Wer seine Brötchen als Leiharbeitnehmer verdient, tut das selten freiwillig. Für die meisten ist Leiharbeit nur eine Notlösung, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Die finanzielle Unsicherheit geht an die Nieren. Die Betroffenen haben keine Lobby, sie werden schlechter behandelt und haben keine Planungssicherheit. Aus Angst um den Arbeitsplatz schleppen sich viele auch bei Krankheit zur Arbeit. „Sonst ist man ganz schnell weg vom Fenster“, berichtete etwa ein Leiharbeiter in einer Umfrage der IG Metall im vergangenen November.
Leiharbeitnehmer tragen aus vielen Gründen ohnehin ein höheres Krankheitsrisiko. Schwer zu schaffen macht ihnen zum Beispiel, dass sie häufig an wechselnden Orten eingesetzt werden. 18 Monate war zum Beispiel Andreas T. in drei verschiedenen Betrieben als Lagerist eingesetzt. „Ich musste viel pendeln, das ging an die Substanz, lange hält man das nicht durch“, erinnert sich der 27jährige, der heilfroh ist, inzwischen einen festen Vertrag zu haben.
Schwierige Lebensplanung
Dieses Glück haben nur wenige. Nur sieben Prozent der Leiharbeitnehmer schaffen den Sprung in eine unbefristete Beschäftigung. Die flexiblen Einsätze ohne Aussicht auf eine verlässliche Beschäftigung erzeugen Stress. Und Stress nagt an der Gesundheit. Dass Zeitarbeit krank macht, ist in Studien nachgewiesen. Eine Erhebung der Techniker Krankenkasse (TK) belegt, dass Leiharbeitnehmer generell häufiger arbeitsunfähig sind als Beschäftigte in anderen Branchen und das, obwohl sie sich ohnehin nur im äußersten Fall krank melden.
2010 war jeder Leiharbeitnehmer in Deutschland durchschnittlich 15 Tage krank geschrieben. Bei den Arbeitnehmern anderer Branchen waren es dagegen nur 11,5 Tage, das heißt 3,5 Tage weniger. Die häufigeren Erkrankungen rühren einerseits daher, dass Leiharbeiter oftmals in körperlich belastenden Tätigkeiten beschäftigt sind, sprich Drecksarbeit machen müssen, was erfahrungsgemäß mit erhöhten Fehlzeiten einhergeht. Auch Überstunden und Wochenendarbeit werden gern auf Leiharbeiter abgewälzt.
Psychische Störungen
„Es ist schon ein mieses Gefühl, nicht planen zu können und nicht zu wissen, wie lange man noch Arbeit hat und ob man übernommen wird“, sagt Andreas T. Dass diese Aussichten am Nervenkostüm zerren, spiegelt sich in den Krankheitsdaten der Leiharbeiter wider. Psychische Störungen gehören zu den Hauptursachen für Fehlzeiten. 2010 meldete sich jeder im Durchschnitt knapp zwei Tage arbeitsunfähig, weil er oder sie psychisch erkrankt war. Das ist ein Anstieg um zwölf Prozent je Leiharbeiter binnen zwei Jahren.
Der Druck der zeitweiligen Beschäftigung lastet aber nicht nur auf der Psyche, sondern auch auf den Schultern. Spitzenreiter bei den Diagnosen der Zeitarbeiter sind Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems. Sie bewirkten 3,4 Fehltage je Leiharbeitnehmer im Jahr 2010. Rückenschmerzen und Co. zwangen besonders die männlichen Leiharbeiter, sich für durchschnittlich 3,8 Tage arbeitsunfähig zu melden. Bei konventionell beschäftigten Männern waren es bei gleichen Beschwerden nur 2,3 Tage, also 67 Prozent weniger.
Druck von Entleiherfirmen
Getoppt wird das noch dadurch, dass Leiharbeitnehmer sofort unter Druck gesetzt werden, wenn sie sich krank melden. Entleiherfirmen gehen mit kranken Beschäftigten nicht zimperlich um. „Wenn Sie nicht sofort zur Arbeit kommen, müssen Sie mit einer sofortigen Kündigung rechnen“, wird dann gedroht, egal ob ein ärztliche Attest vorliegt oder nicht. Weil viele befürchten, dass ihre Arbeitsverträge nicht verlängert werden, schleppen sie sich krank zur Arbeit.
„Es kommen Leiharbeiter mit starker Grippe in den Betrieb, während die Festangestellten teilweise wochenlang krank sind“, schildert ein befristet Beschäftigter. Ein anderer berichtet: „Ein Kollege brach sich bei einem Arbeitsunfall den Finger, hat sich aber nicht getraut, auch nur einen Tag zuhause zu bleiben. Seine Krankmeldung hat er weggeworfen, aus Angst gekündigt zu werden.“
Die bedrückenden Erfahrungen der Leiharbeitrnehmer lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Mit den Niedriglöhnen, der Perspektivlosigkeit und Ungerechtigkeit für diese Beschäftigten muss Schluss sein.