In Deutschland haben es berufstätige Eltern nicht immer leicht. Nicht selten müssen sich hierzulande Frauen zwischen einer Berufstätigkeit und ihrem Nachwuchs entscheiden. Julia Baumann dagegen hat es besser getroffen. Die junge Mutter arbeitet bei dem bayerischen Medizintechnikhersteller Qioptiq. Der Mittelständler bietet ein flexibles Arbeitszeitmodell für Eltern an, um ihnen den Einstieg nach der Elternpause zu ermöglichen.
Jana, die Tochter von Julia Baumann, ist inzwischen zweieinhalb Jahre. Ihre Mutter arbeitet wöchentlich 24 Stunden. Die Arbeitszeit verteilt Julia Baumann auf Montag bis Donnerstag. Baumanns Schicht beginnt zwischen 15 und 16 Uhr, sie arbeitet dann bis circa 21 Uhr. Dann kann sie zwar am Abend Tochter Jana nicht zu Bett bringen, doch das übernimmt dann ihr Lebensgefährte. Dafür hat Baumann den kompletten Vormittag bis in den Nachmittag hinein, um sich um ihre Tochter zu kümmern. Für die junge Mutter, die inzwischen ihr zweites Kind erwartet, ist das Angebot ihres Arbeitgebers „ein Glücksfall“. Daher will sie auch auf jeden Fall nach der Geburt ihres zweiten Kindes und einer Auszeit wieder arbeiten – mit einem ähnlichen Modell, voraussichtlich noch kürzer als 24 Stunden.
Starre Arbeitszeiten sind ein Problem
Viele Mütter wollen nach der Babypause gerne wieder arbeiten. Doch starre Arbeitszeiten, wie sie noch in vielen Unternehmen üblich sind, verhindern das meistens. Ganz besonders schwierig gestaltet es sich, wenn in dem Unternehmen auch noch Schicht gearbeitet wird. Doch passgenaue Sonderlösungen können ein Ausweg sein. So wie bei Qioptiq, dem Hersteller von optischen Komponenten für die Industrie. Seit 2009 regelt dort eine Betriebsvereinbarung, dass die Arbeitszeit individuell an die Bedürfnisse junger Eltern angepasst werden können.
Dieses Angebot nutzen bei Qioptiq inzwischen 14 Mitarbeiterinnen. Deren Arbeitsplätze wurden aus dem Schichtablauf herausgelöst und nach ihren Bedürfnissen kreiert. Die Arbeitszeitmodelle sind ganz verschieden. Einige arbeiten vormittags für vier Stunden und haben nachmittags die Zeit für den Nachwuchs. Andere haben die Arbeitszeit so gelegt wie Julia Baumann und arbeiten nachmittags in den Abend hinein. Um das passende Arbeitszeitmodell zu finden, treffen sich Personalleitung, Betriebsrat und die betroffene Mutter etwa drei Monate vor der Rückkehr aus der Babypause und besprechen die Details.
Das Arbeitszeitmodell wird inzwischen an einigen Arbeitsplätzen in der Eingangskontrolle angewendet. Dort werden die optischen Linsen, die die Firma von Zulieferern bezieht, vor der Montage kontrolliert. Betriebsrat und Personalleitung waren sich einig: Das ist keine Tätigkeit, die unbedingt morgens bei Schichtbeginn schon erledigt werden muss. Das Gleiche trifft auch auf einige Arbeitsplätze in der Endmontage zu, und ebenso dort, wo die Linsen beschichtet werden.
Dass junge Frauen nicht in einen Konflikt zwischen ihrem Job und ihrer Verantwortung als Mütter geraten, das war für den Betriebsrat Konrad Kölbl seit jeher ein wichtiges Anliegen. Vor etwa zehn Jahren hat er sich vorgenommen, ein passendes Angebot zu entwickeln und wurde vom gesamten Betriebsrat darin unterstützt. Aus seiner Tätigkeit als Betriebsrat weiß Kölbl, wie wichtig Fachkräfte für ein Unternehmen werden können, das präzise optische Komponenten beispielsweise für den medizinischen Einsatz herstellt.
„Deshalb muss die Firma auf die Probleme junger Familien eingehen“, sagt Kölbl. Bei dem Mittelständler arbeiten zur Zeit circa 260 Beschäftigte. In der Produktion sind zu 95 Prozent Fachkräfte eingesetzt. Über die Hälfte davon sind Frauen. Auch unter den Auszubildenden, sind viele Mädchen.
Mehr Zeitsouveränität
Der Arbeitszeit kommt bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Schlüsselrolle zu. Das ist auch eines der Ergebnisse der IG Metall-Beschäftigtenbefragung von 2013. Danach fordern die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität, um das Privatleben gut organisieren zu können. Gerade für Arbeitnehmer mit Kindern ist dabei der Zuschnitt der Arbeitszeit entscheidend. Und: Fast 40 Prozent von ihnen wollen kürzer arbeiten.
Die Anforderungen an die Arbeitszeit sind verschieden und sie verändern sich mit der Lebensphase der Menschen. Der eine hat Kinder zu betreuen, ein anderer Mitarbeiter muss ältere Familienangehörige pflegen. Und ein Dritter braucht mehr Zeit für politisches Engagement, Weiterbildung, Sport oder das persönliche Wohlbefinden. Dem entgegen steht der Anspruch von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter immer flexibler entsprechend den Anforderungen des Betriebes einsetzen wollen. Was für den einen Beschäftigten kein Problem ist, bringt jedoch andere Mitarbeiter in Bedrängnis.
Gute betriebliche Regelungen zur Arbeitszeit sind noch immer die Ausnahme. Doch das Beispiel Qioptiq im bayerischen Regen zeigt, dass auch ein Mittelständler auf die besonderen Anforderungen von arbeitenden Müttern und Vätern eingehen kann.