Der Beginn der zweiten Verhandlungsrunde im Kfz-Handwerk in Niedersachsen endete am Mittwoch ergebnislos. Die Arbeitgeber legten wieder kein Angebot vor. Auch bei der ersten Verhandlungsrunde in den Tarifgebieten NordOst, Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, NRW, Bayern und Rheinland-Pfalz hatte es keine Annäherung gegeben.
Dabei laufen die Warnstreiks seit letzter Woche. Seit Ende der Friedenspflicht beteiligten sich bereits über 10.000 Beschäftigte an den Warnstreiks. „Die Arbeitgeber versuchen, mit angezogener Handbremse durchs Tarifjahr zu kommen – das funktioniert nicht. Die Beschäftigten haben ein starkes Signal gesendet, und es wird unüberhörbar lauter werden“, sagt Markus Wente, Verhandlungsführer der IG Metall Niedersachsen. Die IG Metall kündigt eine deutliche Ausweitung der Arbeitskampfmaßnahmen an. Die Mobilisierung in den Betrieben läuft auf Hochtouren, neue Streikaktionen sind bundesweit für die zweite Aprilhälfte geplant.
„Die Wertschätzung ist gering, der Arbeitsdruck im Kfz-Handwerk hoch. Und die Arbeitgeber schauen am Verhandlungstisch bislang tatenlos zu“, kritisiert Nadine Boguslawski, die im IG Metall-Vorstand für Tarifpolitik und das Handwerk verantwortlich ist. „Warnstreiks sind jetzt ein wichtiges Schwungrad für die Tarifverhandlungen. Die Beschäftigten wollen dafür sorgen, dass sich die Arbeitgeber bewegen. Sonst verschärft sich der Abwanderungsdruck von Fachkräften in der Branche.“
Für die Stärkung der Kaufkraft sowie zur Fachkräftesicherung fordert die IG Metall 6,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten in den Kfz-Werkstätten und Autohäusern. Auszubildende sollen mit 170 Euro mehr im Monat überproportional höhere Vergütungen erhalten. Diese Forderung für die Laufzeit eines Jahres hat der IG Metall-Vorstand nach Empfehlung der Tarifkommissionen für die Kfz-Tarifrunde beschlossen. Außerdem erwartet die IG Metall von den Arbeitgebern Lösungen für die besondere Belastung der Beschäftigten.
Fachkräftemangel – doch Arbeitgeber mauern
„Anders als in der Industrie laufen die Geschäfte im KFZ-Handwerk gut. Die Stimmung bei den Händlern ist positiv, vor allem die Werkstätten sind bestens ausgelastet“, erklärt Bojidar Beremski, Verhandlungsführer der IG Metall im Kfz-Handwerk Bayern. „Das spüren die Kunden durch lange Wartezeiten und die Beschäftigten durch eine sehr hohe Arbeitsbelastung. Wir wollen jetzt die Kaufkraft der Beschäftigten stärken und sie zusätzlich entlasten, beispielsweise mit einer Wahloption für zusätzliche freie Tage. Wir werden jetzt mit Warnstreiks den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen.“
Aus Sicht der IG Metall braucht das Kfz-Handwerk dringend bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Das zeigt auch eine Befragung unter 12 000 Beschäftigten (siehe unten). Dennoch mauern die Arbeitgeber.
„Die Arbeitgeber haben aufgrund unserer Tarifforderung Gegenleistungen eingefordert. Sie wollen die Entgelte nicht leistungslos erhöhen. Das ist eine Frechheit“, kritisiert Ingo Kontny, Betriebsratsvorsitzender der Mercedes-Benz-Niederlassung in Stuttgart und Mitglied der Verhandlungskommission für das Kfz-Handwerk in Baden-Württemberg.
Auch beim Thema Entlastung blockten die Arbeitgeber ab. „Sie sagten, es gebe ja schon Sonderurlaub im Tarifvertrag, etwa beim Tod des Ehepartners“, berichtet Christian Schwaab, Verhandlungsführer der IG Metall Baden-Württemberg. „Wir gehen nun mit Vollgas in die Warnstreiks, denn wir lassen uns nicht abwimmeln. Ohne Bewegung am Verhandlungstisch bewegt sich was in den Betrieben und auf den Straßen.“
„Die Arbeitgeber sagten, es wäre eher an der Zeit, wieder mehr zu arbeiten“, berichtet Markus Wente, IG Metall-Verhandlungsführer in Niedersachsen. „Und bei der Erhöhung der Ausbildungsvergütung mauern sie total.“
Ein Angebot beim Entgelt legten die Arbeitgeber auch in Niedersachsen nicht vor. „Dabei haben wir ihnen ja vorgerechnet, dass sich beim Geld etwas tun muss“, meint Wente. „Die Stundenverrechnungssätze in den Werkstätten haben sich seit 2017 um 40 Prozent erhöht – die Löhne jedoch nur um 20 Prozent.“
Tarifforderungen kommen aus den Kfz-Betrieben
Die Tarifforderungen für die Kfz-Tarifrunde hat der IG Metall-Vorstand Ende Februar beschlossen – nach Empfehlung der Tarifkommissionen der IG Metall für das Kfz-Handwerk. In den Tarifkommissionen haben in den Wochen davor gewählte Vertreter aus den Betrieben über die Forderungen beraten – und die Diskussionen aus ihren Betrieben zu einer gemeinsamen Forderungsempfehlung zusammengeführt.
„Der Branche geht es insgesamt gut – trotz der mangelhaften Modellpolitik der Hersteller mit Blick auf den Ausbau der Elektromobilität“, erklärt Nadine Boguslawski. „Die Beschäftigten in den Autohäusern verkaufen derzeit insbesondere viele Gebrauchtwagen. In den Werkstätten müssen Kunden wegen der hohen Auslastung und des Fachkräftemangels lange auf einen Termin warten. Viele Beschäftigte arbeiten am Anschlag. Darum ist jetzt dringend Zeit für Entlastungen: im Geldbeutel und bei der Arbeitszeit.“
IG Metall befragte über 12 000 Beschäftigte
Das sehen die Beschäftigten genauso. Im Vorfeld des Beschlusses der Tarifkommissionen hat die IG Metall die Beschäftigten in den Kfz-Betrieben befragt. Eine Mehrheit von 60 Prozent hält eine Forderung von 4 bis 8 Prozent mehr Geld für gerechtfertigt.
70 Prozent der Beschäftigten schätzen die Lage in ihren Betrieben als gut oder sehr gut ein. Der Gebrauchtwagenhandel brummt und erzielt gute Renditen. Der Neuwagenverkauf jedoch stottert, was wiederum gut für das Servicegeschäft in den Werkstätten ist, da das Durchschnittsalter der Fahrzeuge und damit der Reparaturbedarf steigt. Die Auftragsbücher sind voll. Beschäftigte berichten von zunehmender Arbeitsbelastung, hohen Krankenstände und mangelnder Wertschätzung.
Und 54 Prozent der Befragten sagen, dass deshalb vermehrt Beschäftigte den Betrieb verlassen. Anderswo gibt es mehr Geld bei weniger Belastungen.
„Wir haben den Arbeitgebern die Ergebnisse unserer Befragung in der Verhandlung vorgestellt“, berichtet Alexander Reise, IG Metall-Verhandlungsführer im Tarifgebiet NordOst. „Und sie haben auch signalisiert, dass sie den Blick der Beschäftigten auf die Lage in den Betrieben anerkennen.“
Alle Details zur Befragung findet Ihr in unserem Kfz-Handwerk Nr.48.