Interview mit Ali Güzel, Betriebsrat bei ThyssenKrupp
Gegenseitiger Respekt ist das A&O für den Zusammenhalt

Ali Güzel arbeitet bei ThyssenKrupp Steel in Duisburg. Der 43-Jährige war von Anfang an dabei, als die Idee mit den „Kulturmittlern“ aufkam. Heute ist er Betriebsrat, Vorsitzender des Migrations-Ausschusses und Kopf des Kulturmittler-Vereins.

3. Mai 20113. 5. 2011


Ali, bevor wir über die Kulturmittler reden: Was bedeutet Respekt am Arbeitsplatz für Dich?
An unserem Standort arbeiten Menschen aus 142 Ländern zusammen. Wir alle verbringen hier viel Zeit miteinander. Gegenseitiger Respekt ist das A&O für den Zusammenhalt. Ich setze viel Kraft und Geduld dafür ein, dass wir unsere Gemeinsamkeiten erkennen sowie Vorurteile und Ängste abbauen.

Seit 2001 gibt es bei Euch sogenannte Kulturmittler. Wie seid Ihr auf diese Idee gekommen und was ist deren Aufgabe?
Auslöser für diese Idee waren die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001. Auf einmal waren auch in Deutschland sämtliche Migranten potenzielle Terroristen. Das ist natürlich übertrieben formuliert, aber es gab einen Schub für die Skepsis gegen Ausländer. Wir haben in Seminaren zunächst 30 Kulturmittler ausgebildet, inzwischen sind es 140 an unserem Standort. Auch Führungskräfte sind dabei. Die Kulturmittler organisieren aktiv einen Austausch zwischen den Kulturen und Religionen, zum Beispiel gehen sie mit Kollegen in eine Moschee oder Synagoge. Einer sagte danach: „Jetzt kann ich mir selbst ein besseres Bild von Eurer Religion machen.“ Solche Aktionen sind kleine Meilensteine für respektvollen Umgang.

Aber es gibt doch sicher auch handfeste Konflikte zwischen den verschiedenen Nationalitäten am Arbeitsplatz?
Richtig. Und das ist die zweite Aufgabe der Kulturmittler. Sie können jederzeit als Schlichter gerufen werden. Ein Problem sind die Urlaubsansprüche im Sommer. Kollegen mit Wurzeln im Ausland haben dort oft Familie und Freunde. Und sie wollen lange Urlaube bei ihnen verbringen. Die Schlichter finden fast immer eine Lösung, mit der alle zufrieden sind. Ansonsten haben wir natürlich Schmierereien auf den Toiletten. „Türken gehören in den Hochofen“, zum Beispiel. Wird einer erwischt, gibt’s die Kündigung. Und mit den Kollegen aus dem entsprechenden Arbeitsbereich sprechen wir dann offen. Jeder hat das Recht auf Würde, dafür wollen wir sensibilisieren.

Wie sieht es aus mit der gerechten Eingruppierung in die Entgeltgruppen?
Auch das ist ein wichtiges Feld fürdie Kulturmittler. Sie gucken Vorgesetzten auf die Finger, damit keiner wegen seiner Herkunft diskriminiert wird. Als Migrant kommt man ja nicht dümmer auf die Welt als ein Deutscher. Und nur wer gerecht verdient, identifiziert sich mit seiner Arbeit und seinem Betrieb. Das weiß auch unser Arbeitsdirektor. Er unterstützt übrigens die Etablierung von Kulturmittlern.

Was muss denn deutschlandweit gegen Rassismus getan werden?
Die Deutschen dürfen nicht müde werden, auf Migranten neugierig zu sein. Das Ganze ist natürlich keine Einbahnstraße: Migranten müssen auch bereit sein, sich zu integrieren, und dürfen die Deutschen nicht als „ungläubige Christen“ abstempeln. Jeder darf an das glauben, was er gut findet. Wenn der Respekt in diesem Sinne steigt, können wir die Mauer der Beziehungslosigkeit durchbrechen.

Wer mehr wissen möchte über das Kulturmittler-Konzept schreibt eine E-Mail an Ali Güzel.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen