Darum profitieren Mitglieder vom Tarifvertrag

Gewerkschaftsmitglieder sind besser dran. Diesen oft verwendeten Slogan hat jetzt auch das Bundesarbeitsgericht bestätigt: Was in einem Tarifvertrag steht, gilt für Beschäftigte mit Mitgliedsausweis. Ohne Wenn und Aber. Damit sind für sie Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen nicht notwendig.

1. November 20201. 11. 2020


Schließt eine Gewerkschaft einen Tarifvertrag ab, gilt dieser unmittelbar und direkt für deren Mitglieder und ist entsprechend auch verpflichtend für den tarifgebundenen Arbeitgeber. So steht es im Tarifvertragsgesetz. Eigentlich eine klare, unmissverständliche Regelung. Trotzdem landete vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Streitfall, bei dem es genau um diesen Sachverhalt ging: Ein tarifgebundenes Unternehmen der Luftfahrtindustrie hatte 2014 ein nicht-tarif gebundenes Unternehmen erworben und 2015 mit der IG Metall einen Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrag abgeschlossen. Darin ist unter anderem geregelt, dass die Inhalte der Vereinbarung nur für diejenigen Arbeitnehmer gelten sollen, die seine Inhalte in einzelvertraglichen Vereinbarungen nachvollziehen – durch eine sogenannte Bezugnahmeklausel. Die Absicht des Arbeitgebers war klar: Er wollte rechtlich einheitliche Arbeitsverhältnisse haben – ein nicht ungewöhnliches Interesse.

Das vom DGB Rechtsschutz unterstützte IG Metall-Mitglied wollte aber nicht einsehen, einen neuen Arbeitsvertrag abschließen zu müssen, weil dieser in einigen Punkten auch eine Schlechterstellung vorsah. Die Klägerin verweigerte ihre Unterschrift und hatte daher finanzielle Einbußen gegenüber ihren Arbeitskollegen, die einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben und damit auch finanziell von dem neuen Tarifvertrag profitierten.

Das IG Metall-Mitglied berief sich auf das Tarifvertragsgesetz und bekam recht: Die Vereinbarung dieser Bezugnahmeklausel, wonach Vorschriften des Tarifvertrags individualrechtlich nachvollzogen werden müssen, damit dieser für einzelne Arbeitnehmer gilt, ist hier unwirksam. Der Arbeitgeber muss der Klägerin insgesamt 12 000 Euro nachzahlen.

Zwar beinhaltet der Tarifvertrag viele gute Regelungen, aber einige Details in den neuen Arbeitsverträgen enthielten Verschlechterungen gegenüber den alten Verträgen, beispielsweise Vertragsstrafen.


Tarifvertragsgesetz zählt

Mit dem jetzigen Urteil ist klar: Für Gewerkschaftsmitglieder gibt es keine Umleitung über eine Bezugnahmeklausel. Der Grund: Das Tarifvertragsgesetz regelt in Paragraf 4 Absatz 1, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrags unmittelbar und zwingend für die beiden tarifgebundenen Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) gelten. Danach sind Bezugnahmeklauseln hier überflüssig. Deshalb können die Tarifvertragsparteien die Geltung der Ansprüche aus dem Tarifvertrag nicht von individualrechtlichen Umsetzungsmaßnahmen der tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien abhängig machen, so das Bundesarbeitsgericht.

 

Tjark Menssen ist Jurist bei der DGB Rechtsschutz GmbH.

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