IG Metall vom Betrieb aus denken
Marlo Hennings: „Wir müssen sichtbar sein, wir müssen ansprechbar sein.“

Marlo Hennings ist Vertrauenskörperleiter bei der „Flensburger Schiffbau-Gesellschaft“. In den vergangenen Monaten hat der 33-Jährige eine Ausbildung zum Veränderungspromotor absolviert. Im Interview spricht er darüber, wie es ihm gelungen ist im Betrieb die Vertrauensleutestruktur neu aufzubauen.

23. August 202123. 8. 2021


Marlo, im Rahmen des Projekts „IG Metall vom Betrieb aus denken“ hast Du eine Ausbildung zum Veränderungspromotor absolviert. Welches betriebliche Projekt hast Du Dir ausgesucht, was wolltest Du zusammen mit Deinem Team anschieben und umsetzen?

Marlo Hennings: Da mussten wir nicht lange überlegen, das war ganz klar: Wir haben uns vorgenommen, unsere Vertrauensleute-Strukturen im Betrieb neu aufzubauen. Das war elementar wichtig. Letztes Jahr sind wir in die Insolvenz gekommen, es kam leider zu einem großen Stellenabbau und zu weitreichenden Umstrukturierungen. Dabei wurden auch unsere sehr guten VL-Strukturen auseinandergerissen, teilweise zerstört. Vor der Insolvenz arbeiteten bei uns rund 650 Kolleginnen und Kollegen, es gab im Betrieb insgesamt 65 Vertrauensleute. Wir waren in jedem Bereich vertreten. Das wollten wir wieder erreichen.

 

Habt Ihr Euer Ziel erreicht?

Hennings: Das haben wir, und darüber sind wir sehr glücklich. Wir haben mittlerweile wieder, wie vor der Insolvenz, die Zahl von 65 gewählten Vertrauensleuten erreicht, das ist ein großer Erfolg. Gerade weil die vergangenen Monate so eine schwere, harte Zeit gewesen waren. Viele Beschäftigten mussten uns verlassen, insgesamt waren es 234. Die Belegschaft, die an Bord blieb, war verunsichert, es gab Sorgen, Ängste, viele Kolleginnen und Kollegen, die zu uns kamen, suchten Orientierung. Wir wussten: Wir müssen unser Strukturen so schnell wie möglich wieder intakt bekommen: Mit der Insolvenz haben wir auch unsere Tarifbindung verloren, beziehungsweise, wir sind nun in der Phase der Nachwirkung. Uns war klar: Wenn wir es nicht schaffen, uns sehr schnell wieder schlagkräftig aufzustellen, dann wird es schwer werden. Nun, wir haben es geschafft: Wir haben unsere VL-Struktur rasch aufgebaut. Darauf sind wir schon ein bisschen stolz.

 

Wie ist Euch das gelungen?

Hennings: Die Zukunftsreihe, an der wir teilgenommen haben, war total super, in ihr haben wir viel Konzeptionelles entwickelt. Wir hatten die nötige Zeit und genug Raum, um Neues auszuprobieren. So eine Zukunftsreihe besteht ja aus einzelnen Modulen, es gibt theoretische Seminarphasen und dann immer wieder Praxisphasen. Während der Seminarphase bekommt man Werkzeuge in die Hand, die einem helfen, Projekte im Betrieb zu planen und durchzuziehen. Wir haben agiles Projektmanagement gelernt, das war eine gute Sache. Wirklich elementar war auch, dass wir immer Zeit zwischen den Seminaren hatten, um unsere Aktionen gut zu planen und umzusetzen. Nach jeder Praxisphase kommt man wieder im Bildungszentrum zusammen und reflektiert gemeinsam, was gut gelaufen ist und wo man noch nachsteuern muss.

 

Wie seid ihr das Projekt angegangen, welchen Fahrplan habt ihr ausgearbeitet?

Hennings: Wir haben uns überlegt, dass es nicht gut ist, einfach blindlings loszulaufen, in die Abteilungen zu marschieren, wahllos Kolleginnen und Kollegen anzusprechen und sie direkt zu fragen, ob sie sich nicht als Vertrauensmann oder Vertrauensfrau engagieren möchten. Stattdessen haben wir ein Konzept aufgestellt und zuerst einmal analysiert: In welchen Abteilungen gibt es bereits Strukturen und wo fehlen sie? Wer ist uns gewogen, wer braucht lediglich einen Impuls? Welche Kolleginnen und Kollegen haben wichtige Schlüsselpositionen inne? Dann haben wir uns dafür entschieden, ganz dezidiert auf Beschäftigte im Angestelltenbereich zuzugehen – und uns für sie, wie für alle anderen Kolleginnen und Kollegen auch, spezielle Ansprachekonzepte überlegt, eine Art Gesprächsleitfaden. So vorbereitet, organisiert und ausgerüstet haben wir uns dann auf den Weg gemacht. Und haben unser Ziel letztlich erreicht.

 

Welche Impulse möchtest Du der IG Metall geben?

Hennings: Nun, wir haben mit dem Projekt hier vor Ort ja schon einiges an Staub aufgewirbelt. Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen angesprochen und aktiviert – und da war es immer sehr gut, einen engen, guten, vertrauensvollen Kontakt zur Geschäftsstelle zu haben. Vor allem war es gut, dass unsere Ansprechpartner in der Geschäftsstelle häufig vor Ort waren. Dass sie oft im Gespräch mit den Beschäftigten waren, dass sie sichtbar und ansprechbar für die Kolleginnen und Kollegen waren. Das ist total wichtig: Die IG Metall muss in den Betrieben sichtbar und ansprechbar sein. Sie muss eine starke Präsenz vor Ort zeigen. Dafür aber braucht man Zeit, dafür muss man Strukturen schaffen. Das sollte die IG Metall weiter tun. Marlo Hennings, Vertrauenskörperleiter bei der „Flensburger Schiffbau-Gesellschaft“.