Arbeitsbedingungen bei Textilherstellern
Der Tod von Arbeitern wird hingenommen

Gegen die miserablen Arbeitsbedingungenbei den Textilproduzenten können nur Gesetze in den Abnehmerländern etwas ausrichten, meint Bernd Hinzmann von der „Kampagne für saubere Kleidung“.

28. Oktober 201128. 10. 2011


Immer wieder werden in der Textilindustrie neue, noch gefährlichere Produktionstechniken eingeführt. Bei uns kaum bekannt ist die „Sandstrahltechnik“ für die Veredelung von Jeans. Was genau ist das?
Bernd Hinzmann: Dabei werden, einem Modetrend folgend, Jeans so behandelt, dass sie aussehen, als wären sie schon jahrelang getragen worden. Dazu wird mit Hochdruck Quarzsand auf die Hose gestrahlt. Die Textilarbeiter aus Sandstrahl-Betrieben bekamen bald Probleme mit der Atmung. Zunächst konnte man die Beschwerden nicht zuordnen. Erst durch medizinische Untersuchungen von erkrankten Arbeitern in der Türkei kam man auf den Quarzsand als Auslöser dieser Krankheit, die man sonst nur im Bergbau als Silikose kennt. Sie führt in vielen Fällen zum Tod.

In der Türkei ist das Sandstrahlen mittlerweile verboten.
Ja. Journalisten und engagierte Mediziner machten die gesundheitlichen Schäden öffentlich und es gab negative Schlagzeilen. Die „Kampagne für Saubere Kleidung“ hat eine Eilaktion gestartet. Dann wurden auch Konsumenten aktiv. Im Internet oder mit Postkarten schrieben viele Menschen Unternehmen an und protestierten. Das hat schließlich dazu geführt, dass die Türkei diese Technik ganz verboten hat. In anderen Ländern ist man leider noch nicht so weit.

Wir Konsumenten haben also eine große Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung der Produkte, die wir kaufen.
Es gibt viele Fälle, die zeigen, dass kritische Konsumenten etwas bewirken können. Aber, das Grundproblem bleibt doch bestehen: Probleme müssen bekannt werden, ehe man gegen sie vorgehen kann. Eigentlich müsste es umgekehrt sein: Die Unternehmen müssten verpflichtet werden, uns als Kunden nachzuweisen, dass ihre Produkte „sauber“ sind, dass soziale und ökologische Mindeststandards bei der Herstellung eingehalten werden. Die Sandstrahltechnik zeigt, dass Unternehmen sich neuer Trends bedienen und sich gut auf dem Markt positionieren wollen. Da wird hingenommen, dass Arbeiter gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind und sogar sterben. Diese Probleme in den Zulieferfirmen bekommen die Abnehmer ja mit. Aber solange es keine negativen Schlagzeilen gibt, spielt das alles keine Rolle.


Wäre nicht wenigstens das Prinzip der Corporate Social Responsibility, wonach sich Unternehmen zur gesellschaftlichen Verantwortung verpflichten, ein sinnvoller Ansatz?

Auf eine Anfrage hin hat sich die gegenwärtige Bundesregierung ganz klar positioniert, Unternehmen hätten die Funktion, gewinnbringend zu wirtschaften, sie seien als Erstes dem Shareholder-Value verpflichtet und nicht einer gesellschaftlichen Verantwortung. Genau so werden CSR-Maßnahmen überwiegend angewendet, nämlich unter dem Gesichtspunkt: Nutzen Investitionen für Corporate Social Responsibility-Maßnahmen dem Image des Unternehmens? Daher werden alleinig auf Freiwilligkeit beruhende Aktivitäten der Unternehmen die eigentlichen strukturellen beziehungsweise Kernprobleme in der globalen Lieferkette nicht lösen.

Also reicht es nicht, an die Modeindustrie zu appellieren, sich für bessere Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern einzusetzen, die Politik ist gefordert, Gesetze zu machen?
Genau, die Politik ist gefragt! Denn im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen hält diese sich gestaltend zurück – setzt auf Freiwilligkeit. Als Kampagne für Saubere Kleidung haben wir zumindest den Vorteil, dass hier verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen vertreten sind, auch die Gewerkschaften. Und so adressieren wir gemeinsame Forderungen an einzelne Politiker aber auch den Menschenrechtsausschuss und den Ausschuss für Entwicklung und Zusammenarbeit. Protestaktionen der Kampagne waren auch schon an die Bundesregierung oder an die EU-Kommission gerichtet.


Man findet in Textilien kaum noch Angaben darüber, wo sie hergestellt wurden
.
Leider ist es relativ egal, in welchem Land ein Kleidungsstück hergestellt wurde. Bestimmte Kernprobleme finden wir überall: Massive Überstunden und Löhne, die nicht einmal für die Grundbedürfnisse reichen. Aber auch das de facto Verbot von gewerkschaftlicher Organisation. Menschen, die sich entsprechend engagieren, werden entlassen. Es gibt schwarze Listen von Aktivisten, die keine Arbeit mehr finden. Dabei unterscheidet sich China nicht von Bangladesch und nicht von Indonesien oder der Türkei.

Wie kann man als Konsument sichergehen, dass man „Saubere Kleidung“ kauft?
Es gibt eine ganze Reihe von Überprüfungs- und Verbesserungsinstitutionen die man zur Orientierung heranziehen kann. Als Kampagne für Saubere Kleidung favorisieren wir die „Fair-Wear-Foundation“ (FWF). Mit dem Beitritt zur Foundation verpflichten sich die Unternehmen unter anderem, perspektivisch für einen die Existenz sichernden Lohn bei ihren Zulieferern zu sorgen, Überprüfungen vor Ort durchzuführen, Verbesserungen gemeinsam umzusetzen und dabei die dortigen Arbeiterinnen und Arbeiter einzubeziehen. Im Internet findet man bei der FWF deren Mitgliedsunternehmen und einzelne Berichte über die Firmen und deren Aktivitäten sowie auch über deren Produktionsländer.

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