Die Belegschaften von Volkswagen durchlaufen seit einigen Jahren einen Veränderungsprozess, den „Volkswagen-Weg“. Der Betriebsrat am Standort Braunschweig beobachtete, dass das Thema Arbeitsbedingungen dabei in den Hintergrund geriet und startete das Fotoprojekt „Gute Arbeit hat viele ...
... Gesichter“. Dafür gibt es jetzt vielleicht den Deutschen Betriebsrätepreis.
Seit 2004 gilt bei VW der „Zukunftstarifvertrag“. Dabei geht es nicht nur um die Sicherung der Standorte, sondern auch um eine innovative Arbeitsorganisation. Das bedeutet: Der Konzern soll wettbewerbsfähig und Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben. Und zwar zu fairen Arbeitsbedingungen. Insider kennen den Begriff „Besser-statt-billiger-Strategie“. Es geht also nicht darum, Wirtschaftlichkeit auf Kosten der Löhne – und damit auf Kosten der Menschen – zu erreichen. Sondern dadurch, dass unter guten Arbeitsbedingungen und mit den an allen Prozessen beteiligten Beschäftigten hochwertige Produkte entstehen.
2006 kam bei VW die große Herausforderung: Der Vorstand beschloss, ein neues Produktionssystem einzuführen. Das bedeutete für die Belegschaft: Viele Veränderungen meistern zu müssen auf dem „Volkswagen-Weg“.
Der Volkswagen-Weg mit Mitsprache
Der Betriebsrat stand nun vor der Aufgabe, die innovative Arbeitsorganisation zu überprüfen. Sie war schließlich ein fester Bestandteil des Zukunftstarifvertrags und sollte sicherstellen, dass Prozesse beteiligungsorientiert ablaufen, dass innerhalb von Teams ganzheitlich gedacht wird, dass es Raum gibt fürs Lernen und dass transparent kommuniziert wird. Kurz: Veränderungen ja, aber zusammen mit den Mitarbeitern.
Mathias Möreke ist der stellvertretende Betriebsratschef bei VW Braunschweig. Er erzählt: „Bei dem neuen Produktionssystem ging es erst mal um organisatorische und technische Dinge. Die Kolleginnen und Kollegen waren doppelt gefordert: die Umstellung meistern und den ständigen Leistungsdruck im verschärften internationalen Wettbewerb bewältigen. Beschäftigungssicherung hatte oberste Priorität. Die Arbeitsbedingungen wurden kaum thematisiert.“
Gute Arbeit in Bildern
Höchste Zeit also, im Betrieb wieder Themen wie Gesundheit, Ergonomie und Solidarität im Team ins betriebliche Geschehen einzubinden. Da kann es zu der Idee mit dem Fotowettbewerb: Jedes Team – es gibt über 200 am Standort – konnte mitmachen und sollte drei Aussagen erarbeiten:
- Gute Arbeit ist für uns, wenn . - Wir finden Arbeit nicht gut, wenn . - Uns zeichnet als Gruppe aus, dass wir .
Die Teams konnten ihre Antworten auf Plakate schreiben und sich damit fotografieren lassen. Entstanden ist so eine riesige Wand mit Ideen, Meinungen und Forderungen. Mathias Möreke ist stolz auf seine Kolleginnen und Kollegen: „Das ist nicht nur eine beeindruckende Fotodokumentation eines Beteiligungsprozesses. Es sind auch ganz konkrete Missstände dabei an die Öffentlichkeit gekommen, die wir jetzt angehen können.“ Und das ist das Entscheidende, was das Projekt so erfolgreich macht: Viele kleine Schwierigkeiten kamen ans Tageslicht.
Ein Labor-Team hat zum Beispiel während des Foto-Projekts rausgefunden, wo es Abstimmungsprobleme mit einer anderen Abteilung gibt. Für die Laboranten ist das Stress. Das Team will jetzt aktiv etwas verändern. Eine andere Gruppe zeigt auf ihrem Plakat: „Wir wollen nicht im Späneregen stehen“. Bei der Metallverarbeitung dieser Gruppe, bei der die Späne in alle Richtungen springen, wird nun mal der Arbeitsschutz vorbeischauen und Schutzmaßnahmen in die Wege leiten.
Größere Baustellen tauchen natürlich auch auf: Zum Beispiel warnt das Team, das die Vorderachse-Querlenker baut: „Ziele dürfen nicht so hoch sein, dass sie an die Gesundheit gehen!“.
Betriebsrat Mathias Möreke fasst zusammen: „Die Foto-Aktion war ein Motor für eine humane und faire Arbeitsgestaltung. Sie zeigt, dass großes gewerkschaftliches Engagement unverzichtbar ist, damit die Themen, die die Kollegen und Kolleginnen am stärksten berühren, nicht in der Alltagsroutine untergehen: Gesundheit, gerechte Bezahlung, berufliches Weiterkommen und Mitsprache.“
Spätestens jetzt weiß man, was mit „Besser-statt-billiger“ gemeint ist. Und vielleicht bekommen Möreke und seinen Kollegen vom Betriebsrat VW Braunschweig ja dieses Jahr den Deutschen Betriebsrätepreis verliehen. Nominiert sind sie jedenfalls.
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