Ein Hörsaal voller Frauen? In manchen Geisteswissenschaften nichts besonderes. Doch wenn auf dem Studiengang Technik steht, stutzen viele. So ganz versteht Wiebke Kappenberg (Foto) das nicht. „Technische Informatik ist fast ein reiner Männerstudiengang. Das hinterfragt auch niemand.“
Einstieg gelungen
Die 24-Jährige studiert Informatik an der Hochschule Bremen. Ein Studiengang nur für Frauen. Als er vor zehn Jahren startete, musste sich auch Heide-Rose Vatterrott, Professorin für angewandte Informatik, von der Idee überzeugen lassen: „So ganz leuchtete es mir nicht ein, dass wir einen Studiengang nur für Frauen brauchen.“ Zehn Jahre später stellt sie fest: „Es erleichtert Frauen den Einstieg in die Technik.“
Denn Informatik und Co. schrecken noch immer viele Studentinnen ab. An deutschen Hochschulen sind sie zwar in der Mehrheit.?In Fächern wie Informatik, Mathematik oder Maschinenbau schlagen sie sich aber meist als Einzelkämpfer durch. Nur ein Fünftel der Studienanfänger in den Ingenieurswissenschaften 2009 war weiblich. Der Frauenanteil in diesen Fächern stagniert seit Jahren. Die männliche Übermacht im Hörsaal ist zwar nur einer von vielen Gründen, der Frauen vom Technikstudium abhält. Aber in Frauenstudiengängen ist es immerhin einer weniger. In Deutschland gibt es fünf solcher Angebote, die Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsingenieurswesen und Informatik für Frauen anbieten.
Gesundes Halbwissen
Mit oder ohne Männer, das war für Wiebke Kappenberg bei der Studienwahl nicht die entscheidende Frage. Sie hatte sich die Inhalte angeschaut. Bremen gefiel ihr am besten. Erst im Studium merkte sie, dass Frauenkurse auch Vorteile haben. „Es wurden keine Vorkenntnisse verlangt. Im ersten Jahr haben wir die Grundlagen und einiges mehr gelernt. Ein Studium mit Männern wäre wahrscheinlich schwieriger gewesen. Die meisten haben mehr Vorkenntnisse, da sie zu Hause und in der Schule oft mehr gefördert werden.“ Für den Einstieg war es ok. Aber dann sollte auch Schluss sein. Seit dem dritten Semester besucht Wiebke Kappenberg gemischte Kurse. Da konnte sie mit den Männern längst mithalten.
Technische Studiengänge für Frauen
- Die Hochschule Bremen bietet den Internationalen Frauenstudiengang Informatik an. Der Diplomstudiengang umfasst acht Semester, davon ein Auslandssemester in Australien, China, Irland, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz, Schweden oder den Vereinigten Staaten. Weitere Informationen: www.ifi.hs-bremen.de.
- Ein frauenspezifisches Studium Wirtschaftsingenieurwesen bietet die Fachhochschule Wilhelmshaven. Es handelt sich um einen Diplomstudiengang mit acht Semestern. Weitere Informationen: www.fh-oow.de/fbwi/studien/frauen.
- Der Frauenstudiengang Wirtschaftsnetze an der Fachhochschule Furtwangen umfasst als Bachelorstudiengang insgesamt nur sechs Semester. Im Anschluß kann ein Master of Business Consulting oder ein Master Application Architectures ergänzt werden. Weitere Informationen: www.wi.fh-furtwangen.de.
- Wirtschaftsingenieurwesen als Frauenstudiengang hat auch die Fachhochschule Stralsund im Angebot. Der Diplomstudiengang sieht auch hier acht Semester vor.: www.fh-stralsund.de
„Männer und Frauen gehen mit Defiziten anders um“ Kurzinterview mit Heide-Rose Vatterrot, Professorin an der Hochschule Bremen.
Studiert Technik sich für Frauen leichter, wenn sie unter sich sind?
Vatterrot: Das klingt nach Klischee, aber es ist so: Männer und Frauen gehen mit Defiziten anders um. Während Frauen sich einen Kopf machen, sagen Männer: ’Das brauch’ ich eh nicht.’ Da fällt es Frauen nicht leicht, eigenes Unwissen öffentlich zu machen und Fragen zu stellen.
Ab dem dritten Semester können die Frauen gemischte Kurse wählen. Warum?
Vatterrot: Wir wollen die Studentinnen nicht unter einer Käseglocke halten. Gemischte Teams sind die Normalität, und sie sind besser. Mein Traum sind gemischte Studiengängen in diesen Fächern. Aber noch sieht die Wirklichkeit anders aus. In einigen Studiengängen gibt es Jahrgänge ohne ein einziges Mädchen.