch auch Befristung ist nicht optimal.
Zwar fair bezahlt, aber ohne Zukunftsperspektive. Das wissen Hubele und seine Kollegen. „Wenn die Befristung hier ausläuft, bleibt vielen nichts anderes übrig, als wieder zur Leiharbeitsfirma zu gehen“, erzählt Hubele. „Die Arbeitsagentur bietet ja gar nichts anderes mehr an, außer einer Liste mit Leihfirmen. Und dann heißt es: Bewirb Dich mal.“ Ein gesellschaftlicher Skandal, findet Siggi Hubele. Erfolge im Betrieb sind wichtig – aber nicht genug. Deshalb hat er mit anderen IG Metall-Kollegen eine Protestaktion bei einer Leiharbeits-Messe der örtlichen Arbeitsagentur durchgezogen. In weißen Maleroveralls und Unkrautspritzen rückten sie zum „Entseuchungseinsatz gegen das Leiharbeits-Virus“ an und verteilten Flugblätter. „Es hat gut getan, die Veränderung bei den Arbeitslosen zu sehen. Aus geduckten Untertanen, die sich den Leihfirmen andienen sollten, wurden wieder lachende, zornige Menschen, die sich nicht alles gefallen lassen. Die Leiharbeits-Messe ist geplatzt.“
Aufstehen für den Kurswechsel. Wie bei Huber Packaging haben IG Metall-Mitglieder in über 500 Betrieben die Begrenzung und faire Bezahlung von Leiharbeit durchgesetzt. In ebenso vielen Betrieben haben Azubis ihre Übernahme nach der Ausbildung erkämpft. Und in den letzten Wochen haben Tausende gegen die Rente mit 67 und das „Sparpaket“ demonstriert. In den nächsten Wochen gibt die IGMetall richtig Gas: Mit der Kampagne „Kurswechsel für ein gutes Leben“. Für mehr Gerechtigeit, für die Zukunft der jungen Generation und für einen starken Sozialstaat, ohne Rente mit 67 und „kleine Kopfpausschale“. Und für die Regulierung der Finanzmärkte, die über eine Transaktionssteuer für die Kosten der von ihnen verursachten Krise zahlen sollen.
“Der Kurswechsel gelingt uns nicht von heute auf morgen„, macht der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber klar. “Das ist mit einer großen Demonstration nicht getan. Das wird ein langer Weg in vielen Etappen.„ Es wird zwar auch Großdemonstrationen geben, von Berlin bis Brüssel. Schwerpunkt sind jedoch viele regionale Aktionen: Kundgebungen und Infostände auf den Straßen und vor den Betrieben. Anzeigen auf Plakaten, U-Bahn-Infoschirmen und Litfasssäulen. Diskussionsrunden mit Politikern und Wissenschaftlern. Pressekonferenzen in Betrieben zum Unsinn der Rente mit 67. Leiharbeitnehmer-Versammlungen zum Tag der prekären Beschäftigung am 7. Oktober. Postkarten- und Unterschriftenaktionen gegen die Rente mit 67, für Ausbildung und Übernahme und gegen das “Sparpaket„. Im November werden mehrere LKWs Sparpakete vor dem Kanzleramt abladen: “Annahme verweigert„. Mehr als 100 Aktionen sind schon geplant. Und es werden mehr. “Der Einsatz von uns allen ist gefordert: Redet mit Kollegen, Freunden und Nachbarn. Wir brauchen viele Mitstreiter und viele IG Metall-Mitglieder„, macht Detlef Wetzel klar. “Nur gemeinsam können wir erfolgreich sein.„
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