Neben der Elektromobilität ist für die Automobilindustrie gerade das wichtigste Thema das „autonome Fahren“. Die derzeit von allen großen Herstellern entwickelten und erprobten Systeme haben dabei eines gemeinsam: Sie sind auf die sogenannte Cloud angewiesen. Also Speicher- und Rechenkapazitäten außerhalb des Fahrzeugs, mit deren Hilfe ein digitales Abbild des Verkehrsgeschehens erzeugt werden kann. Dazu arbeitet die Branche eng mit den großen US-Techkonzernen zusammen. Und genau das erzeugt bei so manchem Besorgnis. „Was bei der Elektromobilität die Batteriezelle aus Fernost ist, ist beim autonomen Fahren die Cloud. Dort machen sich die Hersteller gerade zu sehr abhängig von Dritten“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann unserer Redaktion. Amazon, Microsoft und Google würden zwischengeschaltet, um die Konnektivität der Fahrzeuge zu sichern. Es fehle an europäischen Alternativen. „Die Bedrohung geht weniger vom lustigen, kleinen Google-Fahrzeug aus. Die Gefahr entsteht dadurch, dass in einer wesentlichen Stufe der Wertschöpfung beim autonomen Fahren es keine Datensouveränität europäischer Hersteller gibt“, warnt er. „Wir brauchen eine öffentlich regulierte europäische digitale Infrastruktur, nicht nur bei den Netzen, sondern auch bei den Cloud-Services.“
Dabei gibt es durchaus Beispiele, dass sich hiesige Autobauer unabhängiger von US-Firmen machen. So hatten etwa Audi, BMW und Daimler den Kartendienst Here gekauft. „Ich war so glücklich, ein Beispiel für Vernunft in dieser Branche zu sehen“, sagt Hofmann angesprochen auf den Kartendienst. „Aber auch Here baut auf einer der Clouds der drei US-Konzerne auf. Wir brauchen eine eigene Lösung. Ansonsten begeben wir uns unnötig in Abhängigkeiten von einem oligopolistischen Markt, der am Ende über sensible Daten verfügt und die Preise diktieren kann.“ Das gelte im Übrigen nicht nur fürs Automobil, sondern auch für die Medizintechnik oder den Maschinenbau, also für all diejenigen, die mit Big-Data arbeiten.
Doch wer müsste eine solche europäische Cloud anstoßen? „Das kann doch analog zum Aufbau der Energie- oder Telekommunikationsnetze laufen“, schlägt Hofmann vor. „Die Regulierungsbehörde schreibt es aus und definiert die Bedingungen, etwa für Zugangsrechte, Datenschutz und Datensicherheit, die Unternehmen liefern sich einen Wettbewerb. Das kann, aber muss ja nicht über staatliche Investitionen laufen.“
Begibt sich die Automobilbranche tatsächlich sehenden Auges in ein schädliches Abhängigkeitsverhältnis? Der Automobilexperte vom CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, winkt ab: „Große Abhängigkeiten gibt es auch von Saudi-Arabien in Sachen Öl. Technisch machbar wäre es, aus Braun- oder Steinkohle Brennstoff zu erzeugen. Aber die Frage ist doch, ob alles was technisch machbar ist, auch effizient ist.“ Natürlich könnten die europäischen Autobauer eigene Cloud-Dienste aufbauen. Aber es gebe zahlreiche Anbieter von Cloud-Lösungen, dass man mitnichten von Monopolen sprechen köne, so Dudenhöffer. „Es stimmt, dass es sich in gewisser Weise um eine Aufgabe von Datensouveränität handelt, aber die Angst scheint mir schon sehr abstrakt. Man kann auch vom Dachziegel erschlagen werden, wenn man auf die Straße tritt.“ Er halte die Überlegungen des IG-Metall-Chefs für übertrieben.
Quelle: Rheinische Post vom 15.12.2018; Autor: Maximilian Plück.