Jahrespressekonferenz der IG Metall
So geht die IG Metall ins Wahljahr

Neue Mitglieder, mehr Tarifbindung, viele Pläne: Bei ihrer Jahrespressekonferenz geben die IG Metall-Spitzen Auskunft über die aktuelle Entwicklung der IG Metall – und beschreiben die wichtigsten Ziele der Gewerkschaft.


25. Januar 201725. 1. 2017


Einmal im Jahr zieht die IG Metall Bilanz: Auf ihrer Jahrespressekonferenz, die heute erstmals in Berlin stattfand.

Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, ging zunächst auf die positive Mitgliederentwicklung ein: 2 274 000 Millionen Menschen gehörten Ende 2016 der IG Metall an. Damit konnte die IG Metall zum sechsten Mal hintereinander mit einem positiven Ergebnis abschließen. „Besonders erfreulich ist, dass die Zahl der betrieblichen Mitglieder auf 1 569 690 gestiegen ist. Damit ist sie so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr“, sagte Hofmann.

 

Zudem nähere sich die Mitgliederstruktur immer mehr der Struktur der Beschäftigten an. „Wir haben erfolgreich in neuen Branchen – wie der Windkraftindustrie – Betriebe gewerkschaftlich organisiert. Bei neuen Geschäftsmodellen – wie der Kontraktlogistik – konnten in vielen Betrieben Belegschaften organisiert und Tarifbindung hergestellt werden.“

 

 

 

 

Jörg Hofmann betonte die Bedeutung der Tarifbindung. Es gebe eine Schere, die in Deutschland zu weit auseinander gehe: „Und diese verläuft längs der Frage: Tarifgebunden oder nicht?“ Keinen Tarifvertrag zu haben, bedeute im Schnitt 20 Prozent weniger Entgelt, drei Stunden mehr arbeiten, vier Tage weniger Urlaub.

Die IG Metall hat 2016 die Tarifbindung deutlich gestärkt. Hofmann nannte Zahlen: 145 Betriebe und damit 36 000 Beschäftigte stünden erstmals unter dem Schutz eines Tarifvertrags.

Hofmann wandte sich auch gegen „die Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten durch Neustrukturierungen“. In Zukunft müsse gelten: Verkauf, Betriebsaufspaltung, Auslagerung von Wertschöpfung dürfen kein Schlupfloch sein, der Tarifbindung zu entfliehen.


Agenda für das Wahljahr

Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl ging Hofmann auf die allgemeine soziale Situation in Deutschland ein: „Die Menschen fragen sich, wie es mit ihnen und ihrer Arbeit weiter geht“, sagte er. „An die Stelle des Glaubens an Aufstieg durch Bildung und Leistung haben sich Abstiegsängste in die Mitte der Gesellschaft gefressen.“ Dies gelte etwa für die Rente und die Angst vor Altersarmut, aber auch für das Arbeitsleben.

Als Beispiel nannte Hofmann die Transformation der Autoindustrie, die bei vielen Beschäftigten für Verunsicherung sorge. „Die politische Antwort auf diese Transformationen kann nur heißen: Sicherheit verlangt Investitionen in die Zukunft“, sagte er. Wertschöpfungsketten müssten in Deutschland gehalten werden. Dazu müsse der Staat handlungsfähig sein und in die Infrastruktur investieren.

Gleichzeitig müsse der Wandel so gestaltet werden, dass die Menschen auch in Zukunft sicher, gerecht und selbstbestimmt leben und arbeiten können.

Hofmann forderte dazu ein „radikales Umdenken“ in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik – mit einem Anspruch auf berufliche Neuorientierung und Fortbildung während des ganzen Erwerbslebens. „Beschäftigte sind keine Wegwerfartikel, derer man sich entledigt, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.“

Vielmehr gehe es um die Fragen: „Wie organisieren wir Arbeitszeit so, dass Erhalt von Gesundheit und Qualifikation im Mittelpunkt steht und nicht deren Verschleiß? Und wie organisieren wir Arbeitszeit, damit jedem und jeder die Möglichkeit gegeben ist, voll am Erwerbsleben teilzuhaben? Wie kann die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben verbessert werden?“

Flexibilität, forderte Hofmann, dürfe nicht nur zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Die Beschäftigten müssten die Souveränität im Umgang mit der Zeit zurückgewinnen.


Stimme der Beschäftigten

Die IG Metall setzt bei diesen Punkten auf Beteiligung: Derzeit läuft eine groß angelegte Befragung: 2,3 Millionen Fragebögen sind verteilt, in rund 13 700 Betrieben werden die Beschäftigten noch bis Ende Februar befragt.

