GE Power in Mannheim
Pioniere im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Arbeits- und Gesundheitsschützer von GE Power in Mannheim gehören zu den Pionieren der ganzheitlichen Gefährdungsanalyse in Deutschland. Bislang können die Betriebsräte auf fast 5200 umgesetzte Maßnahmen verweisen, darunter etwa 650 im Bereich der psychischen Belastungen.


Überschattet wird die erfolgreiche Arbeit allerdings von den aktuellen Kahlschlagplänen des Mutterkonzerns General Electric. 1066 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden.

Seit dem Jahr 2001 werden bei GE Power in Mannheim alle Arbeitsplätze systematisch und regelmäßig auf Gesundheitsgefahren untersucht, in physischer wie in psychischer Hinsicht. Drei Jahre dauert eine Runde durch den ganzen Betrieb, in dem derzeit rund 1800 Beschäftigte arbeiten. Mit bisher fünf Runden in den letzten 16 Jahren hat sich für die Belegschaft bereits eine ganze Menge verbessert – zu Beginn aber war es nicht leicht.

„Am Anfang war alles Neuland“, berichtet Holger Nickel, Betriebsrat und Vorsitzender des Ausschusses Gefährdungsanalyse. Das Arbeitsschutzgesetz mit der Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung war 1996 gerade in Kraft getreten. Der Start war mühsam, weil der Arbeitgeber, damals noch Alstom Power, den Betriebsräten Knüppel zwischen die Beine warf. „Es gab viele Kämpfe“, sagt Nickels Kollege Hans Lehotsky, „vor allem, weil wir von Anfang an die psychischen Belastungen mit berücksichtigen wollten.“ Erst 2013 wurden die psychischen Belastungen ausdrücklich im Gesetz ergänzt. Die Betriebsräte Wolfgang Alles und Egon Mäurer gaben nicht auf und riefen die Einigungsstelle an. Deren Spruch im Oktober 2000 sorgte für bundesweite Schlagzeilen und bestätigte die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes. Daraufhin wurde im Einigungsstellenspruch im Detail festgelegt, wie die Gefährdungsanalysten durchzuführen sind und dass sie „bei wesentlichen Änderungen der Arbeitsplätze und fortlaufend zu wiederholen sind, spätestens alle drei Jahre“. Die erste Runde startete gleich 2001.

 

 

GE Power Mannheim von links Holger Nickel, Yamina Rausch und Hans Lehotsky
Foto GE Power Mannheim – von links Holger Nickel, Yamina Rausch und Hans Lehotsky. Foto: Helmut Roos

 

 

Während einer Analyserunde kommt Abteilung für Abteilung an die Reihe. Die Beschäftigten füllen die Fragebögen aus, geht es um psychische Belastungen, geschieht dies anonym; aus deren Auswertung ergeben sich mögliche Maßnahmen. Am Ende entscheidet die Paritätische Kommission mit je drei Mitgliedern von Betriebsrat und Arbeitgeber verbindlich und einstimmig über die Umsetzung. Die Betriebsräte überprüfen, wie die Maßnahmen umgesetzt wurden und ob die gewünschten Entlastungen erreicht werden konnten.

 

Die Belegschaft zeigt sich kampferprobt

Heute können die Betriebsräte auf fast 5200 umgesetzte Maßnahmen verweisen, darunter etwa 650 im Bereich der psychischen Belastungen, wie die stellvertretende Ausschussvorsitzende Yamina Rausch berichtet. Auch unter dem Damoklesschwert des drohenden Kahlschlags zeigt sich eine hohe Akzeptanz für das nun viele Jahre eingeführte Verfahren zur Gefährdungsanalyse. „Der Rücklauf der Fragebögen ist mit 90 Prozent sehr hoch“, so Rausch. Über die 16 Jahre hinweg wurden die Abläufe gestrafft, Zeitpläne optimiert, Fragebögen überarbeitet und vereinfacht – „ganz im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“. An typischen Verbesserungen in der Produktion zählen die drei Betriebsräte auf: Einsatz von Hebehilfen, optimierte Beleuchtungen, Absaugung von Gefahrstoffen oder beseitigte Zugluft. An den Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen steht die gesundheitsförderliche Platzierung der Monitore im Mittelpunkt, der Einsatz ergonomischer Bürostühle oder ein verbessertes Raumklima.

Die aktuelle Lage im Betrieb spiegelt sich in der Auswertung der Fragebögen zu den psychischen Belastungen. Zum Beispiel stieg die Sorge um die Jobs in den letzten Jahren ständig weiter an, mittlerweile zeigen sich über 90 Prozent der Befragten unsicher über die Zukunft. „Rat und Hilfe sind mehr und mehr gefragt“, so Holger Nickel. Die Mannheimer Belegschaft zeigt sich freilich kampferprobt wie schon in früheren Auseinandersetzungen: „Gegenwehr“, so lautet nach wie vor ihr Motto. „Ohne Druck dahinter und das Engagement der betrieblichen Akteure wäre das alles nicht möglich“, sagt Benedikt Hummel von der IG Metall in Mannheim. „Das Modell ist mit seinen klaren und stringenten Abläufen einzigartig.“ In der regionalen Projektgruppe Gefährdungsanalyse holen sich die Nachbarbetriebe Inspiration und Unterstützung für die eigene Arbeit.

In diesem Sinne wollen die drei Betriebsräte weiterarbeiten. „Wir können stolz darauf sein, was geleistet wurde und wird“, sagt Hans Lehotsky. Die Mannheimer sind sich bewusst, dass die Voraussetzungen nicht überall gleich günstig sind. „Hut ab vor Kolleginnen und Kollegen, die in einem kleinen Betrieb aktiv sind, wo vielleicht gerade mit Müh’ und Not ein Betriebsrat gewählt werden konnte.“