Bis zu 6,5 Prozent mehr Geld soll es für die 3,6 Millionen Beschäftigten in der Metallbranche geben. Diese Forderung diskutiert die IG Metall zurzeit. Zuviel, sagt Arbeitgeberpräsident Martin Kannegiesser von Gesamtmetall. Auch die Forderung nach mehr Mitbestimmung und der unbefristeten Übernahme kritisieren die Arbeitgeber. Zu Unrecht.
Die Arbeitgeber behaupten: Maximal 3 Prozent könne die IG Metall wirtschaftlich begründen. Für die restlichen 3,5 Prozent gebe es keine Grundlage.
Die IG Metall bleibt dabei: Bis zu 6,5 Prozent sind wirtschaftlich leistbar und auch finanzierbar. Die meisten Unternehmen haben für 2011 hohe Gewinne zu verbuchen und auch der wirtschaftliche Ausblick auf 2012 stabilisiert sich.
Die IG Metall orientiert sich bei ihrer Forderungshöhe an der Prognose für den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs und der Inflation, also wie stark die Preise steigen. Der Produktivitätszuwachs ist das, was die Arbeitnehmer in einem Jahr in der gleichen Zeit mehr produziert haben als im Jahr zuvor. Das und die Inflation bilden zusammen den „verteilungsneutralen“ Spielraum. 2011 wurde dieser Spielraum nicht ausgeschöpft. Der Grund: Der vereinbarte Tarifvertrag aus dem Krisenjahr 2010 hatte eine sehr lange Laufzeit. „Wir wollten für sichere Arbeitsplätze und Planungssicherheit für die Unternehmen sorgen“, begründet der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber den damaligen Tarifabschluss.
Gerade in der Metallbranche entwickelte sich die Wirtschaft dann aber besonders positiv. Die Produktivität stieg in 2011 hier sogar um 7,4 Prozent und damit stärker als in der Gesamtwirtschaft. Die Arbeitnehmer wollen fair am Aufschwung beteiligt werden. Ohne ihren Einsatz hätte es ihn so nicht gegeben. Deshalb sind bis zu 6,5 Prozent fair und leistbar.
Die Arbeitgeber behaupten: Die IG Metall will einen „Nachschlag“ für das Boomjahr 2011.
Die IG Metall sagt: Es geht nicht um einen Nachschlag. Die IG Metall strebt eine „mittelfristige Tarifpolitik“ an. Mittelfristig heißt: Auf mittlere Sicht müssen sich verteilungsneutraler Spielraum und Einkommenserhöhungen parallel entwickeln. Das war in jüngster Zeit nicht der Fall, weil im Boomjahr 2011 der Spielraum nicht ausgeschöpft wurde. Das soll jetzt bei der Lohnforderung mitberücksichtigt werden. Aber: Für die IG Metall wird es künftig nicht einfacher zu entscheiden, wieviel mehr sie fordern soll. Die Wirtschaft wird immer unbeständiger und unberechenbarer, Boom- und Krisenphasen wechseln sich schneller ab. Darauf muss die Tarifpolitik eine Antwort finden.
- Leiharbeit begrenzen und besser bezahlen
Arbeitgeberpräsident Martin Kannegießer hat bereits signalisiert: „Wir haben begriffen, dass man bei den Löhnen etwas machen sollte.“ Auch bei den Leiharbeitnehmern kalkulieren die Metall-Arbeitgeber ein Lohnplus ein.
Die IG Metall sagt: Das ist auch dringend geboten. Denn das Lohngefälle zwischen den Leihbeschäftigten in den Metallbetrieben und ihren fest angestellten Kolleginnen und Kollegen ist riesig. Durchschnittlich über 40 Prozent weniger erhält ein Leiharbeitnehmer für die gleiche Arbeit. Die IG Metall will für die rund 300 000 Betroffenen einen Branchenzuschlag durchsetzen. Den sollen die Verleihfirmen künftig zusätzlich auf den Leiharbeiterlohn zahlen. Darüber verhandelt die IG Metall ab 22. Februar mit den Verbänden der Verleihbranche.
Die Arbeitgeber lehnen
mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeitern ab. Die Leiharbeit zu begrenzen sei „schädlich und nicht akzeptabel“ und „schränke die Flexibilität der Betriebe ein“. Betriebsräte müssten sich auf die Stammbelegschaft konzentrieren.
Die IG Metall sagt: Leiharbeit ist Lohndrückerei. Und diesen Missbrauch will die IG Metall stoppen. Nach dem Gesetz sollen Firmen Leiharbeiter nur dann einsetzen dürfen, wenn unerwartet vorübergehend viel mehr Arbeit ansteht als gewöhnlich. Tatsächlich missbrauchen Betriebe Leiharbeit aber immer häufiger, um feste und gut bezahlte Arbeitsverhältnisse durch „billige“ Leiharbeit zu ersetzen. Deshalb fordert die IG Metall: Betriebsräte brauchen eine erweiterte Mitbestimmung. Sie müssen künftig mitentscheiden, ob und wo wie viele Leihbeschäftigte wie lange eingesetzt werden dürfen. Darüber verhandelt die IG Metall mit den Metall-Arbeitgebern.
- Unbefristete Übernahme zur Regel machen
Die Arbeitgeber finden eine unbefristete Übernahme Jugendlicher nach der Ausbildung als „völlig daneben“. Mit ihr drohe ein „Berufsbeamtentum“, meint Arbeitgeberpräsident Kannegiesser. Außerdem würde eine solche „Zwangsübernahme“ den Jugendlichen schaden. Die Betriebe würden dann weniger Ausbildungsplätze anbieten.
Die IG Metall sagt: Mit solchen Äußerungen diskreditiert Kannegiesser die ganz normalen Wünsche junger Menschen, die nach der Ausbildung einfach nur eine sichere und gute Zukunftsperspektive wollen. Fakt ist: Die Metallindustrie bildet nicht über Bedarf aus. Die Ausbildungsquote der Metall- und Elektroindustrie liegt bei fünf Prozent der Beschäftigten. Das ist zu wenig, um den Bestand an Facharbeitern zu sichern. Nötig wären sieben Prozent. Sollte ein Unternehmen tatsächlich mal über Bedarf ausbilden, sind Ausnahmen möglich. Das gilt auch dann, wenn ein Betrieb sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindet und nicht alle Ausgebildeten übernehmen kann. Dass das funktioniert, beweist die Stahlbranche. Dort ist die unbefristete Übernahme der Auszubildenden schon seit 2011 tariflich geregelt. Hat ein Betrieb über Bedarf ausgebildet oder besteht ein akutes Beschäftigungsproblem, kann er von dieser Regel abweichen – wenn der Betriebsrat zustimmt.