Im Interview erklärt Gesamtbetriebsratsvorsitzender Alfred Löckle, wie es dazu kam.
Wieso braucht Bosch eine Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit?
Einerseits mussten unsere Regeln zur Telearbeit überarbeitet werden, andererseits wollte der Arbeitgeber im neuen Forschungszentrum in Renningen moderne Arbeitsbedingungen einführen. Darüber verhandeln wir bereits seit 2012, allerdings ist eine Einigung zunächst daran gescheitert, dass die Geschäftsführung auf einer reinen Vertrauensarbeitszeit ohne jede Form von Erfassung bestanden hat. Das ist mit dem Betriebsrat nicht zu machen.
Was führte zur Einigung?
Auf unserer Seite die Ergebnisse unserer Beschäftigtenbefragung. Aus dem Entwicklungszentrum in Schwieberdingen kamen rund 1500 Rückmeldungen. Mehr als jeder Zweite dort wünscht sich, seine Arbeitszeit an persönliche Bedürfnisse anpassen zu können, also zum Beispiel kurzfristig mal einen Tag freizunehmen. Hinzu kommt, dass sich nur ein ganz geringer Teil der Beschäftigten von E-Mails nach Feierabend gestresst fühlt. Das hat uns darin bestärkt, nach Lösungen zu suchen. Der Durchbruch ist gelungen, als der Arbeitgeber akzeptiert hat, dass auch Arbeitszeit von auswärts erfasst wird.
Wie läuft das praktisch?
Die Mitarbeiter pflegen ihre Arbeitszeit selbst in das System ein. Dabei entscheiden sie, wann sie erreichbar sind und hinterlassen die Zeiten im Büro. Montag bis Freitag bleibt auch bei mobiler Tätigkeit Regelarbeitszeit, der Samstag kann auf freiwilliger Basis als Ausgleich für Freizeit während der Woche benutzt werden. Tarifliche und gesetzliche Bestimmungen zur Höchstarbeitszeit, zu Pausen und Zuschlägen gelten natürlich weiter.
Wie will der Betriebsrat das kontrollieren? Birgt Arbeit von zu Hause nicht die Gefahr massiver Mehrarbeit?
Dass sich Beschäftigte zuhause ins System einloggen, können wir heute schon nicht verhindern. Die Betriebsvereinbarung stellt sicher, dass die Arbeit von auswärts erfasst und bezahlt wird. Selbstverständlich erfordert das ein hohes Maß an Selbstorganisation. Deshalb haben wir eine Checkliste entwickelt, anhand derer jeder testen kann, ob er der Typ für mobiles Arbeiten ist. Zum Beispiel muss gewährleistet sein, dass ein Raum für die Arbeit zur Verfügung steht, wo auch die Kinder nicht dauernd stören können.
Was passiert, wenn plötzlich alle bei Bosch von zu Hause aus arbeiten wollen?
Das wird nicht passieren, die Arbeit in Produktion und Fertigung lässt das nicht zu. In Frage kommen klassische Angestelltenbereiche, also zum Beispiel Entwicklungs-, Planungs- und IT-Abteilungen. Dort darf der jeweilige Vorgesetzte mobiles Arbeiten nur aus stichhaltigen Gründen ablehnen. Allerdings machen wir momentan die Erfahrung, dass sich viele Vorgesetzte damit schwer tun, mobiles Arbeiten zu ermöglichen. In Pilotprojekten in verschiedenen Abteilungen bei Bosch waren die Mitarbeiter zwischen einem halben und einem Tag pro Woche nicht im Büro.
VW und Daimler schützen ihre Beschäftigten auch technisch vor beruflichen E-Mails zuhause – warum verzichtet Bosch darauf?
Unsere Strategie war es, den Beschäftigten nicht nur das Recht zum mobilen Arbeiten zuzusichern, sondern auch die Entscheidungsfreiheit darüber. Also sie entscheiden, wo und zu welchen Zeiten sie arbeiten, nicht der Arbeitgeber. Jetzt beobachten wir, wie es in der Praxis läuft. Hält die Front nicht und es kommt im Zuge der Betriebsvereinbarung zu Mehrarbeit, können wir immer noch technisch nachbessern.