DGB-Index Gute Arbeit 2022
Wie Digitalisierung die Arbeit der Beschäftigten verändert

Digitale Arbeitsmittel prägen den Alltag vieler Beschäftigten. Wie aber wirkt sich der Einsatz moderner Technologien auf die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen aus? Das hat der DGB-Index Gute Arbeit untersucht. Die repräsentative Studie zeigt: Gute digitale Arbeit muss aktiv gestaltet werden.

6. Dezember 20226. 12. 2022


Digitale Geräte sind aus der Arbeitswelt nicht wegzudenken. Der Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die mit digitalen Mitteln arbeiten, ist hoch, er wächst immer weiter. Der aktuelle DGB-Index Gute Arbeit zeigt: 83 Prozent der Kolleginnen und Kollegen verwenden bei ihrer Arbeit digitale Technik. Für knapp zwei Drittel von ihnen (63 Prozent) prägen digitale Anwendungen den Arbeitsalltag im hohen Maß.

Prinzipiell gilt hier: Der Grad der Digitalisierung hängt stark mit den Anforderungen der Tätigkeit zusammen. Je höher die Qualifikationsanforderungen, desto häufiger wird mit digitaler Technik gearbeitet. Digitalisierte Arbeit zeichnet sich dazu häufig dadurch aus, dass die Beschäftigten mehrere digitale Arbeitsmittel verwenden. Am weitesten verbreitet ist digitale Kommunikation; sie wird von vier Fünftel aller Beschäftigten bei der Arbeit genutzt.

Die Ergebnisse der repräsentativen DGB-Umfrage unter knapp 7000 Beschäftigten zeigen nun: Viel zu oft nutzen Unternehmen neue digitale Technologien, ohne dabei die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen mitzudenken. Und viel zu oft werden Interessenvertretungen und Beschäftigte nicht ausreichend in die Veränderungsprozesse einbezogen. Insgesamt drei Viertel der Befragten können keinerlei Einfluss auf die Digitalisierung ihrer Arbeit nehmen.


Mehr Stress durch Digitalisierung

Das aber ist ein Problem. Die DGB-Studie zeigt klar: Digitale Arbeitsmittel werden nur selten so eingesetzt, dass sie die Arbeitsbelastung reduzieren. Nur knapp zehn Prozent (es sind exakt 9 Prozent) der digitalisiert Arbeitenden nehmen eine Entlastung wahr. Dagegen sehen sich 40 Prozent durch die Digitalisierung stärker belastet. Eine stärkere Arbeitsbelastung im Kontext der Digitalisierung kann verschiedene Gründe haben. Eine mögliche Ursache ist eine stärkere Fremdbestimmung bei der Geschwindigkeit der Arbeitsausführung. Wenn vernetzte Geräte oder algorithmische Systeme das Tempo vorgeben, bleibt oft die selbstbestimmte Arbeitsgestaltung auf der Strecke.

Hinzu kommt: Knapp die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen (48 Prozent), die mit digitalen Geräten arbeiten, muss eine größere Arbeitsmenge bewältigen. Deutlich weniger Befragte, nämlich nur 6 Prozent, sehen eine Reduzierung der Arbeitsmenge. Ein weiterer kritischer Punkt: Die Belastung durch Multitasking ist ebenfalls für viele Beschäftigten größer geworden. Hier sind es 46 Prozent, die nun häufiger vor der Aufgabe stehen, verschiedene Vorgänge gleichzeitig zu bearbeiten. Lediglich drei Prozent sehen aufgrund der Digitalisierung eine Verringerung der Zahl der gleichzeitig zu bearbeitenden Vorgänge.

 

Häufig keine Pause zwischen Videokonferenzen

Die weite Verbreitung der digitalen Kommunikation hat mit dem Einsetzen der Corona-Pandemie auch zur Ausweitung von Videokonferenzen geführt. Eine Voraussetzung für diese Entwicklung war die Digitalisierung von Kommunikations- und Informationskanälen. Die verstärkte Nutzung von Videokonferenzen aber ist nicht nur eine technische Neuerung – sie ist auch mit einer Veränderung der Arbeit verbunden. Die Zahlen des DGB-Index zeigen: Für die Hälfte der Betroffenen ist die Zahl der Besprechungen durch den Einsatz von Videokonferenzen größer geworden. Damit gehen zusätzliche Belastungen einher.

Die Technik macht es möglich, eine Videokonferenz unmittelbar auf die nächste folgen zu lassen. Ehemals besprechungsfreie Zeiten zwischen zwei Terminen können dadurch wegfallen – und so Stress verursachen. Das ist ein weit verbreitetes Phänomen: Werden Videokonferenzen (sehr) häufig genutzt, gibt fast die Hälfte der Befragten an, dass die Zahl der Besprechungen in der Arbeit in sehr hohem oder hohem Maß zugenommen hat. Jeder und jede Vierte berichtet, dass (sehr) häufig eine Videokonferenz ohne Pause auf die andere folgt. Knapp die Hälfte der Betroffenen (48 Prozent) nimmt dieses pausenlosen Videobesprechungen als Mehrbelastung wahr.

 

Viele Beschäftigte fühlen sich der Technik ausgeliefert

Die Zahlen zeigen auch: Nur jeder vierte Beschäftigte, der mit digitalen Geräten arbeitet, kann Einfluss darauf nehmen, wie der eigene Arbeitsplatz durch die Digitalisierung verändert wird. Je geringer aber die Beteiligung an den Veränderungsprozessen ausgeprägt ist, desto häufiger fühlen sich Beschäftigte der digitalen Technik ausgeliefert. Der Anteil steigt von 22 Prozent in der Gruppe mit sehr hohem Einfluss auf 44 Prozent bei denen, die gar keinen Einfluss auf die Digitalisierung ihrer Arbeit haben.

Ohne angemessene Beteiligung der Beschäftigten, so die Folgerung der Studie, werden die Veränderungen, die eine fortschreitende Digitalisierung der Arbeit mit sich bringt, deutlich kritischer bewertet: Die Arbeitsbelastung der Beschäftigten ist höher. Die Überwachung und Kontrolle der Arbeitsleistung ist weiter verbreitet. Und die Beschäftigten fühlen sich der Digitalisierung häufiger ausgeliefert.

 

Mitbestimmung hat positiven Einfluss

Es gibt aber auch eine gute Nachricht. Die Umfragedaten zeigen: Betriebliche Mitbestimmung hat einen klar messbaren, positiven Einfluss beim Einsatz von digitaler Technik. Immer dann, wenn Beschäftigte Einfluss auf die Digitalisierung ihrer Arbeit nehmen können, bewerten sie die Veränderungen positiver. Und immer dort, wo ein Betriebsrat im Unternehmen gewählt wurde, gibt es häufiger betriebliche Regelungen, mit denen die Beschäftigten vor unerwünschten Folgen, vor Belastungen und Stress geschützt werden.

Das liegt auch daran, dass in Betrieben mit Betriebsrat ein größeres Augenmerk auf Qualifizierung und Weiterbildung gelegt wird: Wenn eine Interessenvertretung gewählt wurde, berichten Beschäftigte deutlich häufiger von betrieblichen Schulungsangeboten – nämlich 76 Prozent – als Beschäftigte aus Betrieben ohne Betriebsrat. Hier sind es lediglich 60 Prozent.

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