Die Ergebnisse der Befragung – die ab Ende April vorliegen werden – nannte Hofmann einen „direkten Auftrag hunderttausender Menschen, die Interessen der Beschäftigten in die betriebliche, tarifliche und politische Debatte zu tragen“. Dabei stehe das Thema Arbeitszeit im besonderen Fokus. „Lange genug haben die Arbeitgeber die Durchsetzung ihrer Flexibilitätsinteressen als Privileg verstanden. Jetzt sind die Beschäftigten dran“, sagte der IG Metall-Vorsitzende.


Mehr Junge, mehr Frauen, mehr Studierende

Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, betonte in ihrer Rede das Mitgliederwachstum in strategisch wichtigen Zielgruppen: bei jungen Beschäftigten, bei den Frauen, bei Angestellten und Ingenieurberufen. „43 Prozent unserer neuen Mitglieder sind junge Beschäftigte bis 27 Jahre“, sagte Benner. „Bei den Studierenden sind wir sogar um 20 Prozent gewachsen.“ Damit seien heute mehr als 234 000 junge Menschen Mitglieder der IG Metall.

Auch bei den Frauen hat die IG Metall 2016 zugelegt: Zwanzig Prozent aller Neu-Mitglieder sind weiblich. „Das heißt, wir organisieren Frauen fast im gleichen Verhältnis, in dem sie auch in unseren Branchen arbeiten“ erklärte Benner. Insgesamt sind damit mehr als 407 000 Frauen Mitglied der IG Metall.

Bei den Angestellten wuchs der Mitgliederbestand um 1,8 Prozent, bei Ingenieurinnen und Ingenieuren und technischen Expertinnen und Experten um 2,1 Prozent.

 

 

 

 

Fazit von Christiane Benner: „Die IG Metall wird also jünger und vielfältiger. Noch vielfältiger muss man sagen. Denn Vielfalt ist bei uns der Normalfall.“ Fast 500.000 Mitglieder der IG Metall hätten einen sogenannten Migrationshintergrund.

„Ausbildung, Arbeit, Mitbestimmung und gewerkschaftliches Engagement waren zentrale Erfolgsfaktoren für die Integration und die Emanzipation von Generationen von Einwanderern in Deutschland – und sind es auch heute noch“, sagte Benner. „Darauf hinzuweisen, ist gerade in Zeiten wie diesen, in der eine Partei wie die AfD die Menschen gegeneinander aufhetzt, besonders wichtig.“ Ob mit oder ohne deutschem Pass – in der IG Metall seien alle Menschen willkommen.


Neuen Branchen erschließen

Für die kommenden Jahre kündigte die Zweite Vorsitzende an, die Mitgliederwerbung mit insgesamt 191 Millionen Euro zu unterstützen. „Es geht um die gezielte Erschließung von neuen Branchen, neuen Betrieben und neuen Beschäftigtengruppen.“ Im Fokus stünden dabei IT-Experten, Daten-Analysten, Ingenieure und Community-Manager. Diese sollen gezielt angesprochen werden.

Außerdem müsse die „Teilzeit-Falle“ beendet werden: Benner lobte dazu den vorliegenden Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts. Damit solle ein Rechtsanspruch geschaffen werden, der eine unbürokratische Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit ermöglicht.


Solide Finanzen

Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall, skizzierte die Finanzlage der IG Metall: „Die IG Metall ist finanziell gut aufgestellt. Wir sind jederzeit handlungsfähig“, lautete seine Kernbotschaft. Auch 2016 konnte die Gewerkschaft die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen steigern (um 2,8 Prozent auf rund 548 Millionen Euro). Das Plus kommt zustande durch die erfolgreiche Mitgliederarbeit vor Ort und durch gute Tarifergebnisse.

„Den Kern unserer gewerkschaftlichen Strategie bildet die Arbeit vor Ort in den Betrieben“, sagte Kerner. Deshalb fließe dorthin auch das meiste Geld: 2016 waren es 192 Millionen Euro, 29 Millionen Euro mehr als vor fünf Jahren. Künftig gehen jährlich zusätzlich zwölf Millionen Euro in die Fläche, um die Arbeit der IG Metall-Geschäftsstellen langfristig abzusichern.

Der Einsatz des Geldes verdeutliche den Schwerpunkt der IG Metall, sagte Kerner: „Wir sind und helfen da, wo die Menschen sind, wo sie leben und arbeiten, wo sie ihre Probleme lösen müssen.“