Jörg Hofmann: Ja, das bin ich. Wir haben sowohl beim Entgelt als auch bei der Altersteilzeit und der Bildungsteilzeit gute Verhandlungsergebnisse erzielt. Zu Beginn der Tarifbewegung war ich nicht sicher, dass wir in allen drei Punkten solche substanziellen Erfolge erreichen werden.
Die Arbeitgeber haben eingesehen, dass es die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben mit ihren Forderungen ernst meinen und dass die IG Metall bei einem Scheitern der Verhandlungen auch streikfähig gewesen wäre. Das zeigt, dass sich der hohe Einsatz der über 870 000 Warnstreikenden gelohnt hat. Sie haben den Arbeitgebern Druck gemacht. Sie haben damit sehr eindrucksvoll demonstriert, dass unsere Forderungen in den Belegschaften verankert sind und sie sind auch bereit, dafür einzutreten.
Das Paket wird bundesweit ausgesprochen positiv aufgenommen. In vielen Tarifkommissionssitzungen ist das Ergebnis einstimmig angenommen worden. Auch das, was ich selbst im Gespräch mit Vertrauensleuten und Betriebsräten höre, ist vor allem Lob und Zustimmung.
Nein, die 3,4 Prozent plus Einmalzahlung überfordern die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie nicht. Wir haben ein vernünftiges Ergebnis. Gerade die Exportindustrie verdient glänzend dank niedriger Importpreise und guter Währungsgewinne im Export. Aktuelle Prognosen gehen von einem robusten wirtschaftlichen Wachstumspfad aus, der wesentlich durch die stabile Binnennachfrage gestützt wird. Das ordentliche Plus für unsere Kolleginnen und Kollegen ist also keine Bedrohung für die Wirtschaft. Im Gegenteil: Wenn die Beschäftigten mehr Geld in der Tasche für den privaten Konsum haben, dann ist das ein guter zusätzlicher Impuls für Wachstum und Beschäftigung.
Zunächst mussten wir die Altersteilzeit an die veränderten Rentengesetze anpassen. Und sie auch über ein neues Finanzierungsmodell als tarifliche Grundlage für flexible Altersübergänge langfristig absichern. Das ist uns gelungen. Für die Beschäftigten wollten wir im Kern drei Punkte verbessern: Erstens höhere Aufstockungsbeträge für die unteren Entgeltgruppen. Das haben wir erreicht. Zum Zweiten wollten wir Wahlmöglichkeiten für Schichtarbeiterinnen und -arbeiter schaffen. Sie sollten nicht wie bisher zum frühestmöglichen Zeitpunkt ihre Altersteilzeit beenden müssen, sondern auch abschlagsfrei in Rente gehen können. Diese Option gibt es jetzt. Drittens wollten wir den Kreis derjenigen erweitern, deren Arbeitsplätze als besonders belastend definiert sind. Damit sollten mehr Beschäftigte Vorrang beim Anspruch auf Altersteilzeit haben. Das ist uns teilweise gelungen: Künftig müssen weniger Jahre Schichtarbeit erbracht werden. Die Definition der belastenden Tätigkeiten konnten wir darüber hinaus aber nicht erweitern.
Sie haben nun erstmals bundesweit einen durchsetzbaren Anspruch auf eine bis zu 7-jährige Bildungsteilzeit; verblockt oder unverblockt. Danach besteht der Anspruch auf einen gleich- oder höherwertigen Vollzeitarbeitsplatz. Das gilt auch für unbefristet übernommene Azubis direkt nach der Ausbildung. Das ist schon einmal ein großer Fortschritt in Sachen Zeit für Bildung.
Hier sind wir erste Schritte hin zu einer geförderten Bildungsteilzeit gegangen. Betriebsrat und Arbeitgeber können vereinbaren, dass ein Teil des für Altersteilzeit bereitgestellten Geldes für Bildungsteilzeit genutzt wird. Setzt ein Arbeitgeber die Altersteilzeitquote von sich aus unterhalb von vier Prozent an, ist er verpflichtet, dadurch frei werdende Mittel zur Finanzierung von Angeboten in Richtung Bildungsteilzeit zu nutzen. Einen festen Anspruch der Beschäftigten auf Aufstockungsleistungen vom Arbeitgeber während der Bildungsteilzeit konnten wir aber nicht in dem Umfang erreichen, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Jetzt sind wir erst einmal gefordert, unsere guten Ergebnisse in der Alters- und Bildungsteilzeit so umzusetzen, dass sie nicht nur auf dem Papier schön aussehen, sondern auch bei unseren Kolleginnen und Kollegen im Betrieb ankommen.
Unsere Beschäftigtenbefragung von 2013 hat ergeben, dass das Thema Arbeitszeit für die Beschäftigten ein ganz zentrales ist. Daraus haben wir im ersten Schritt die Forderungen zur Altersteilzeit und Bildungsteilzeit abgeleitet. Das Thema lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle wird uns auf absehbare Zeit sicher weiter beschäftigten. Aber auch die Frage ausufernder Arbeitszeiten, auch weil der Leistungsdruck zunimmt. Gesamtmetall und IG Metall haben sich verpflichtet zu diesen Arbeitszeitfragen Gespräche zu führen.
Was uns im Frühjahr 2016 ebenfalls beschäftigen könnte, sind die Themen Leiharbeit und Werkverträge. Sollte die Bundesregierung – wie angekündigt – in diesem Jahr neue gesetzliche Regelungen verabschieden, gilt für unsere Verträge zur Leiharbeit das gleiche wie bei der Altersteilzeit: Ändern sich die Gesetze, müssen die Tarifverträge innerhalb von 6 Monaten neu verhandelt werden.