Dirk Altmeier

Dirk Altmeier, Ford Saarlouis, macht seinen Industriemechanikerabschluss nach.


Oder so wie bei Ford in Saarlouis. Dort betritt Dirk Altmeier jeden Morgen um kurz vor sechs Uhr die Ausbildungswerkstatt. Klingt normal. Ist es aber nicht. Der Metaller ist 51 Jahre alt. Seinen Berufsweg hat er als Radio- und Fernsehtechniker begonnen. Zuletzt hat er bei Ford mehrere Jahre lang an der Montagelinie gearbeitet, als „Operator“. Nun macht er eine Umschulung zum Industriemechaniker. Einfach war diese Entscheidung für ihn nicht. „Ich habe lange überlegt, ob ich das noch machen soll“, erzählt der Metaller. Aber der Automobilmarkt verändere sich immer schneller, die Automatisierung schreite voran, Fachwissen sei gefragt. „Ob ein Arbeiter künftig noch 40 Jahre am selben Platz arbeitet? Das wird wohl nicht mehr so oft vorkommen.“

Es ist aber nicht nur die reine Notwendigkeit, die Dirk Altmeier zu der Weiterbildung bewogen hat. Er will sich weiterentwickeln, beweglich bleiben, vielseitig einsetzbar sein. „Ich stagniere nicht gern und versuche, mit der Zeit zu gehen, nicht gegen sie zu arbeiten“, sagt er. Auch deshalb ist er froh, dass es durch die Mitarbeiterqualifizierung bei Ford eine Möglichkeit gibt, sich fortzubilden. Entstanden ist das Weiterbildungsprojekt in Zusammenarbeit von Betriebsrat und Geschäftsführung. Beide sehen darin die Möglichkeit, dass Beschäftigte einen anerkannten, qualifizierten Berufsabschluss erlangen oder sich für einen neuen Beruf qualifizieren.

Zielgruppe sind An- und Ungelernte und sogenannte berufsfremde Beschäftigte, wie Dirk Altmeier. Sie können verschiedene Abschlüsse erwerben: Fachkraft Lagerlogistik, Industrie- oder Werkzeugmechanikerin, Elektroniker für Automatisierungstechnik. Zwei bis zweieinhalb Jahre dauern die Qualifizierungen. Am Ende steht eine IHK-Prüfung. Während der gesamten Zeit erhalten die Beschäftigten ihr reguläres Entgelt. Die Resonanz der 5000 Beschäftigte zählenden Belegschaft ist gut. Die Nachfrage ist derzeit größer als das Angebot.


Auf der Hütte

Ortswechsel, andere Branche: Nicht weit entfernt vom Ford- Werk Saarlouis liegt der Saarstahl-Standort Völklingen.

Dort wollte der Arbeitgeber Personal abbauen. Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen sollten gehen, auch wenn sie kurz vor der Übernahme in die Festanstellung standen. Der Betriebsrat machte einen Gegenvorschlag: Warum nicht Zeit überbrücken, bis der Betrieb wieder besser läuft – und diese Phase für Weiterbildung nutzen?

„Die Idee haben wir innerhalb weniger Wochen umgesetzt“, erinnert sich Michael Mang, der im Saarstahl-Betriebsrat für Qualifizierung zuständig ist. „Für uns war das Wichtigste, den Kollegen zu sagen: Wir können Euch eine Alternative anbieten.“

Manche seien zunächst etwas skeptisch gewesen, sagt Mang. Wieder in die Lehre gehen? Nach Jahren oder gar Jahrzehnten im Job? Ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke. „Aber nach einigen Wochen haben sie gesagt: Passt!“

Die Qualifizierungen bei Saarstahl sind stark praxisorientiert. Es wird nicht nur gebüffelt, sondern auch viel geschweißt. An- oder Ungelernte können so ihren Berufsabschluss nachholen: als Fachkraft für Metalltechnik, Fachrichtung Montagetechnik. Die Weiterbildung findet direkt im Unternehmen statt. Saarstahl hat sich eigens dafür zertifizieren lassen.

Mit dem Abschluss verbessern die Metaller ihre berufliche Situation dauerhaft. Eine solide Ausbildung ist der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Laut Bundesagentur für Arbeit haben drei von fünf Langzeitarbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Coronakrise hat den Bedarf an ungelernter Arbeit jäh beendet.

Wie bei Saarstahl sind es oft die Betriebsräte, die das Thema Weiterbildung vorantreiben. Die IG Metall hat deshalb bei der Bundesregierung darauf gedrängt, dass Betriebsräte bei der Qualifizierung mehr mitbestimmen können. Ergebnis ist ein neues Gesetz, das zumindest die Mitsprache stärkt. Ein generelles Initiativ- und Mitbestimmungsrecht fehlt allerdings noch. Für die IG Metall ist das ein wichtiger Auftrag für die nächste Bundesregierung.

Doch darauf müssen die Beschäftigten in vielen Metallbetrieben zum Glück nicht warten. Dennis Esto wird nach der Bundestagswahl schon auf halbem Weg zum Fachinformatiker sein.

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