1. Der Euroraum ist die wichtigste Exportregion der deutschen Wirtschaft.
Die deutsche Wirtschaft „lebt“ wie kaum eine andere Volkswirtschaft vom Export. Die Kunden im Ausland sichern bei uns Millionen von Arbeitsplätzen. Die wichtigsten Abnehmer deutscher Waren sind die Europäer. Das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach wurden von allen Gütern und Dienstleistungen, die 2010 aus Deutschland ausgeführt wurden, 41 Prozent in die Eurozone geliefert. Auch für die Metallindustrie ist Europa ein wichtiger Markt: 34,2 Prozent ihrer Produkte exportierte sie in die Eurozone. Erst mit großem Abstand folgen Asien (20 Prozent) und Amerika (13 Prozent).
2. Der Euro verhindert Währungsturbulenzen durch Spekulation.
Seit der Euro eingeführt wurde, blieben die europäischen Währungen – anders als beim früheren Europäischen Wechselkurssystem (EWS), das von 1979 bis 1998 galt – von heftigen spekulativen Attacken der Finanzmärkte verschont. Dadurch blieb der Euro stabil. Der Euroraum hat der Währungsspekulation, die die Märkte verunsichert und den internationalen Handel bedroht, ein riesiges Geschäftsfeld entzogen. Gäbe es in den 17 Euroländern statt einer wieder 17 Währungen, würde das die Währungsspekulation erneut anheizen.
3. Am Anfang stand die Krise der Finanzmärkte.
Im September 2008 begann mit der Pleite der Lehmann-Brother-Bank die schwerste Finanzkrise seit 80 Jahren. Sie fiel nicht vom Himmel. Sie war Folge politischer Entscheidungen. Zum einen hatten Regierungen die Regeln für die Finanzmärkte seit Beginn des neuen Jahrtausends gelockert. Einige riskante Finanzgeschäfte wurden so erst möglich. Gleichzeitig nahm die Umverteilung von unten nach oben zu. Während die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen zwischen 2000 und 2010 in Deutschland um 45 Prozent stiegen, wuchsen Arbeitnehmerentgelte im gleichen Zeitraum nur um 16 Prozent. Ein Grund hierfür: Zunahme prekärer Beschäftigung und ein wachsender Niedriglohnsektor. Auch durch die Umverteilung kam immer mehr Geld auf die Finanzmärkte, das nach renditeträchtigen Anlagen suchte.
4. Währungsunion ohne politische Union.
Die gemeinsame Europäische Währung hatte einen Geburtsfehler. Es gab keine politische Union. Das ist ein Grund für die zunehmenden Ungleichgewichte in der Union. Wirtschaftswachstum und Exportüberschüsse einer Nation können gegenüber anderen Staaten durch unterschiedliche Währungen ausgeglichen werden. Da die Nachfrage nach dem Geld des Exportlandes bei den Importländern steigt, steigt automatisch der Wert der Währung des Exportlandes. Die Waren werden teurer. Die Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Ländern wird über die Währungen ausgeglichen. Innerhalb einer Währungsunion funktioniert das nicht und muss deshalb politisch ausgeglichen werden, in Deutschland etwa über den Länderfinanzausgleich. In Europa fehlt die politische Union.
5. Die Euro-Rettung nimmt kein Ende
Seit Griechenland in extreme Finanznöte geriet, schreibt sich die Rettung der Europäischen Union als unendliche Geschichte fort. Immer wieder zögerte vor allem die deutsche Regierung Entscheidungen hinaus, so dass das Problem immer größer wurde. Seit Frühjahr 2010 müssen die Euro-Staaten ihren Rettungsschirm halbjährlich aufblasen, zuletzt im November 2011. Die EU-Staaten einigten sich auf eine weitere Hilfstranche über 100 Milliarden Euro für Griechenland. Damit verbunden ist eine stärkere Überwachung und Durchsetzung des Sparprogramms für Griechenland. Gleichzeitig sollen private Gläubiger auf die Hälfte ihrer Forderungen gegen Griechenland verzichten. Der Schmerz wird für Banken und Versicherungen jedoch abgemildert. Immerhin sichert der Rettungsschirm die neuen Griechenlandanleihen mit 30 Milliarden Euro ab.
Damit der ESFS auch größere Volkswirtschaften wie Italien unter den Rettungsschirm nehmen kann, haben die Euro-Staaten den „Hebel“ eingebaut. Mit Hilfe privaten Kapitals soll die Ausleihkapazität des EFSF gehebelt, sprich vergrößert werden. Dazu gibt es zwei Varianten. Bei der Versicherungslösung soll der ESFS auf Staatsanleihen eine Kreditgarantie von 20 Prozent geben. Dann könnten mit 20 Millionen Euro aus dem Rettungsfonds Staatsanleihen für 100 Millionen Euro auf dem Markt untergebracht werden. Ob das funktioniert, ist genauso zweifelhaft wie die Frage, ob dadurch die Zinsen auf diese Staatsanleihen sinken.
In der zweiten Variante gründet der Rettungsfonds eine Zweckgesellschaft. Sie würde die Staatsanleihen der Krisenländer zusammenpacken und als neue Papiere an den Finanzmärkten anbieten. So ähnlich funktionierte auch der Handel mit den US-Hypotheken, der als Auslöser der Finanzkrise gilt. Auch hier hängt der Hebel davon ab, ob sich Käufer für die Papiere finden.
6. Schuldenländer aus dem Euro rauswerfen, schadet allen.
Die gemeinsame Währung hat gerade die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte enorm erhöht. Wenn die hoch verschuldeten Länder aus der gemeinsamen Währung „hinausgeworfen“ werden, werten sie ihre Währungen ab, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Der „Resteuro“, der dann nur noch die Währung der wirtschaftlich stärksten EU-Länder ist, steht dann unter massivem Aufwertungsdruck. Ein Zurück zur D-Mark hätte sogar eine sofortige massive Aufwertung zur Folge. Das würde die deutschen Produkte im Ausland massiv verteuern und darum zu starken Einbrüchen bei der Auslandsnachfrage führen. Die IG Metall in Baden-Württemberg hat ausgerechnet, dass das allein in diesem Bundesland rund 200 000 Arbeitsplätze bedrohen würde.
7. Was in der Krise hilft
Anstelle des Hebels fordert die IG Metall eine Haftungsverpflichtung der EZB für alle Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsländer. Nur wenn die Europäische Zentralbank als letzter Kreditgeber auftritt, lassen sich Spekulationen gegen diese Staaten verhindern.
Um Banken und Versicherungen an der Rettung einzelner Länder und damit auch des Euros zu beteiligen, fordert die IG Metall eine Finanztransaktionssteuer und eine Bankenabgabe. Sie belasten nicht nur die einzelnen Banken, die Anleihen von Krisenländern halten. Die Steuer und Bankenabgabe würden der Europäischen Union schätzungsweise 200 Milliarden zusätzliche Einnahmen bescheren.
Um die Zinslasten für Defizitländer wie Griechenland bezahlbar zu machen, spricht sich die IG Metall, wie etliche Wirtschaftsexperten, für „
Eurobonds“ aus. Das sind gemeinsame Euro-Anleihen aller Euroländer. Indem die wirtschaftlich schwachen gemeinsam mit den starken Ländern als Einheit auftreten, können sie bessere Konditionen für Kredite auf den Finanzmärkten durchsetzen, das heißt auch niedrigere Zinsen für die Defizitländer.
8. Die Wirtschaft in den Krisenländern aufbauen
Eurobonds, Rettungsfonds und andere Hilfeleistungen an Defizitländer sollten an Bedingungen geknüpft werden, die das Ziel haben, Schulden abzubauen: Das heißt, die Länder sollen Maßnahmen ergreifen, die die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verbessern und Wirtschaftswachstum fördern. Hierzu müssen die Krisenländer zwar selbst beitragen, zum Beispiel durch effektivere Steuersysteme, allerdings brauchen sie auch Unterstützung etwa durch einen neuen „Marshallplan“.
9. Europa braucht einen Kurswechsel
Europa muss die Perspektive wechseln. Es geht längst nicht mehr um die Krise einzelner Ländern, sondern um die Krise Europas. Wenn der Euro, und damit letztendlich die Europäische Union, nicht auseinanderbrechen sollen, muss Europa demokratischer werden. Das hat die IG Metall auf ihrem Gewerkschaftstag im Oktober 2011 mit dem „
Karlsruher Signal“ unterstrichen. Sie fordert einen Kurswechsel für Europa. Dazu gehört eine demokratisch legitimierte europäische Finanz- und Wirtschaftsregierung, die Korridore für die Einnahmen- und Ausgabenpolitik sowie Vorgaben für die Verschuldung der Länder vereinbaren und durchsetzen kann. Zudem müssen einheitliche Steuerkorridore für alle EU-Länder festgelegt werden, vor allem bei der Unternehmens-, Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuer. Um die Finanzmärkte in Europa zu kontrollieren, fordern die Mitglieder der IG Metall eine europäische Aufsichtsbehörde für alle Akteure und Finanzgeschäfte. Außerdem sollen Finanzmarktakteure für ihre Geschäfte haften.
10. Mehr Demokratie für die Menschen, für Europa, für den Euro
Zu einem Kurswechsel gehört auch die Stärkung eines sozialen Europas. Dazu braucht die EU mehr Solidarität auf nationaler und internationaler Ebene. Solidarität mit Europa zeigen Gewerkschaften, indem sie in ihrem Wirkungsbereich gegen prekäre Beschäftigung und schlecht bezahlte Jobs vorgehen. Gleichzeitig braucht Europa einheitliche soziale Mindeststandards für sichere und faire Arbeit.
Europäische Entscheidungen werden aber nur dann bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen, wenn sie es selbst gestalten können. Ein Europa, indem die Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland die Politik erzittern lässt, ist ein Europa der Banken und Konzerne und kein Europa der Menschen. Um wirtschaftlich stark zu werden, muss Europa sich zu einer echten politischen Union entwickeln, die in der Wirtschaftspolitik an einem Strang zieht.