Berufsschultour der IG Metall
Ihr könnt einen Tarifvertrag durchsetzen

Die IG Metall war eine Woche im Rahmen ihrer Berufsschultour an der Berufsschule in Lennestadt im Sauerland. Um aufzuklären, zu beraten und um Auszubidende für die IG Metall zu begeistern.

31. März 201031. 3. 2010


Das Berufskolleg in Lennestadt im Sauerland liegt oberhalb eines Wohngebiets auf dem Berg, mit freiem Blick auf die Waldhänge gegenüber. Erste Pause um 9.15 Uhr. Vor der Schule drängen sich wie immer die Raucher auf der kleinen Zufahrtsstraße, die mit den Autos der Schüler vollgeparkt ist. Drinnen im Foyer sieht es anders aus als sonst: Die ganze Woche über ist die IG Metall da – mit Infoständen, Material und Ansprechpartnern. Und sechs junge ehrenamtliche „Teamer“ der IG Metall gehen in die Klassen und informieren über Rechte und Pflichten in der Ausbildung – und über die IG Metall.

Keine Mitglieder – kein Druck – kein Tarif
„Was wisst Ihr überhaupt über die IG Metall?“, will Teamerin Anke Zaar von den Schülern einer Kfz-Handwerksklasse wissen, knapp 25 junge Männer, eine Frau. „Nichts Gutes.“ „Die streiken immer.“ „So ein Club halt.“ Gelächter. Einige spielen mit ihren Handys, einer pennt mit dem Kopf auf demTisch. Die Lacher verstummen, als es um die Bedingungen und Rechte in der Ausbildung geht. „Ich muss immer samstags die Autos waschen. Das ist doch nicht okay“, bemerkt einer. Viele kloppen endlos Überstunden. Auch nicht okay in der Ausbildung. Genauso wenig wie „Arbeitskleidung vom Lohn abziehen“. Einige haben nicht einmal einen schriftlichen Ausbildungsvertrag. Und alle sind erstaunt: „Was – so viel Geld gibt es im Metall-Tarif? Warum bei uns nicht? Ist doch unfair. “So ist das eben: Keine Mitglieder – kein Druck – kein Tarif. Und einen Betriebsrat? Hat kaum einer. „Das will der Chef nicht. Macht nur Ärger.“

Am Ende der zwei Unterrichtsstunden kommt der Berufsschullehrer rein: „Und jetzt geht Ihr draußen an den Stand und tragt Euch da ein, für Eure Zukunft.“ Die beiden jungen IG Metall-Teamer sind baff.

Kaffee, Lollis und IG Metall-Aufnahmescheine
Draußen am Infostand gibt es Kaffee, Lollis und Kulis – und IG Metall-Aufnahmescheine. Fünf Kfz-Auszubildende unterschreiben direkt. „Ich brauch das“, sagt einer. „Unser Chef hält sich an keine Verträge, zahlt kein Fahrgeld.“ Andere überlegen noch mal. André Arenz von der IG Metall Olpe beantwortet geduldig Fragen. Er ist hoch zufrieden. Berufsschule und Lehrer hier sind sehr offen. „Das ist nicht immer so“, erzählt Teamer Christoph Kurre, der oft bei den Berufsschultouren der IG Metall dabei ist. „Da gibt es auch Lehrer, die querschießen und uns testen wollen.“

Gegen Mittag strömen die ersten durch das Foyer zum Tor raus. „Nein. Kein Feierabend – wir müssen noch arbeiten.“ Noch mal in den Betrieb nach der Berufsschule: in Maßen okay. Teamerin Anke Zaar schüttelt sich. „Das hab ich immer am meisten gehasst. “Wie fast alle Teamer hat sie selbst mal eine Ausbildung gemacht und war schon in der IG Metall-Jugend aktiv, bevor sie mit dem Politik-Studium anfing.

Überraschend kommt dann doch noch eine weitere Unterrichtseinheit auf die Teamer zu. Sieben sind es damit heute. Ein Berufsschüler hat das spontan für seine Industriekaufleute-Klasse organisiert. „Ich bin selbst IG Metall-Mitglied und finde das einfach wichtig“, erklärt er. Die Teamer Dennis Tschorn und Yasemin Kis übernehmen.

Was ist eine Gewerkschaft oder ein Tarif?
Bei den Industriekaufleuten haben es die Teamer leichter als ihre Kolleginnen und Kollegen bei den Kfzlern: eine kleinere Klasse, ein wohnlicher Raum mit Teppich und PCs. Jura-Student Dennis zieht seine Themen als Prüfungsvorbereitung auf – und hat die volle Aufmerksamkeit. Denn Arbeitsrecht gehört zum Lehrstoff der Industriekaufleute. Betriebsrat, Rechte und Pflichten in derAusbildung sind hier ein Begriff. Doch von Gewerkschaft oder Tarif haben auch hier bislang die wenigsten eine Ahnung. „Streik.“ Das war’s im Wesentlichen.

Ihr seid die IG Metall
„Was glaubt Ihr, wieviel Ausbildungsvergütung Ihr laut Gesetz bekommen müsst?“, fragt Teamerin Yasemin in die Runde. „600, 650 Euro im Monat?“ Nein. Im Gesetz steht nur „angemessen“. Aber was ist „angemessen“? Ratlosigkeit. Und zu Weihnachts- und Urlaubsgeld steht gar nichts im Gesetz. Klare Beträge gibts nur im Tarifvertrag, zudem mehr Urlaub und kürzere Arbeitszeiten.

„Aber wo ist der Haken?“, fragt ein Azubi kritisch nach. „Was bringt mir die IG Metall, wenn im Betrieb gar kein Tarifvertrag gilt?“ Rechtsschutz, Beratung, Bildung – „und mit genügend Mitgliedern könnt Ihr einen Tarifvertrag durchsetzen. Ihr, nicht die IG Metall. Alle können mitreden“, erklärt Dennis und macht weiter mit der Aufstellung der Tarifforderung, Verhandlung, Warnstreik, Urabstimmung und Streik. „Wenn der Arbeitgeber sieht, dass er da Geld verlieren kann, lenkt er eher ein.“

„Kommt wieder“
Öfter kommt IG Metall-Sekretär André Arenz auch direkt in den Unterricht, um kompliziertere Fachfragen zu klären – und direkt Tipps zu geben. „Da waren schon ein paar Hämmer dabei“, erzählt André. „Etwa eine Auszubildende, die regelmäßig das Privatauto ihres Chefs putzen muss.“

Viele können kaum glauben, dass es vor Ort einen direkten Ansprechpartner der IG Metall gibt, der ihnen weiterhilft, sagt André. „Die sind oft schon glücklich, wenn ich ihnen direkt im Foyer ihren Ausbildungsrahmenplan ausdrucke. Gerade in den kleinen Handwerksbetriebenwissen die oft gar nichts über ihre Rechte.“

Die Bilanz am Ende der Woche
43 Unterrichtseinheiten, deutlich mehr als geplant. Die Auszubildenden wissen mehr. Die Lehrer sind zufrieden. Der Schulleiter sagt: „Kommt wieder“. Und die IG Metall hat 45 neue Mitglieder. Sogar die Frau des Hausmeisters ist eingetreten.

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